Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 413 St. Marien 1649

Beschreibung

Wandleuchter der Gewandschneider. Messing oder Bronze. Im südlichen Querhaus links neben dem Portal angebracht, ehemals über dem Gestühl der Gewandschneider. Am schwenkbaren Leuchterarm sind drei Lichtteller befestigt, die von weiblichen Figuren getragen werden. Auf den Figurensockeln Inschrift A. In einer kleinen Kartusche am Leuchterarm und von unterhalb des Leuchters zu lesen Inschrift B, am oberen Ende links die gestempelte Jahreszahl 1983 als Erneuerungsvermerk, rechts fünf nicht identifizierbare Zeichen.1) Frontal am Nodus ein kleiner, moderner Schild mit den Zunftzeichen der Gewandschneider (Elle und zwei Tuchmesser) und einem kreisförmig gravierten, modernen Erneuerungsvermerk von 1849.2)

Zu diesem Leuchter gehört ein durchbrochenes Kompositstück, das sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Stralsunder Museum befand und am Leuchter ursprünglich dort angebracht war, wo sich seit 1849 der moderne Schild befindet.3) Gerahmt wird das Kompositstück von Delfinen und Volutenbögen. Im unteren Bereich eine von zwei Putten gehaltene Kartusche, darauf in zwei Zeilen die Jahresangabe C mit unregelmäßig angebrachten, punktförmigen Ornamenten. Darüber in zwei Reihen sieben zu B gehörige Vollwappen der Gewandschneider-Älterleute und der Gewandschneiderzunft. Auf der Rückseite des Kompositstücks in doppelkonturigen, unregelmäßigen Buchstaben der Name des Meisters D. Die Inschriften A–C sind gegossen, D ist konturiert graviert.

Maße: L. 83 cm, Dm. 24 cm (Wandteller). Bu. 1,6 cm (A), 0,4–0,8 cm (B), 1,2 cm (C), 1,4–1,8 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis.

Jürgen Herold [1/3]

  1. A

    LABORA ‎// ORA ‎// SPERA

  2. B

    EMANUEL KOPPEN ‎/ PETER VON BRAUN ‎/ MARTINUS BAGEVITZ ‎/ JOHAN PANSOW ‎/ BALTZER ZANDER ‎/ NICOLAUS HAGEMESTER ‎/ DI ALTERMENNE ‎/ DES GEWANTHAUS ‎/ ANNO 1649

  3. C

    ANNO ‎/ 1649

  4. D

    M(EISTER) IACOB ˑ BOLTE

Übersetzung:

(A) Arbeite, bete, hoffe.

Wappen:
Gewandschneiderzunft
Koeppen4)BraunBagevitz
PansowZander5)Hagemeister I

Kommentar

U ist mit spitz gebrochenem Bogen und rechtem Schaft ausgeführt. Der Leuchter der Gewandschneider wurde als Ersatz für einen älteren aus dem Jahr 1582 angefertigt, der beim Brand der Marienkirche 1647 beschädigt worden war.6)

