Inschriftenkatalog: Stadt Wiesbaden

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 51: Wiesbaden (2000)

Nr. 27 Wiesbaden, Museum (vom Schützenhof) 1409

Beschreibung

Bauinschrift auf Brunnenstock aus rotem Sandstein. Hoher Steinblock mit vierseitig umlaufender Inschrift zwischen Linien, die Inschrift auch vierseitig zu lesen. Beim Schützenhof gefunden,1) längere Zeit wegen Fehllesung als Leihgabe an das Museum der Stadt Rüsselsheim ausgeliehen, seit Herbst 1998 zurückgegeben, heute im Dachmagazin der SNA2). Schrift teilweise beschädigt, besonders an den Ecken Verluste,3) ehemals mit schwarzer Masse gefüllt; Quadrangeln dienen als Worttrenner.

Maße: H. 112,5, B. 22,5, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. anno · d(omi)ni / m · [cc]cc ixo · [p./... · di]ea) · ian(uarii) / · Reue(ren)dusb) [...]c) · / in · chr(ist)od) · / et · d(omi)n(u)s · d(omi)n(u)[s] / [i]ohanes · de / · Nassaw · / arch(i)ep(iscopu)se) / moguntin(ensis) / fontem / pute(u)mf) · / [r]eformarig) / fec(i)th)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1409, am (.). Tag des Januar hat der ehrwürdige (...) in Christus und Herr, Herr Johannes von Nassau, Mainzer Erzbischof, diese Quelle zum Brunnen umgestalten lassen.

Kommentar

Die großen Minuskeln sind teilweise unsauber gehauen. Die Inschrift ist zeilenweise im Umschreiten des Steines zu lesen. Dies wurde in der Literatur nicht erkannt. Da man die vier Felder einzeln las, gelangte man aufgrund der Mißinterpretation des Textes zu der irrigen Annahme, es handele sich um einen Grenzstein. Dieser sei 1360 von Friedrich von Nassau in Rüsselsheim gesetzt worden, um eine angeblich strittige Grenze zwischen Kronberg und Mainz festzulegen.4) Tatsächlich dokumentiert die Inschrift eindeutig die Stiftung eines Brunnens durch Erzbischof Johann von Mainz (1397-1419).

Der Fundort könnte in der Frage der Lokalisierung dieses Brunnens weiterhelfen. Im 15. Jahrhundert befand sich der im „Flecken“ gelegene Schützenhof mit seiner seit römischer Zeit genutzten Thermalquelle, die eine der drei Wiesbadener Hauptquellen ist, im Besitz des Mainzer Erzstifts.5) 1445 wurde der Hof dem Schöffen Emerich Scherer vom Mainzer Erzbischof Dietrich von Erbach erblich verliehen. Ludwig von Hörnigk,6) Stadtphysicus und Hospitalarzt in Frankfurt, erwähnte in seiner 1637 erschienenen Schrift „Wißbades Beschreibung“ unter anderen Bädern und Badehäusern das Schützenhofbad, das zu dieser Zeit als „Graven-Bad“ im Besitz der Nassauer Grafen war. Ihm ist der Hinweis zu verdanken, daß es im Garten des Schützenhofs einen Brunnen gebe, „unter einem Stein, daran eine alte Schrifft zu finden“.7) Schenck berichtete in seiner 1758 erschienenen „Geschicht-Beschreibung“ von der Auffindung eines großen „länglich eckigen Steins“8) am Schützenhof, dessen Inschrift man nicht hätte lesen können, und deutete sie zugleich als nicht-römisch. An anderer Stelle legte er seine Vermutung dar, es könne sich „um eine Nachricht zum heißen Wasser des Schützenhofs“ handeln oder gar um einen Geistlichen „Idec aus Mainz“.9) Diese Fundnachrichten Hörnigks und Schenks sind mit hoher Wahrscheinlichkeit eher auf den vorstehenden Stein zu beziehen als auf später wieder aufgefundene römische Weihesteine10).

Textkritischer Apparat

  1. Möglich wäre eine fortlaufende Tagesdatierung im Sinne von primo die.
  2. Kaum im Superlativ, da auch nicht in der Grabinschrift, vgl. DI 2 (Mainz) Nr. 98, zeitnah aber belegt, vgl. ebd. Nrr. 61, 124.
  3. Unter der Voraussetzung zeittypischer Formulargewohnheiten könnte hier pater gestanden haben.
  4. Gekürzt, Buchstabenbestand xpo.
  5. Nur untere Hastenreste erkennbar, oberer Teil abgespitzt.
  6. Sinngemäß aufgelöst, Kürzungszeichen nicht vorhanden.
  7. Nicht monzmari DI 49; deformari Scholz. Das Bogen-r mit ungewöhnlichem Mittelbalken wie z aussehend. An dieser Stelle las Heubach Rhizulsaim, wodurch eine falsche Lokalisierung impliziert wurde.
  8. Danach folgt ein Ornament (Tier?).

Anmerkungen

  1. Heubach teilt als Fundort den Schützenhof mit, wohl aufgrund von Schenck.
  2. Inv.-Nr. 11036.
  3. Die Inschrift völlig verlesen von Heubach: [lapid]e indicitur quanto dei trini et unici ju[re] Fridericus a Nassaw primorum in pr[aesentia] nitid[e] erecti in chr(isto) in ripa Rhizulsaim M CCCLX Ao St. Johannis die Moguntinis fixit (Dieser Stein zeigt an, mit wie hohem göttlichem Rechte Friedrich von Nassau in Anwesenheit der edlen Herren des hübschen in Christo gebauten am Main gelegenen Rüsselsheim am 24. Juni 1360 den Mainzern die Grenze festgelegt hat). Diese Verlesung wurde von allen Abschreibern außer von Scholz in DI 49 übernommen. Allein Mößinger brachte seine Verwunderung über die Länge des Textes und das hohe Alter des Steines zum Ausdruck. Erste Autopsie und richtige Lesung werden Dr. Rüdiger Fuchs und Dr. Sebastian Scholz, Mainz, verdankt.
  4. Vgl. Heubach, Sturmfels, Luthmer, Zorn.
  5. Renkhoff, Wiesbaden im Mittelalter 248, auch zum Folgenden. Zum Schützenhof und seiner Quelle vgl. Czysz, Römerbad 58f.
  6. Vgl. Czysz, Römerbad 91f.
  7. Zit. nach Czysz, ebd. 98.
  8. Schenck, Geschicht-Beschreibung 163.
  9. Ebd. 164.
  10. Auf dem Terrain des Schützenhofs wurden die römischen Weihesteine für Sirona und Apollo Toutiorix im späten 18. Jh. aufgefunden, vgl. Czysz, Römerbad 33f. Czysz ebd. 98 deutet Hörnigks Nachricht als offensichtlichen Hinweis auf den Weihestein des Apollo Toutiorix, der als Abdeckplatte für die Quelle gedient haben soll. Dieser Stein wurde aber erst bei Bauarbeiten 1783 aufgefunden, vgl. ebd. 33.

Nachweise

  1. Heubach, Ein merkwürdiger Grenzstein 51.
  2. Luthmer, Bau- und Kunstdenkmäler (1921) 183f.
  3. Sturmfels, Grenzstein 19.
  4. Zorn, Grenzstein 347 Taf. 38.
  5. Mößinger, Grenzsteine 212 (nach Heubach).
  6. DI 49 (Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau) XLV Anm. 245.
  7. Scholz, Inschriften 46 u. Abb. 1.

Zitierhinweis:
DI 51, Wiesbaden, Nr. 27 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di051mz05k0002705.