Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 264 St. Nikolai 1601–1602?

Beschreibung

Grabstein für den Bürgermeister Joachim Klinkow und seine Ehefrau Anna Völschow. Kalkstein, zweiteilig. An der Westwand der Kapelle am ersten nördlichen Chorumgangsjoch aufgestellt (sog. Hagemeister-Kapelle).1) Der hochrechteckige Stein war bis 1839 ebenso wie das Klinkow-Völschowsche Epitaph (Kat.-Nr. 263) an der Nordwand der Kapelle angebracht.2) Auf dem Grabstein die Reliefs der Verstorbenen, beide mit gefalteten Händen.3) Joachim Klinkow trägt einen unterhalb der Knie endenden Mantel mit einem Stehkragen, darunter ein Wams und Pluderhosen sowie Kuhmaulschuhe. Zu seinen Füßen liegt ein Hut. Anna Völschow trägt eine Haube und einen bodenlangen plissierten Mantel, darunter auch eine vierreihige Kette. Über dem Bildfeld ein Aufsatz mit abgerundeten oberen Ecken, darauf die Wappen der Eheleute, dazwischen ein geflügelter Totenschädel mit Stundenglas (Memento mori). Oben rechts auf dem Wappenschild der Anna Völschow im Schildhaupt die Devise A. Unterhalb der Figuren ein Schriftfeld mit den Inschriften B und C, jeweils links bzw. rechts über die halbe Breite des Steins laufend, optisch jedoch nicht voneinander getrennt. Der Kürzungsstrich in B mit Ausbuchtung. Als Abschluss von Inschrift C eine Blüte. Alle Inschriften sind eingehauen.

Maße: Br. 149 cm, H. 276 cm (ohne Sockel). Bu. 1,8 cm (A), 3 cm (B, C).

Schriftart(en): Kapitalis (A) mit Versalien (B, C).

Jürgen Herold [1/3]

  1. A

    ˑ H(OMO) ˑ E(ST) ˑ S(ICUT) ˑ F(LOS) ˑ ‎// ˑ C(AMPI)4) ˑ

  2. B

    HIOB ˑ XIX ˑ ICH WEIS DAS MEIN ERLOSERa) LEBT ˑ ‎/ VND ER WIRD MICH HERNACH AVS DER ‎/ ERDEN AVFFWECKEN VND WERDE DARNACH ‎/ MIT DIESER MEINER HAVT VMBGEBEN ‎/ WERDE(N) VN(D) WERDE IN MEINE(M) FLEIS(CH) GOT SEHE(N)5) ˑ

  3. C

    PSAL ˑ 49 ˑ GOTT WIRD MEINE SEELE ER=‎/LOSEN AVS DER HELLEN GEWALT DENN ‎/ ER HAT MICH ANGENOMEN6)

Übersetzung:

(A) Der Mensch ist wie eine Blume auf dem Feld.

Wappen:
Klinkow IVölschow III7)

Kommentar

Die sorgfältig ausgeführte Kapitalis der Inschriften B und C zeichnet sich durch einen Kürzungsstrich mit Ausbuchtung, ausgeprägte Serifen, zahlreiche Ligaturen, R-Cauda unter der Grundlinie und S mit kleinerem oberen Bogen aus. O steht oft nicht aufrecht, sondern ist leicht nach links geneigt. Es ist zu vermuten, dass der Grabstein für Joachim Klinkow und Anna Völschow, der keine Sterbeinschrift, sondern nur zwei Bibelzitate (B, C) und eine Devise (A) trägt, in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Epitaph für dieses Ehepaar entstand; vgl. Kat.-Nr. 263, dort auch weitere Angaben zu den Personen. Die Kapelle war laut einem Visitationsprotokoll 1617 im Besitz der Familien Klinkow und Völschow.8)

Textkritischer Apparat

  1. Abschließendes R verkleinert.

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Nikolai, Nr. 100.
  2. StA Stralsund, Hs. 245; ebd., Hs. 77, fol. 21v. Hagemeister, Nikolaikirche, S. 12, vermutet, der Stein habe ursprünglich als Grabplatte im Boden gelegen und sei erst später aufgerichtet worden.
  3. Zu diesem Grabstein vgl. auch Römer, Renaissanceplastik, S. 10f.
  4. Ps. (H) 102,15 (homo ... sicut flos agri sic florebit).
  5. Hi. 19,25.
  6. Ps. 49,16.
  7. Wappen Völschow I: Das Schriftband mit Devise hier nicht in der Hand der Frau, sondern oben auf dem Wappenschild (Inschrift A).
  8. Weitzel, St. Nikolai, S. 148; auch ebd., S. 257 (Anhang 1, Visitationsprotokoll B, Nr. 8).

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 9f. Nr. 12.
  2. Adler, Stralsund, Tf. 33.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 264 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0026404.