Inschriftenkatalog: Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 67: Stadt Passau (2006)

Nr. 885† Domkreuzgang, Michaelskapelle (abgegangen) 1. H. 17. Jh.

Beschreibung

Inschrift, an der Wand der ehem. Michaelskapelle1).

Text nach Clm 1302.

  1. Die SeellDer nun Vill Jahr gelebt hab ich,danna) mein Gott begnadt hat mich.mit willen gebenb) ohne Zahl,der ich nit würdtig war einmahl.Es war sein Müldt, vnnd güttigkeit,sein lieb, trey vnnd Barmherzigkeit,drum danckh ich seiner reichen gab,dann ichc) lang gnueg genossen hab,vnnd ist nun zeit daß ewen die,auf erden ich verlass alhie,Mein seell die auf nichts, nur Gott gabd),die fordert er nun wider ab,Weill er dann begehrt was ist sein,so war es ia einmahl nit seine).daß dises soll verwidern ich,oder zu uill entsagenf) mich,Es gscheh Herr dein willen dirg),vnnd wohnen Ewiglich bey dirMein gott sey du gnädig mir,Jch befelch mein seell in deine Händdein reiche Handth) von miri) nit wendNimbs an Wie du hast genomben anLazery Seell des Pettlmann.
    Der LeibWeill Gott hat gnomben was ist sein,das ist die seell von leibe Mein,so ligt der Cörper Ellendt todt,vnnd ist nichts mehr alsk) staub und Koth,weill er auch Herkombt von der Erd.so ist ganz billich das er werdt.wider zur Erdt, darum du Erd.Nimb auch daß dein sol) dir zu gehört,schlüess mich in dich vnnd deekh mich zue,daß in dir lige, rast, und Ruehe,bis Gott wirdt wider rueffenm) michdurch sein Posaun ich bins vergwist,dann weill er selbst erstandten istVon dodt so will ich auch zugleich,durch sein gnad aufstehn freydenreichdann diser todt ein schlaff ist nurden bin ich schuldtig von Naturzu leisten darum ligt nichts dran,dann ich frey mich der Himmels Cron,Wer nit gwestn) die sterbstund Mein,so Hett es Müessen morgen sein,in der welt war ich nur ein gast.daso) grab ist Jezt Mein Palast,
    Zeitlichkeit.Mein Weib vnnd Kinderp) las ich auch hie,Mein Gottq) du hast erschaffen sye,darum Wolst auch Jhr Vatter sein,Regier sye nach dem wüllen dein,das sye fördern dein lob und ehr,behüet sye Herr vor Neuer Lehr,Römisch Catholisch sey ihr Schuell,vnnd ghorsamb sein St. Peters stuell,Weill sye bleiben versorgt durch dich,auf erdt vill besser dann durch michso kombts mich desto ringer an,daß ich jezundt scheid daruon,mich fücht auch an khein gutt kheinr) geld,noch anders was bleibt in der Welt,Diss alles würdt in der Welt nit ewig stehns),sambt der welt mues es auch vergehnt),vnnd hat darmit khein Vnterschid,Gott aber bleibt in Ewigkeit,drum in daß bitters leiden sein,steht der ganz Trost vnd hofnung Meinnur weckh, weckhu) mit aller Zeitlichkeit,mich freut die Himmlisch Ewigkeit,was zeitlich ist vergeht Ellendv).Ewig ist lang, vnnd hat khein End.
    LeßerO du diss alles gelesen hast,bist in der welt nurw) ein gast,vnnd Muest sterben sowol als ich,glaub du mir du bleibst nit ybrigdrumb schau mich an vnd spiegel dichder du noch bist der war auch ich.wie ich bin vorgangen diralso sein auch vorgangen mir,Alexanderx) der ich vill kenty),bedenckhs sich nähert auch dein end,so weit der todt noch von dir ist,so weit er von mir gwessen ist,nun aber hat er mich erschnapt,zweifel nit du würst auch ertapt,und diserz) gar baldt gleich hinder dirSteht der todt, vnnd warttet für und fürbis ausglafen ist dein stundt,Gleich schiest er dich Todt und Rundaa)Er Eylt und saumbt sich vmb kein Tritt,auf erd kheinab) Menschen fehlt er nit,auf dem fuesac) nach schleicht er dir,Schau woll auf dich, dir gschicht wie mirsicher bist nit heunt disen Tag darfürad)Drumb bereith duae) Muest HernachHie ligen die Schäzlischen Kinder,

