Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 305† St. Nikolai 1623, 1728

Beschreibung

Epitaph mit Porträt des Andreas Herlitz. Holz, bemalt. Das Denkmal war im 18. Jahrhundert im Ostteil der Kirche,1) um 1900 im südlichen Bereich des Chorumgangs angebracht und bereits zu dieser Zeit beschädigt.2) In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts an einem Pfeiler im Scheitel des Chorumgangs.3) Eine Darstellung des Verstorbenen war Bestandteil des Epitaphs und ist fotografisch überliefert.4) Darunter war eine Schrifttafel mit den Inschriften A–C angebracht. Als Ueberschrifft (Hs. 245) bzw. auf dem Rahmen des Bildes (Hs. 303) ein Erneuerungsvermerk des 18. Jahrhunderts (D).

Inschriften nach Hs. 245.

  1. A

    In obitum et effigiem D(omi)n(i)a) Andreae Herlicii Cantoris Sundens(is) Ad annos 32 meritissimi Zizae nati A(nn)ob) M. DLXV denati vero M. DCXXIII.c) die XXIII Septembr(is)

  2. B

    Cantor eras vivus Sundana clarus in urbeSuaviter exhilaransd) dulcisona arte chorumNunc inter superos sociis es pluribus auctusCum quibus aethereo laetus in orbe canisFrater amande novis Cantoribus addite Christo(Incola quod coeli factus es)e) euge cane

  3. C

    David Herlicius D(omino) Fratri suo Germano aetat(is) 56.f) annog)

  4. D

    Renovatum a Christ(iano) Bernhard Prumenthal ab nepote A(nn)oh) 1728i) die 26 Augustj)

Übersetzung:

(A) Über den Tod und das Bildnis des Herrn Andreas Herlitz, an die 32 Jahre lang höchst verdienter Kantor von Stralsund, in Zeitz geboren im Jahr 1565, gestorben 1623 am 23. September.

(B) Ein berühmter Kantor warst du zu Lebzeiten in der Stadt Stralsund, in der du lieblich und mit süßtönender Kunst den Chor erfreutest. Jetzt bist du unter den Himmlischen um viele Gefährten vermehrt, mit denen du froh im himmlischen Kreis singst. Geliebter Bruder, den neuen Sängern beigesellt (da du Bewohner des Himmels geworden bist), wohlan, lobsinge Christus!

(C) David Herlitz für seinen Herrn Bruder, im 56. Lebensjahr (im Alter von 56 Jahren).

(D) Erneuert durch den Nachfahren Christian Bernhard Prumenthal im Jahr 1728 am 26. August.

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Die in den Inschriften A und C genannten Lebensdaten widersprechen einander, denn der Kantor Andreas (II) Herlitz, geboren im Jahr 1565 und gestorben am 23. September 1623 (A), befand sich an seinem Todestag nicht im 56. (so Inschrift C), sondern im 58. oder 59. Lebensjahr. Das 59. Lebensjahr vermerkt auch die Leichenpredigt.5) Zwar bietet die Überlieferung von C übereinstimmend die Altersangabe 56; zieht man jedoch einen Lesefehler in Betracht, 56 statt 66, ließe sich diese Altersangabe biografisch korrekt auf den älteren Bruder David Herlitz beziehen, der das Epitaph errichten ließ. Ihre Eltern waren Andreas Herlitz (I), Ratsverwandter und Kämmerer in Zeitz (Sachsen-Anhalt), sowie Susanna Hanemann aus Weida im Vogtland (Thüringen), Tochter des dortigen Bürgermeisters.6) Er hatte fünf Schwestern und drei Brüder, unter ihnen auch Dr. David Herlitz, Arzt in Stargard (Hinterpommern, 1557–1636),7) und Elias, 23 Jahre lang Organist an St. Nikolai (Stralsund), der bereits im Jahr 1615 verstarb. Seit 1593 war Andreas (II) mit Margareta Gesevitz aus Prenzlau (Brandenburg) verheiratet. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor, der Sohn Andreas (III) war seit 1625 in Lübeck Kantor und starb dort 1630.8) Andreas Herlitz (II) immatrikulierte sich nach dem Schulbesuch in Zeitz und Weida gemeinsam mit seinem Bruder Elias im Jahr 1582 an der Universität Leipzig, Anfang 1586 in Greifswald und im Januar 1588 alleine in Wittenberg.9) Danach wurde er als Kantor nach Prenzlau berufen. Seit 1590 war er in Greifswald tätig, seit 1592 bis zu seinem Tod als Musicus und Cantor primarius10) in Stralsund. „Anfangs behagte ihm seine hiesige Stelle nicht, zumal da ihm nicht das zugesagte Gehalt zu Theil wurde; dies wurde ihm jedoch bald erhöht.“11) Seit dem 13. September 1623 war er bettlägerig und wurde daher von dem Arzt Nikolaus Simon behandelt (vgl. Kat.-Nr. 325). Einer seiner Söhne ebenso wie zahlreiche Nachbarn, Kollegen und Schüler beteten ihm vor. – Verfasser der Leichenpredigt für Andreas Herlitz war Heinrich Bolte (vgl. Kat.-Nr. 367). Christian Bernhard Prumenthal (D) war vermutlich der Sohn eines weiteren Stralsunder Kantors und damit eines Nachfolgers von Andeas Herlitz.12)

