Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 287† St. Jakobi 1613

Beschreibung

Epitaph für Margarete von Kahlden. Über den Standort und die Ausführung des Denkmals oder der Inschriften liegen keine Angaben vor.

Inschriften nach Hs. 245.

  1. A

    EPITAPHIUM Nobilis honestissimae lectissimae pudicissimaeq(ue) Margarethae Kalden Viri honesti et integerrimi Johannis Rhodena) coniugis quondam clarissimae

  2. B

    Rhodeni coniunx Caldeni filia jungens Lustra octo Augusti ut junxerat altera obitInclyta Margaridos pater illi nomina fecitEt teneros sacra finxit in arte dies5Virginea hinc nituit [specie] sub sorte jugalib)Fulget ut Attalicas margaris inter opesDedita sum(m)o alacri processit mente parentiEt facile fracto corde medela viroJn [– – –]c)10Et trepidos multo juvit amore laresFoemineaque semel quater et foecunda viriliProgenie pulcro fecit honore patremContrahit at tanti nobis commercia plaususTristior anxifica conditione dies15Jllius aurae generos[us] simplicis ignisd)1)Pulcra tui prodit portio2) Christe throniSed gelidae tumulo sinimus succedere terraePallida ferali membra relictae) toroCredita sic terrae est pars altera et altera coelo20Copulet extremus donec utramq(ue) diesQuisquis es agnatum hoc tibi disce in funere sortemExit vita brevis mors inopina prope est

  3. C

    Anno Christi 1613

Übersetzung:

(A) Epitaph der edlen, höchst ehrenhaften, vortrefflichen und keuschesten Margarete von Kahlden, einst sehr angesehene Ehefrau des ehrenhaften und höchst rechtschaffenen Mannes Johannes Rhode.

(B) Die Ehefrau des (Herrn) Rhode, Tochter des (Herrn) Kahlden, fügte acht Lustren aneinander (lebte vierzig Jahre) und starb, nachdem sie diese vollendet hatte, am 2. August. Ihr Vater gab ihr den glänzenden Namen Margarete und bildete ihre zarten Jugendtage in der heiligen Kunst (der Religion). Unter dem Los der Ehe glänzte sie anschließend in jungfräulicher Schönheit, so wie die Perle zwischen attalischen Schätzen glänzt. Dem höchsten Vater ergeben, entfaltete sie sich mit ihrem heiteren Gemüt und war gewiss ein Heilmittel für ihren bekümmerten Mann. In (...) und war mit großer Liebe eine Stütze für die unruhigen häuslichen Verhältnisse. Einmal war sie mit weiblicher Nachkommenschaft fruchtbar, viermal mit männlicher und brachte ihren Mann so zu schönen Vaterehren. Doch die Teilhabe an so großem Lobpreis schränkt uns der allzu traurige Tag ihres Todes mit seiner angsteinflößenden Wirkung ein. Das edle Feuer jener reinen Luft (ihre Seele) tritt als schöner Anteil deiner Herrlichkeit, Christus, hervor. Ihre bleichen Glieder jedoch, die auf dem Totenbett zurückgelassen sind, lassen wir unter dem Grabhügel in die kalte Erde hinabsinken. So ist ein Teil von ihr der Erde überantwortet, der andere dem Himmel, bis der Jüngste Tag beide wieder vereint. Wer von den Nachkommen du auch bist, lerne für dich aus diesem Tod dein eigenes Schicksal kennen: Das kurze Leben geht zu Ende, und der Tod, der unerwartet eintritt, ist nicht fern.

(C) Im Jahr Christi 1613.

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Die Überlieferung von Inschrift B in Hs. 245 birgt Verständnisschwierigkeiten, da einzelne Wörter oder Silben ausgefallen sind und metrische Verstöße vorliegen. Margarete wird in Inschrift A als nobilis bezeichnet; sie gehörte vermutlich der vor allem auf der Insel Rügen begüterten Adelsfamilie von Kahlden an. Geht man davon aus, dass das Epitaph noch 1613, im Jahr ihres Todes, errichtet wurde (vgl. Inschrift C), muss sie um das Jahr 1573 geboren worden sein, da sie Inschrift A zufolge etwa vierzigjährig starb. In der Genealogie der Familie Kahlden findet sich als einzige Person mit passenden Lebensdaten Margarete, Tochter von Arnd von Kahlden auf Schoritz († nach 1572). Als Ehemann Margaretes wird allerdings Lucius von Rhade auf Glützow genannt, den sie vor 1600 geheiratet habe; ob dieser mit dem in Inschrift A genannten Johannes Rhode identisch ist und die Diskrepanz der Namensüberlieferung auf einem Abschreibefehler beruht, bleibt ungewiss. Von der Adelsfamilie Rode (Rhode, Rhaden, Rade) abgesehen gab es in Stralsund eine bürgerliche Familie dieses Namens. Auch dieser Familie könnte der Ehemann Margarete von Kahldens angehört haben, da er inschriftlich nicht als adelig bezeichnet wird.

Textkritischer Apparat

  1. Rhoden] Zu diesem Namen vgl. den Kommentar.
  2. Virginea (...) jugali] In Hs. 245 fehlt specie. Das auf nituit folgende Wort konnte der Autor der Handschrift wohl nicht lesen, weshalb hier eine Leerstelle zu sehen ist. Es muss ein zu virginea gehöriges Substantiv ausgefallen sein, entweder im Nominativ (pietas?) oder im Ablativ (etwa specie).
  3. Zeile in Hs. 245 nicht ausgefüllt.
  4. Jllius (...) ignis] Dieser Vers ist sprachlich und metrisch gestört. Vermutlich war auf metaphorische Weise von der Seele der Verstorbenen die Rede, die dann im folgenden Vers vor Christus tritt.
  5. relicta] relicto Hs. 245.

Anmerkungen

  1. Vgl. Vergil, Aeneis 6,747 (aurai simplicis ignem).
  2. Gemeint ist mit portio (‚Anteil‘) möglicherweise die Seele, in Anspielung auf Ps. (G) 141,6 (portio mea).

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 83f. Nr. 5.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 287† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0028707.