Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 433 Stralsund-Voigdehagen, St. Marien 1.H.17.Jh.

Beschreibung

Schalldeckel der Kanzel. Holz, geschnitzt und farbig gefasst. Die Kanzel ist an der Südwand der Kirche aufgestellt. Der reich gegliederte Schalldeckel besteht aus sieben Feldern eines Achtecks. An den Stirnseiten sieben Bibelverse, darüber sechs Reliefdarstellungen umgeben von Rollwerk, auf dem Putten sitzen, teilweise beschädigt. Von Ost nach West zunächst Inschrift A ohne zugehöriges Relief, danach Darstellungen der Evangelisten Johannes (B) und Matthäus (C) gefolgt von einem Gnadenstuhl (D) direkt über dem Platz des Pfarrers bei der Predigt. Nach Westen fortschreitend die Evangelisten Markus (E) und Lukas (F) sowie schließlich Martin Luther (G). Auf zwei Ecken beschädigte Skulpturen der personifizierten Hoffnung und der Gnade, auf den Sockeln die zugehörigen Inschriften H und I; weitere Figuren verloren. Alle Inschriften sind erhaben geschnitzt und farbig gefasst. Teilweise Diakritika auf u.

Maße: Dm. ca. 250 cm, H. ca. 175 cm. Bu. ca. 4 cm (A, B, C, D, E, F, G), ca. 3 cm (H, I).

Schriftart(en): Fraktur (A, B, C, D, E, F, G); Kapitalis (H, I).

Jürgen Herold [1/8]

  1. A

    Jch bin der wech Die Warheidt Vnndt ‎/ das leben Niemandt kumpt zum Vater ‎/ Den alleinn Durch mich1) Johan ˑ 14

  2. B

    Also ˑ hat ˑ God ˑ die ˑ welt ˑ gelibet ˑ Das Er ‎/ seinen ˑ eingeboren ˑ sone ˑ gab ˑ auf ˑ das ‎/ alle ˑ die ˑ an ˑ in ˑ gleube(n) ˑ nicht ˑ vorlor(n) ˑ werde(n)2) ˑ Joh 3

  3. C

    Trachtet ˑ Am ˑ ersten ˑ nach ˑ Dem ˑ rei‎/che ˑ Gots ˑ vnd ˑ nach ˑ seiner ˑ gerechtig‎/keit ˑ so ˑ wirt ˑ euch ˑ alles ˑ zufallen3) ˑ mat 6

  4. D

    Diss Jst ˑ Mein ˑ lieber ˑ Sohn ˑ an ˑ dem ‎/ Jch ˑ ein ˑ Wolgefallen ˑ Habe ˑ Denn ‎/ Solt ˑ Jhr ˑ Hoeren4) ˑ Matthei ˑ 17

  5. E

    Wer ˑ Da ˑ gleubet Vnd ˑ getaufft ˑ wirdt ‎/ der ˑ wird ˑ selich ˑ Wer ˑ aber ˑ nicht ˑ geleu‎/bet ˑ Der ˑ wirt vordampt5) ˑ Marci ˑ 16

  6. F

    Sehet ˑ Drauf ˑ Wie ˑ ir ˑ Zuhoret Den ˑ wer ‎/ da ˑ hat ˑ dem ˑ wird ˑ gegeben ˑ Wer ˑ aber ˑ nich ‎/ had ˑ Von ˑ dem ˑ wird ˑ genomen6) ˑ Luce ˑ 8

  7. G

    Christus saget ˑ Wer ˑ euch ˑ hort ˑ der ˑ horet ‎/ mich ˑ wer ˑ euch ˑ vorachtet ˑ der voracht ˑ mich ‎/ vnd ˑ voracht ˑ den der ˑ mich ˑ gesandt ˑ hat7) ˑ luc ˑ 10

  8. H

    SPES

  9. I

    GRATIA

Übersetzung:

(H) Hoffnung.

(I) Gnade.

Kommentar

Der Kanzelkorb ist deutlich jünger als der Schalldeckel und wird daher hier nicht behandelt. Die stilistische Datierung des Schalldeckels in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts8) wird übernommen. Die Frakturschrift zeichnet sich durch schwach ausgeprägte Ober- und Unterlängen, gelegentliche Einbuchtungen des linken Bogens bei a, c, d, g, o und rundem s sowie (besonders in B) durch aufwändig ausgestaltete Versalien aus. Während die deutschsprachigen Inschriften in Fraktur ausgeführt wurden, zeigen die lateinischen Beischriften H und I Kapitalis-Buchstaben.

In den Inschriften D, F und G wird, der Funktion einer Kanzel gemäß, auf den Stellenwert des Hörens der göttlichen Offenbarung verwiesen.

Anmerkungen

  1. Jh. 14,6.
  2. Jh. 3,16.
  3. Mt. 6,33.
  4. Mt. 3,17.
  5. Mk. 16,16.
  6. Lk. 8,18.
  7. Lk. 10,16.
  8. Dehio Mecklenburg-Vorpommern, S. 629.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 433 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0043309.