Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 304 Stralsund Museum 1622, 1625, 1794

Beschreibung

Kanne.1) Zinn. Henkelkanne mit zylindrischem Korpus, die Lippe leicht, der untere Teil stärker ausgestellt. Der doppelt profilierte Klappdeckel ist mit getriebener Blüten- und Blattornamentik verziert und hat einen langgezogenen Knauf. Unter dem Fuß eingraviert drei ringförmig angeordnete, laufende Hasen, die von einem Schriftband umgeben sind, darauf zwischen doppelten Linien Inschrift A mit sternchenförmigen Worttrennern. Weiter außen die moderne Inschrift G. Auf dem Kannenboden innen ein sorgfältig graviertes Brustbild Christi mit Weltkugel, eine Hand zum Segensgestus erhoben.

Die Wandung der Kanne wird durch ein umlaufendes Band in zwei Bereiche geteilt. Unter Rundbögen sind oben sitzende Personifikationen der fünf Sinne dargestellt, in den Rundbögen die Beischriften B. Die ornamentalen Trennzeichen in der Wortmitte (Stern flankiert von zwei Hochpunkten) werden als einfache Hochpunkte wiedergegeben. Im unteren Bereich stehende Personifikationen der sieben freien Künste mit den Beischriften C; auch die hier verwendeten ornamentalen Trennzeichen (Blüte) werden als Hochpunkte wiedergegeben. Die personifizierten Sinne und Disziplinen sind außer durch ihre Beischriften auch durch Attribute gekennzeichnet. Die Buchstaben D sind in die Buchseiten der an erster Stelle stehenden Grammatik graviert. Anfang und Ende der Schriftbänder sind mit verschiedenen Ornamenten gefüllt.

Auf der oberen Deckelwölbung in kleinen Kartuschen die Inschriften E1 und E2, dazwischen die Hausmarke H102; unter der Hausmarke die Jahreszahl F.

Am Kannenhenkel unterhalb des Deckelscharniers das Stralsunder Beschauzeichen (M17) und zwei identische Meisterzeichen (M18).2) Alle Inschriften sind graviert.

Maße: H. 29,5 cm, Dm. 17,2 cm (Fuß), 11,3 cm (Öffnung). Bu. 0,5 cm (A), 0,25 cm (B, F), 0,35 cm (C), 0,15 cm (D), 0,3 cm (E), 0,4–0,6 cm (G).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, C, D, E); lateinische Schreibschrift und Kapitalis (G).

Jürgen Herold [1/7]

  1. A

    ˑ VNSER ˑ SEIN ˑ VIERE ˑ ANNO ˑ 1622 ˑ DIE ˑ 17 ˑ OCTOB(RIS)

  2. B

    VIˑSVS ‎// GVSˑTVS ‎// AVDIˑTVS ‎// TACˑTVS ‎// OLFACˑTVS

  3. C

    [GRAM]MAˑTICAa) ‎// ARITˑMETICA ‎// DIALECˑTICA ‎// RHEˑTORICA ‎// MVˑSICA ‎// GEOMEˑTRIA ‎// ASTROˑL[OGIA]b)

  4. D

    A B C ‎/ D E F ‎/ G H I ‎/ K L M ‎/ N O P ‎/ Q R

  5. E1

    IACOB

  6. E2

    ALBRE‎/CHT

  7. F

    1ˑ6‎//2ˑ5

  8. G

    George Vocht ‎/ ANNO ˑ 1794

Übersetzung:

(A) Im Jahr 1622 am 17. Oktober.

(B) Sehen. Schmecken. Hören. Berühren. Riechen.

(C) Grammatik. Arithmetik. Dialektik. Rhetorik. Musik. Geometrie. Astrologie.

Kommentar

In Inschrift A ist die Ziffer 1 gebogen, das untere Ende als Schlinge ausgeführt, 2 spitz. In den Inschriften B und C weist I einen strichförmigen Nodus auf.

Die Jahreszahlen 1622 am Kannenfuß sowie 1625 auf dem Deckel weisen – ebenso wie die unterschiedlich scharf ausgeführten Gravuren an Korpus und Kannenboden verglichen mit denen des Deckels – darauf hin, dass die Kanne nicht in einem Arbeitsgang entstand. Da das Beschauzeichen zweifelsfrei bezeugt, dass sie in Stralsund hergestellt wurde, wird sie hier behandelt. Es steht allerdings nicht fest, dass die Kanne für einen Stralsunder Eigentümer bestimmt war.3) Ob die Namen E1 und E2 als Vor- und Familienname zusammengehören, ist nicht bekannt; ein Jakob Albrecht ließ sich ebensowenig nachweisen wie Georg Vocht (G).

Textkritischer Apparat

  1. Wortanfang wahrscheinlich durch die nachträgliche Anbringung des Henkels verdeckt.
  2. Wortende wahrscheinlich durch die nachträgliche Anbringung des Henkels verdeckt.

Anmerkungen

  1. Stralsund Museum, Inv.-Nr. PS 2679.
  2. Beschau- und Meisterzeichen werden bei Hintze, Zinngießer, S. 412–421, nicht aufgeführt.
  3. Mündlichen Auskünften der Museumsmitarbeiter zufolge gehörte die Kanne den Tuchmachern. Sie trägt jedoch keine inschriftlichen oder bildlich-ikonografischen Hinweise auf dieses Amt.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 304 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0030403.