Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 439 St. Nikolai 1518–M.17.Jh.

Beschreibung

Graffiti an den Brüstungswänden über den östlichen Jochen des Langhauses. In die Rückseiten der senkrechten hölzernen Brüstungswände und in deren waagerechte Konsolbretter sind zahlreiche Graffiti des frühen 16. bis 19. oder 20. Jahrhunderts sorgfältig eingeschnitzt oder flüchtig eingeritzt.1) Hier werden nur diejenigen Graffiti wiedergegeben, die sich aufgrund beigegebener Jahreszahlen, spezifischer Buchstaben- und Ziffernformen oder biografischer Informationen der Zeit bis 1650 zuordnen lassen.2) An der Nordseite über dem vierten Joch, das heißt an der Nordempore (vgl. Kat.-Nr. 128), von links nach rechts die Inschriften A1–A6. Zwischen den Initialen A4 die Hausmarke H130. Die Inschriften über dem siebten Joch (B1–B17) werden vollständig wiedergegeben, weil die Platzierung der einzelnen Namen und Informationen sowie die ermittelbaren biografischen Details für einen historisch relativ homogenen Personenkreis sprechen. Links neben B12 die Hausmarke H131, unter B17 die Hausmarke H132. Die Inschriften C und D an der Südseite am siebten und achten Joch. Inschrift C ist mit Schreibstift geschrieben, alle übrigen Inschriften sind geschnitzt oder geritzt.

Maße: Bu. 1,3–5,3 cm (A), 1–3 cm (B), 1,5 cm (C, D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A1), Kapitalis (A3–A5, B1–B6, B8–B17, C, D) mit Minuskel (B7).

Jürgen Herold [1/7]

  1. A1

    peter wyhage(n)a) gr(a)uista ˑ 15ˑ18

  2. A2

    29 30b) 32 33 34 35 [– – –]c)

  3. A3

    I. A. ‎/ 1.5.7.5.

  4. A4

    D ˑ ‎// ˑ W ‎/ 1584

  5. A5

    V H D ‎/ 1529

  6. A6

    M D LXX

  7. B1

    ANDREAS ‎/ SCHLVSSELBVRGI‎/VS WISNESE‎/NB(VRGENSIS)

  8. B2

    ZACHARIAS ˑ ‎/ DVMMERVS ˑ ‎/ DABELOENSIS ˑ ‎/ MEGAPOLITANVS ‎/ A(NN)O ˑ 98 ˑ

  9. B3

    HENRICVS ˑ VALE

  10. B4

    MATTHIAS ‎/ KETELHVDTd) ‎/ 1614

  11. B5

    MICHAEL BVCHTIN

  12. B6

    D: WENDLAND ‎/ G: P:

  13. B7

    DOCTOr ADA(M) RVTZE ‎/ SVNDII

  14. B8

    SEBASTIA(N) PRAE: SOLT, ‎/ QVEL A 98

  15. B9

    IACOB(US) P.

  16. B10

    HINRIC

  17. B11

    IOHANNES ‎/ [– – –]L ‎/ 1.5.98

  18. B12

    F W FRANS WVLF

  19. B13

    ION: NICL:e) POETA LARVATVSf)

  20. B14

    MATTHAEWES SWANTH ‎/ ANNO 49

  21. B15

    IOCHIMVS IAPKEKEg) CONCELEBRANTS BACC(ALAVREAT)VM CVM PATRVELE SVO

  22. B16

    IOCHIMVS ˑ ‎/ SLADENDVEL ˑ DOT

  23. B17

    LAMBERTVS ‎/ KV̋CHLER ‎/ 98

  24. C

    IOCHIM ‎/ VERSTh) ˑ

  25. D

    I: WARNER

Übersetzung:

(A1) Peter Wyhagen, Schnitzer. 1518.

(B1) Andreas Schlüsselburg aus Wesenberg.

(B2) Zacharias Dummer aus Dabelow, Mecklenburger, im Jahr 1598.

(B7) Dr. Adam Rutze aus Stralsund.

(B13) (...), gekrönter Dichter.

(B15) Joachim (...), sein Baccalaureat mit seinem Vetter feiernd.

Kommentar

In Inschrift A1, von einer geübten Hand eingeschnitzt, sind die Buchstaben sorgfältig und ebenmäßig ausgeführt sowie mit gespaltenen Unter- und Oberlängen verziert; bei g unterer Bogen geschlossen, auf u ein spitzwinkliges Diakritikum, linksgewendete 5. Inschrift A2 zeigt schlingenförmige 4 mit waagerechtem Deckbalken und eine moderne 5 bestehend aus schrägem Deckbalken, Schaft und Bogen. Die Inschriften B, C und D, die keine Jahreszahl oder nur eine Minderzahl aufweisen, werden gemäß ihres Schriftbildes ins 16. oder 17. Jahrhundert datiert.

Bei Andreas Schlüsselburg (B1) handelt es sich um den Sohn des 1619 verstorbenen Superintendenten Konrad Schlüsselburg (Kat.-Nr. 235). Der Ort Wesenberg liegt heute im Ldkr. Mecklenburgische Seenplatte, ebenso der in B2 genannte Ort Dabelow. Michael Buchtin (B5) erwarb 1614 das Bürgerrecht.3) Zu Adam Rutz (B7) vgl. möglicherweise die Grabplatte Kat.-Nr. 85. Der Kaufmann Joachim Warner (D) erhielt 1619, der gleichnamige Bootsmann 1657 das Bürgerrecht.

Textkritischer Apparat

  1. wyhage(n)] Lesung des ersten Buchstabens unsicher, vielleicht auch myhage(n); der lang nach oben ausgezogene linke Schaft spricht für w), der rechte Schaft mit Quadrangel unten eher für m.
  2. 30] 0 verkleinert und hochgestellt.
  3. Die Fortsetzung der Zahlenreihe nach 35 wird durch eine moderne Eisenklammer verdeckt.
  4. KETELHVDT] Buchstaben teilweise getilgt.
  5. ION: NICL:] Vielleicht Kürzung für IO(HAN)N(ES) NIC(O)L(AVS).
  6. LARVATVS] Statt LAVREATVS.
  7. IAPKEKE] Name korrigiert, als Lesung auch KARKEKE denkbar.
  8. VERST] Erster Buchstabe unsicher.

Anmerkungen

  1. Das wohl jüngste datierte Graffito an der Nordempore über dem vierten Nordjoch lautet A PIECK. ‎/ 1889 ‎/ MALER.
  2. Auf die Wiedergabe von nicht datierbaren Initialen, Einzelbuchstaben oder von nicht eindeutig identifizierbaren Buchstaben bzw. Ziffern wird verzichtet.
  3. Bürgerrechtserwerb hier und in den folgenden Fällen nach Stadtarchiv Stralsund, Online-Recherche (17.6.2015).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 439 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0043908.