Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 112 Wiesbaden-Biebrich, Heimatmuseum (aus Ev. Hauptkirche) 1678

Beschreibung

Bibelzitat, Stifter- und Namensinschrift auf Hostienkästchen. Schmales Kästchen aus Messing, ehemals im Besitz der ev. Hauptkirchengemeinde, heute in der Schausammlung des Museums.1) Auf der Schauseite vorne siebenzeilige Inschrift (A), die teilweise von einem Kranzmedaillon durchschnitten wird. Auf der Rückseite zehnzeilige Bibelparaphrase (B), ebenfalls von Kranzmedaillon unterbrochen. Die im Feld mit floralem Schmuck verzierte Innenseite des Deckels ist auf dem Rand mit einer umlaufenden, dreiseitig von innen, am Textende von außen zu lesenden Stifterinschrift (C) und in dem mittig plazierten Kranzmedaillon mit der siebenzeiligen Namensinschrift (D) beschriftet. Buchstaben punziert. Gut erhalten, nur Deckelscharnier rechts defekt.

Maße: H. 8, B. 15, Bu. 0,2-0,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (teilweise A, D), Fraktur (A-C).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. A

    Das Sacrament // des Altars, oder /a) dess HeRRn Aabendmal // ist der wahre leib und / Blut unsers HeRRn // Jesu Christi, unter dem / brot und wein, uns // Christen zu essen und / zu trinckenb), von Christo // selbst eingestztc): / Solches zeugen die // vier Evangelisten / MATTH(EUS) 26. MARCUS. 14. // LUCAS. 22. PAULUS. 1

  2. B

    Vnser HeRR Jesus // Christus, in der nacht, / da er verrathen wardd), nahm // er das Brod, dancket, un(d): / brachs, und gabs seinen // Jüngern, und sprach: / nehmet hin und esset, d=//as ist mein leib, der für / euch gegeben wird, solches // thut zu meinem gedächtnus / desselbigen gleichen na=//hm er auch den kelch, / nach dem abendmahl, // dancket und gab ihnen / den und sprach: Neh=//meth hin, und tinckete) alle / darauss diser kelch ist das Neue // Eestamentf) in meinem Blut / etc(etera)2)

  3. C

    Dieses kistelein ist zur / Ehrre Gottes inder kirchen zu Mossbach von Fraug) Schmi/inh) . ausg) fr(ank)furtg) . und Lübbing goltarbeit(er)g) geselg) · aus / zelle //i) verehret . Anno . 1 . 6 . 7 . 8 . den 18-28k) Augu(sti)

  4. D

    ANNA . / CATHARINA / VON DEN POPEL[I]/RN GEN(ANNT) SCHMIINh) / VND RUDOLRHl) / BALTZER, LÜB/BING ·

Kommentar

Worttrennung ist nicht regelmäßig durch bestimmte Zeichen angezeigt. Schreibfehler und extreme Schwankungen in der Schriftgröße verraten die Unsicherheit des Herstellers. Die Kapitalis erweckt einen unprofessionelleren Eindruck als die Fraktur. Die Cauda des G ist rechtsschräg am unteren Bogenende wie bei einem unzialen G angesetzt.

Unter die Zeugen des Abendmahls ist Paulus eingereiht, da die Erklärung Jesu bei Johannes fehlt; das Zitat (B) ist dem Paulusbrief entnommen. Die Datierung in Inschrift (C) stellt das Datum nach altem, julianischem Stil und neuem Kalenderstil dar, indem die beiden Tagesdaten in Form eines Bruchs geschrieben sind. Dabei ist in der Regel, wie hier, der Nenner die Angabe nach neuem Stil.3)

Rudolph Balthasar Lübing, Sohn des Bürgers und Goldarbeiters Albert Lübing4) aus Celle, heiratete als Frankfurter Goldarbeiter am 24. April 1686 Maria Jacobe Koch, Tochter des verstorbenen Frankfurter Bürgers Heinrich Koch.5) Anna Katharina, Tochter Wilhelms von den Popelier6), war verheiratet mit dem Frankfurter Goldarbeiter Jakob Schmidt7).

Büchsenförmige Behälter8) kommen seit der Antike in verschiedensten Formen und mit unterschiedlichen Zwecken vor. Im gottesdienstlichen Bereich dienten sie seit dem Mittelalter zur Aufbewahrung der konsekrierten Hostien als eucharistische Pyxiden, zur Aufbewahrung nichtkonsekrierter Hostien als Hostienbüchse. Seit der Frühzeit des Protestantismus wurden Pyxides in Büchsenform zur Aufbewahrung der Hostien in Gebrauch genommen; in der kath. Kirche dient das kelchförmige Ziborium, das im Tabernakel des Hochaltars verwahrt wird, demselben Zweck.

Textkritischer Apparat

  1. Diese Zeile ist in größeren Buchstaben hervorgehoben.
  2. c klein und hochgestellt.
  3. Sic! für eingesetzt.
  4. r klein über a gestellt.
  5. Sic! für trincket.
  6. Sic! für Testament.
  7. Wort in sehr kleiner Schrift unter 1 mm.
  8. Sic! für Schmidin.
  9. Ab hier verläuft die Inschrift auf dem unteren Deckelrand.
  10. Zahlen klein in Form eines Bruchs übereinandergesetzt.
  11. Sic! R statt P.

Anmerkungen

  1. Keine Inv.-Nr.
  2. 1 Kor 11,23-26 (fast wörtlich nach Luther).
  3. Vgl. Grotefend, Zeitrechnung I 133.
  4. Scheffler, Goldschmiede Niedersachsens 243, Celle Nr. 21.
  5. Scheffler, Goldschmiede Hessens 229, Frankfurt a.M. Nr. 313a. Weitere Werke von ihm sind nicht nachgewiesen.
  6. Ebd. 187 Nr. 214.
  7. Ebd. 199 Nr. 246.
  8. Vgl. Braun, Altargerät 280-347 zu Ziborium und Pyxis für geweihte Hostien, ebd. 454-460 zu Hostienbehältern für unkonsekrierte Hostien; vgl. auch Braun, Büchse Sp. 33f.

Nachweise

  1. Ecclesia in Mussebach 58 (Abb.)

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 112 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0011204.