Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 282† St. Nikolai 1611?, 1703

Beschreibung

Gemälde, nachträglich in das Epitaph für den Pfarrer Kaspar Jentzkow eingefügt. Öl auf Holz.1) Im 18. Jahrhundert und um 1900 war das Epitaph am dritten nördlichen Langhauspfeiler angebracht.2) Es ging während der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg verloren.3) Da es 1841 beschädigt war,4) ein historisches Foto (um 1934) jedoch keinerlei Schadensspuren mehr erkennen lässt, muss es zwischenzeitlich auch im Bereich der Inschriften erneuert worden sein. Unter einem halbfigurigen Porträt des bärtigen Kaspar Jentzkow, der eine Kappe und eine schmale Halskrause trug und ein geschlossenes Buch in Händen hielt, waren in einem separaten Feld die erneuerten Inschriften (vgl. B) aufgemalt. Sie waren mit Interpunktionszeichen versehen.

Inschriften nach Foto LAKD/AD.

Maße: H. 118 cm, Br. 92 cm (LAKD/AD, Akten Stralsund).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel und Versalschrift (B); lateinische Schreibschrift und Versalschrift (A).

  1. A

    Hac facie, dum vita fuit, JENSKOVJUS olim ‎/Visus, et haec Pietas ora Fidesque tulit. ‎/ Sundani Rector Ludi, Post Doctor in AEde ‎/ Hac sacra, decus (et) grande Sionis erat. ‎/ Nunc silet osa) sacrum.b) Quod erat mortale, sepulchroc) ‎/Conditur, in coelisd) mente superstes agit. ‎/Posteritas, mirare VJRUM, Doctoris et umbram ‎/ Mente Pie memori Post Pia fata cole.

  2. B

    In Effigiem CASPARI JENSKOVII, A(nn)o 1611. b(eate)e) Defunctif) Post ‎/ annos. 92. ab interitug) Vindicatam,h) Posti) L. S. D. S.j)

Übersetzung:

(A) Mit diesem Gesicht erschien Jentzkow einst, solange er am Leben war, und ebendieses Gesicht trugen Frömmigkeit und Glaube. Er war Schulrektor von Stralsund, danach Lehrer in dieser heiligen Kirche, eine große Zierde Zions. Nun schweigt der heilige Mund. Was sterblich war, ist im Grab geborgen, im Himmel lebt er im Geiste weiter. Nachwelt, bewundere den Mann und beachte das Abbild des geistlichen Lehrers fromm mit erinnerndem Sinn nach seinem frommen Tod.

(B) Auf das Bild des Kaspar Jentzkow, des im Jahr 1611 selig Verstorbenen, nach 92 Jahren vor dem Untergang bewahrt.

Versmaß: Elegische Distichen (A).

Kommentar

Die Inschriften waren in einer teilweise rechtsgeneigten humanistischen Minuskel mit kursiven Elementen und Versalbuchstaben ausgeführt; diese Schriftformen sind zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht möglich und wohl auf die Erneuerung des Epitaphs zu Beginn des 18. Jahrhunderts (B) zurückzuführen. Kaspar Jentzkow, geboren in Friedland (Ldkr. Mecklenburgische Seenplatte) zwischen 1535 und 1540,5) gestorben im Oktober oder November 1611 in Stralsund, immatrikulierte sich 1561 an der Universität Rostock, 1567 in Greifswald6) und war danach Lehrer in Neubrandenburg. Von Ostern 1569 bis Ostern 1598 war er Rektor des Stralsunder Gymnasiums7) und seit Herbst 1597 bis zu seinem Tod Diakon und Archidiakon der Nikolaikirche. Wegen Auseinandersetzungen des städtischen Magistrats mit dem pommerschen Generalsuperintendenten Jakob Runge, wer zu seiner Ordination befugt sei, ließ Jentzkow sich in Hamburg weihen.8)

Textkritischer Apparat

  1. os] ossa Hs. 88.
  2. sacrum] Befund auf dem Foto sacram, wohl Resultat einer fehlerhaften Erneuerung der Inschrift; sacram auch Hs. 245, Hs. 88.
  3. sepulchro] sepulchrum Hs. 245.
  4. coelis] coelo Dähnert. coelis auch Hs. 245, Hs. 88.
  5. b(eate)] Pie Hs. 245.
  6. Defuncti] Befund auf dem Foto Defunti, wohl Resultat einer fehlerhaften Erneuerung der Inschrift; korrekt Hs. 245, Hs. 88, Zober.
  7. interitu] introitu Hs. 88.
  8. Vindicatam]Vindicatum Hs. 303.
  9. Post] Posuit Emendationsvorschlag Zober.
  10. L. S. D. S.] Die Bedeutung dieser Initialen ist nicht bekannt.

Anmerkungen

  1. Materialangabe nach Zober, Gymnasium 2, S. 20. Darüber hinaus wird das Epitaph bei Zober als „ziemlich beschädigt“ beschrieben.
  2. StA Stralsund, Hs. 245, S. 164; Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 518. Alle weiteren Angaben zum Objekt nach dem Foto des LAKD. Da dieses Foto ein intaktes Gemälde zeigt, muss es nach 1841 erneuert worden sein.
  3. LAKD/AD, Akten Stralsund, St. Nikolai, Mappe 1 (1896–1946), Bl. 157: Abschrift der Empfangsbestätigung für Kunstgegenstände aus St. Nikolai, die am 12. Mai 1942 in das Schloss Putbus ausgelagert wurden.
  4. Vgl. Anm. 1.
  5. Balck, Meklenburger auf auswärtigen Universitäten, S. 89 Nr. 830, nennt als Vater von Kaspar Jentzkow den Pfarrer Gregor Jentzkow. Bei Häckermann, Jentzkow (wie Anm. 8) heißt es, Kaspar sei ein unehelicher Sohn der Adelsfamilie von Gentzkow (Jentzkow) gewesen.
  6. Matrikel Rostock 2, S. 144; Ältere Matrikel Greifswald 1, S. 293 (Immatrikulation als Casparus Jentzschau).
  7. Zober, Gymnasium 2, S. 18.
  8. Biografische Daten, wo nicht anders angegeben, nach Adolf Häckermann, ‚Jentzkow, Kaspar‘, in: ADB 13 (1881), S. 777 (Onlinefassung, 2.6.2015); dort als Archidiakon von St. Nikolai bezeichnet, Tag der Bestattung 8. Oktober 1611. Vgl. auch Lobes, Reformations-Werck, S. 60, 67; Heyden, Wolgast, S. 119 (Todestag 16. November 1611).

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 25 Nr. 32.
  2. Dähnert, Denkmale, S. 321 (A).
  3. StA Stralsund, Hs. 303, Bl. 56v.
  4. StA Stralsund, Hs. 628, Bl. 80r (B).
  5. Zober, Gymnasium 2, S. 21 (A).
  6. StA Stralsund, Hs. 88, S. 3 (A).
  7. LAKD/AD, Fotosammlung.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 282† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0028202.