Inschriftenkatalog: Stadt Bonn
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 50: Bonn (2000)
Nr. 81 Rüngsdorf, St. Andreas 1579
Beschreibung
Hostienmonstranz mit Sentenz, Datierung, Heiligennamen als Widmungsinschriften sowie Stifterinitialen. Kupfer, gegossen bzw. getrieben und vergoldet. Vergoldung erneuert. Zwei gegenüberliegende Segmente des Sechspaßfußes laufen spitz zu. Am sechsseitigen Schaft ein Knauf mit geflügelten Engelsköpfen. Die Hostienkapsel mit symmetrischer Schauöffnung und rahmenden Rokokomotiven wurde um 1771 eingesetzt, als die ursprüngliche Turmmonstranz zu einer Scheibenmonstranz umgearbeitet wurde.1) Seitlich der Schauöffnung gotisches Strebewerk, darin gegossene Statuetten des hl. Andreas (mit Kreuz) und des hl. Martin mit dem Bettler (Mantelteilung). Über dem Zylinder eine Kuppel, die von einem Spitzhelm mit Kreuz überhöht wird. Inschrift A über dem Schaubehälter umlaufend. Datierung (B) und Stifterinitialen (E – H) mit Hausmarken (vgl. Anhang Nrn. 67, 73, 74, 78, 81) in die Sechspaßsegmente des Fußes, Heiligennamen um den Schaftansatz herum eingraviert.
Maße: H. 55, Dm. 18/21, Bu. 0,8 (C), 0,9 (A), 1,2 (B, D) cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
* SOLI * DEO GLO//RIA *a)2)
- B
* ·A·N·N·O·* D·O·M·I·N·Y·* ·1··5··7··9·
- C
·S(ANCTVS)· ANDREAS·
- D
·S(ANCTVS)· MARTINVS
- E
KK
- F
BB
- G
KW
- H
SP
Übersetzung:
Gott allein die Ehre! (A)
Textkritischer Apparat
- Unterbrechung durch den Ansatzpunkt des seitlichen Strebewerks.
Anmerkungen
- Aus dieser Zeit stammt eine angehängte Schaumünze des Kurfürsten Maximilian Joseph mit der Muttergottes als Patrona Bavaria aus dem Jahre (1771).
- Vgl. I. Tim 1,17 ( inmortali invisibili soli Deo honor et gloria) und Iud 25 ( soli Deo salvatori nostro per Iesum Christum Dominum nostrum gloria); Walther, Proverbia 9, 42883b.
- Achter, S. 108.
- Mit der Umschrift QVOS DEVS CONIVNXIT HOMO NON SEPARET (Mt 19,6; Mc 10,9).
- Mit der Umschrift CHRISTVS MACHT AVS WASSER GVTEN WEIN.
- Achter, S. 108.
- Mit der Umschrift DESIDIERIO [sic!] DESIDDARVI [sic!] HOC PASCHA MANDVCARE VOBISCVM AVTE(M) SV(M) LV XII (Lc 22,15) und der Jahreszahl 1546.
- Mit der Umschrift VIGILATE QVIA NESCITIS QVA HORA DOMINVS VE(N)TVRVS EST QVARE MAT 24 (Mt 24,42).
Nachweise
- I. Achter, Die gotische Monstranz in der Rüngsdorfer Andreaskirche, GodHbll. 9, 1971, S. 102–110.
Zitierhinweis:
DI 50, Bonn, Nr. 81 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di050d004k0008108.
Kommentar
Während die Kapitalis der Inschrift A statisch und etwas steif wirkt, zeichnet sich die Schrift der übrigen Inschriften durch ihren feinen, schwungvollen Charakter aus: Das M hat schräge Außenhasten und einen kurzen Mittelteil, der Schrägbalken des N ist leicht geschwungen. Die Worttrennung erfolgt durch vierblättrige Rosetten (A, B) und Punkte auf der Halbzeile. In B sind zudem die einzelnen Buchstaben durch fein gravierte Punkte voneinander getrennt. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, wer sich hinter den Initialen verbirgt, die sicher den Stiftern zuzuweisen sind. Achter nimmt an, daß die Monstranz nicht als Auftragsarbeit, sondern für den Verkauf angefertigt wurde, die Figurennischen daher zunächst freigelassen und erst nach Wunsch des Käufers mit bestimmten Heiligenfiguren gefüllt wurden. Der Grund für diese Annahme liegt vor allem in der offensichtlich nachträglichen Einfügung des hl. Martin zu Pferde, die die Zerschneidung eines Strebepfeilers des gotischen Maßwerks erforderte. Daß diese Ergänzung in derselben Werkstatt erfolgte, die auch die Monstranz hergestellt hatte, schließt Achter zu Recht aus der Verwendung derselben Worttrenner für die nachträglich angebrachte Datierung und die wohl schon zur ursprünglichen Ausstattung gehörige Sentenz (A). Daraus ist zu folgern, daß sich die Werkstatt in der näheren Umgebung des Wohnortes der Auftraggeber befunden haben dürfte, also etwa in Bonn oder Köln. Niederländische Einflüsse auf die Gestaltung der geflügelten Engelsköpfe lassen wohl auf die Herkunft des Meisters schließen, ohne daß sich daraus seine Identität erkennen ließe.3)
Achter weist darauf hin, daß eines der angehängten Medaillons ein zeitgenössisches Hochzeitspaar4) und die Hochzeit zu Kanaa5) zeigt, und nimmt an, daß eine Hochzeit Anlaß der Stiftung gewesen sein könnte.6) Da sie aber selbst die Kleidung des Hochzeitspaares als spanische Hoftracht der zweiten Hälfte des 17. Jh. beschreibt, das Medaillon mithin etwa hundert Jahre jünger datiert als die Monstranz selbst, ist ein solcher Zusammenhang hinfällig. Lediglich ein Medaillon mit dem Letzten Abendmahl7) und einer Weltgerichtsdarstellung8) wurde bereits 1546 geprägt und kann demnach zur ursprünglichen Ausstattung der Monstranz gehört haben.