Textkritischer Apparat

  1. D(omi)n(i)] Dr: Hs. 303.
  2. A(nn)o] Fehlt Hs. 245 und Dähnert, ergänzt nach Hs. 303.
  3. M. DCXXIII.] M. DCXXXIII. fehlerhaft Hs. 245, Dähnert. Das korrekte Todesjahr ist 1623; vgl. die Leichenpredigt (siehe Anm. 5). M DCXXIII auch Hs. 303.
  4. exhilarans] So auch Hs. 303; et hilarans Hs. 245, Dähnert.
  5. Klammern so in Hs. 245, ebenso Hs. 303.
  6. 56.] Zu dieser Altersangabe vgl. den Kommentar.
  7. Inschrift C wird in Hs. 303 wiedergegeben als: fratri suo Germano David Herlicius D. // Aetatis 56 Annes[!]. Die letzten drei Worte der Inschrift seien „hierunter auf dem Rahmen“ angebracht gewesen.
  8. A(nn)o] Wie Anm. b.
  9. 1728] 1778 Hs. 303.
  10. August] Statt Augusti.

Anmerkungen

  1. Nach StA Stralsund, Hs. 245, S. 163.
  2. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 518.
  3. Uhsemann, Nikolaikirche, S. 63.
  4. Vgl. Bugenhagen, Musikgeschichte, S. 78 Abb. 2.
  5. Alle folgenden Angaben zur Person, wo nicht anders nachgewiesen, nach Roth, Leichenpredigten, R 3312; Bugenhagen, Musikgeschichte, S. 78f.
  6. Vgl. zu diesen Personen auch DI 52 (Zeitz), S. 224.
  7. Zu seiner Person vgl. Roth, Leichenpredigten, R 3313.
  8. Zober, Gymnasium 1, S. 31.
  9. Vgl. Jüngere Matrikel Leipzig, S. 181 (die Leichenpredigt nennt 1583 als Immatrikulationsjahr); Ältere Matrikel Greifswald 1, S. 331; Matrikel Wittenberg 1502–1602, S. 353.
  10. Zu den Amtsbezeichnungen Musicus und Cantor primarius vgl. Bugenhagen, Musikgeschichte, S. 95f.
  11. Zober, Gymnasium 1, S. 31.
  12. Vgl. Bugenhagen, Musikgeschichte, S. 82.

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 11 Nr. 15.
  2. Dähnert, Denkmale, S. 318f. (A–C).
  3. StA Stralsund, Hs. 303, Bl. 28v–29v (A–D).
  4. StA Stralsund, Hs. 628, Bl. 78v (A).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 305† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0030500.