Emanuel Koeppen, Doktor beider Rechte, war ein Sohn von Heinrich Koeppen, Kämmerer von Anklam (Ldkr. Vorpommern-Greifswald), und Margareta Schmiterlow. Er wurde 1644 Altermann der Gewandschneider, 1655 Ratsherr, danach Richter (Praetor civitatis) und Kämmerer. Seit September 1641 war er mit Anna Hagemeister verheiratet.7) Er starb am 19. Dezember 1662 und wurde zwei Tage später in St. Nikolai beigesetzt.8) Peter von Braun († 1657) war im Alter von 46 Jahren 1630 Altermann des Gewandhauses geworden und seit dem 10. September 1628 mit Anna von Kahlden, Witwe des Lukas Hagemeister († 1626), verheiratet (vgl. Kat.-Nr. 165).9) Martin Bagevitz († 1651) wurde als Dreißigjähriger 1636 Altermann. Seit dem 9. Januar 1626 war er mit Anna Klinkow verheiratet, Tochter von Joachim († 1629), ebenfalls Altermann des Gewandhauses.10) Später wurde Martin Bagevitz Provisor von St. Nikolai und führte in diesem Amt etwa im Jahr 1646 das Begräbnis- und Einnahmeregister der Kirche (PfA St. Nikolai, Reg. 33a). Er wurde dort am 12. September 1651 bestattet.11) Zu Martin Bagevitz vgl. auch Kat.-Nr. 298; biografische Informationen zu Johannes Pansow in Kat.-Nr. 405. Baltzer Zander (Sander, † 1670) war seit 1635 Achtmann, seit 1644 Gewandhaus-Altermann und seit 1660 Ratsherr. Am 2. März 1625 verheiratete er sich mit Gertrud Haberlandt († 1662);12) im Trauregister wird er als Seidenhändler bezeichnet. Am 20. Januar 1639 erwarb er durch Tausch einen neuen Begräbnisplatz in St. Nikolai, offensichtlich eine eigene Kapelle,13) wo er nach seinem Tod (22. November 1671) bestattet wurde.14) Nikolaus Hagemeister, Sohn des Bürgermeisters Heinrich, hatte Dinnies zufolge ein juristisches Studium hinter sich und wurde im Alter von 38 Jahren 1644 Altermann. Er war seit 1632 mit Maria Klinkow († 1659) verheiratet, einer weiteren Tochter des genannten Joachim Klinkow, mit der er zwölf Kinder hatte. Im Jahr 1658 wurde er Ratsherr, 1670 Provisor von St. Jürgen am Strande und verstarb als Kämmerer am 9. November 1675.15)

Bei dem Rotgießer Johann Bolte, der 1667 das Bürgerrecht erwarb,16) dürfte es sich um einen Verwandten oder Nachkommen des Gießers Jakob Bolte (D) handeln.

Anmerkungen

  1. An letzter Stelle vielleicht ein Minuskel-z.
  2. DIE ALTERMAENNER DES GEWANDHAUSES ‎/ ZUM SUNDE. ‎/ 1849; es folgt das Stralsunder Wappen.
  3. Vgl. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 453. Auch der ebd., S. 452, beschriebene Leuchter-Wandteller war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ein anderer: „0,50 m im Durchmesser; inmitten eine verzierte Kappe (...); umher als späterer Zusatz ein achteckiger, flach auf dem Mauerwerk liegender Stern aus Blattwerk; vier der acht Strahlen laufen in Engelsköpfe aus“.
  4. Abweichend vom Wappen Koeppen, wie es bei Dinnies angegeben ist: geteilt, oben zwei Sterne, unten einer.
  5. Abweichend vom Wappen Zander, wie es bei Dinnies angegeben ist: drei Blütenstängel.
  6. Vgl. Kruse, Sundische Studien 1, S. 13 Nr. 75.
  7. Schubert, Trauregister 6, S. 4 (Nr. 92). Anlässlich ihrer Hochzeit wurde ein Glückwunschgedicht publiziert (Lange, Vitae Pomeranorum, S. 73).
  8. Biografische Angaben, wo nicht anders nachgewiesen, nach StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 344; das Bestattungsdatum nach PfA St. Nikolai, R 33a (o. S.).
  9. Kruse, Register, S. 10; Schubert, Trauregister 6, S. 6 (Nr. 154).
  10. Vgl. StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 69a–70; Schubert, Trauregister 6, S. 3 (Nr. 42; irrtümlich wird dort Ragevitz als Name genannt).
  11. Kruse, Register, S. 10; Schubert, Trauregister 6, S. 3 (Nr. 42); PfA St. Nikolai, R 33a (o. S.).
  12. Schubert, Trauregister 6, S. 2 (Nr. 36).
  13. PfA St. Nikolai, R 33a (o. S.). Die Zandersche Begräbniskapelle wird mehrfach erwähnt in PfA St. Nikolai, Nr. 130 (Richter, Begräbnisse), so etwa im Abschnitt Kirch-Diele, 14. Reihe (Nr. 124).
  14. Biografische Informationen, wo nicht anders nachgewiesen, nach StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 363, und Kruse, Register, S. 10. Dinnies zufolge wurden zu Zanders Ratswahl ebenso wie zu seinem Tod und dem seiner Ehefrau Gedichte publiziert.
  15. Biografische Angaben nach StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 360–362; StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 142a–143; Kruse, Register, S. 10.
  16. Bürgerrechtserwerb nach Stadtarchiv Stralsund, Online-Recherche (10.6.2015).

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 452 (A), 463 (C).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 413 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0041307.