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

In der kopialen Überlieferung ist zwischen die Verse – nach Der Leib und vor Zeitlichkeit – die Grabinschrift für Urban Schätzl (Nr. 802) eingebettet. Daraus könnte man schließen, dass es sich um ein größeres Grabmal gehandelt hat, zu dem diese Verse gehörten. Der Schlusssatz weist auf die Kinder Urban Schätzls und unterstützt somit diese Theorie. Man könnte auch annehmen, dass die gesamte Kapelle als zusammengehörendes Grabmonument angelegt war, da sich diese Versinschriften an den Wänden befunden haben sollen2). Im Original ist nur noch die Tafel mit der eigentlichen Grabinschrift für Urban Schätzl und seine beiden Ehefrauen erhalten (vgl. Nr. 802).

Textkritischer Apparat

  1. darum BZAR Gen. 1279.
  2. villen gaaben BZAR Gen. 1279; villen gaben StBP Hist. eccl. 130 VII gr.
  3. ichs BZAR Gen. 1279.
  4. die Gott mir anfangs gab BZAR Gen. 1279.
  5. so wär es je einmahl nicht fein BZAR Gen. 1279.
  6. entsezen StBP Hist. eccl. 130 VII gr.
  7. dein; es folgt ein weitere Zeile: ich begehr nunmehr aufglöst zseyn BZAR Gen. 1279.
  8. gnad BZAR Gen. 1279.
  9. ihr BZAR Gen. 1279.
  10. dann BZAR Gen. 1279.
  11. was BZAR Gen. 1279.
  12. wecken mich, es folgt eine weitere Zeile: am Jüngsten tag unfehlbarlich BZAR Gen. 1279.
  13. Davor zusätzlich heunt BZAR Gen. 1279.
  14. dies BZAR Gen. 1279.
  15. Kind BZAR Gen. 1279.
  16. Gott fehlt, BZAR Gen. 1279.
  17. noch BZAR Gen. 1279.
  18. dieß Alls wird ewig nicht bestehn BZAR Gen. 1279.
  19. zergehn BZAR Gen. 1279.
  20. Nur einmal weckh BZAR Gen. 1279.
  21. behend BZAR Gen. 1279.
  22. Davor zusätzlich auch BZAR Gen. 1279.
  23. Sic, all ander BZAR Gen. 1279.
  24. Davor zusätzlich hab BZAR Gen. 1279.
  25. diß BZAR Gen. 1279.
  26. Sic, wund BZAR Gen. 1279.
  27. eins BZAR Gen. 1279.
  28. auf den Versen BZAR Gen. 1279.
  29. darfür fehlt, BZAR Gen. 1279.
  30. Davor zusätzlich dich BZAR Gen. 1279.

Anmerkungen

  1. Die Michaelskapelle war die schätzelsche Grablege, die sgn. Schätzelkapelle.
  2. Kdm Passau 132. Zitiert nach Clm 1302 (in Kdm fälschlich als Cgm bezeichnet).

Nachweise

  1. Clm 1302, p. 30–31, 34–36; BZAR Gen. 1279, Heft 1 p. 51–53; ABP OA, Sammlung Stinglhamer/Krick 151, Nr. 252 (zitiert nach Clm 1302); StBP Hist. eccl. 130 VII gr, Nr. 252 (zitiert nach Clm 1302); Kdm Passau 132.

Zitierhinweis:
DI 67, Stadt Passau, Nr. 885† (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di067m010k0088509.