Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 235† St. Nikolai 1598, 1619

Beschreibung

Gemälde (1598), nachträglich in das Epitaph für den Superintendenten Konrad Schlüsselburg (1619) eingefügt. Im 18. Jahrhundert im nördlichen Seitenschiff angebracht.1) Das Denkmal muss vor 1839 beseitigt oder zerstört worden sein, da es beispielsweise bei Weinreich (StA Stralsund, Hs. 303) nicht erwähnt wird. Inschriften A und B unten, C und D oben.2)

Inschriften A und B nach Dähnert, Inschriften C und D nach Hs. 245.

  1. A

    Pictum A(nno) C(hristi) 1598

  2. B

    CONRADUS SCHLÜSSELBURGIUS Schawenburgensis Saxo Sacrosanctae Theologiae Doctor (et)a) Professor Superintendens Ecclesiae Stralsundensis natus Oldendorpii A(nno) 1543b) Uxorem habuit 1) Annam Dressers P(iae) M(emoriae) cuius mater D(omi)n(i) Johan(nis)c) Lutheri fratris germani rever(endi) P(atris)d) D(octoris) Martini Lutheri P(iae) M(emoriae) neptis fuit 2) Annam Uslers M(agistri) Georgii Usleri Pastoris Ratzenburgensis P(iae) M(emoriae) filiam Denascitur autem Sundii A(nno)e) 1619 d(ie) 5. Octobr(is) aetat(is) 77. Ministerii vero ecclesiastici 45

  3. C

    Mat. 10 Omnis qui confitebitur me coram hominibus Confitebor et ego cora(m) patre meo qui in coelis est3)

  4. D

    Röm: 5 Gott preiset seine Liebe gegen uns daß Christus für uns gestorben ist da wir noch Sünder waren4)

Übersetzung:

(A) Gemalt im Jahr Christi 1598.

(B) Konrad Schlüsselburg aus Schaumburg, Sachse, Doktor und Professor der hochheiligen Theologie, Superintendent der Kirche von Stralsund, wurde geboren in Oldendorf im Jahr 1543. Er hatte als Ehefrau 1) Anna Dresser seligen Angedenkens, deren Mutter eine Enkelin des Herrn Johann Luther, Bruder des ehrwürdigen Vaters Dr. Martin Luther seligen Angedenkens, war; 2) Anna Usler, Tochter des Magisters Georg Usler, Pfarrer in Ratzeburg seligen Angedenkens. Er starb in Stralsund im Jahr 1619 am 5. Oktober im Alter von 77 (Jahren), im 45. Jahr seines kirchlichen Amtes.

(C) Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater, der im Himmel ist.

Kommentar

Inschrift A zeigt, dass in das Epitaph in der üblichen Weise ein zu Lebzeiten gemaltes Porträt des Verstorbenen integriert war. Konrad Schlüsselburg wurde am 8. April 1543 in Hessisch Oldendorf (Niedersachsen) als Sohn des Amtmanns Heinrich Schlüsselburg und der Adelheid Reuter geboren. Schon während seiner Schulzeit in Paderborn, Hildesheim, Halberstadt und Braunschweig kam Konrad in Kontakt mit orthodox-lutherischen Theologen. Während seines Studiums in Wittenberg (1565–1567)5) entwickelte er sich zum offenen Gegner Melanchthonischer Positionen und wurde daher 1568 der Universität verwiesen. Den Magistergrad erwarb er erst 1570 in Jena.6) Nachdem er sich auch dort an theologischen Kontroversen beteiligt hatte, musste er gehen, übernahm 1574 ein Pfarramt in Königsberg und heiratete seine erste Ehefrau Anna Dresser, Urenkelin eines jüngeren Bruders von Martin Luther. Auf diese Verwandtschaft, wenngleich entfernt, wird im Epitaph ausdrücklich verwiesen. Da er auch in Königsberg äußerst dezidiert orthodoxe Positionen vertrat, wurde er seines Amtes enthoben und ging nach Mecklenburg, zunächst 1580 an die Universität Rostock,7) übernahm dann für ein Jahr ein Pfarramt in Antwerpen (1581) und wurde als Hofprediger nach Gadebusch zu Herzog Christoph von Mecklenburg berufen (1582). Im darauffolgenden Jahr wurde er Diakon von St. Marien in Wismar, schließlich 1590 Superintendent des Stifts Ratzeburg. Hier heiratete er 1592 seine zweite Frau Anna Usler, Tochter eines Pfarrers an der Ratzeburger Domkirche. Im Jahr 1594 trat der „spätreformatorische Streittheologe“ und überzeugte Anti-Calvinist das Amt des ersten Pfarrers bzw. Stralsunder Superintendenten an.8) Auf Kosten des Rates promovierte er in diesem Jahr an der Universität Jena. Schon vor seinem Amtsantritt ebenso wie in den folgenden Jahren kam es zu Auseinandersetzungen mit den pommerschen Herzögen über die Autonomiebestrebungen der Stadt in kirchlichen Belangen.9) Seine Tochter Anna war mit dem Pfarrer Heinrich Bolte verheiratet (vgl. Kat.-Nr. 367). Weitere Kinder Konrads waren Andreas, später Superintendent von Neubrandenburg (vgl. Kat.-Nr. 439), Konrad, Bürger von Wesenberg (beide Ldkr. Mecklenburgische Seenplatte), der Student Georg sowie Johannes.10)

Textkritischer Apparat

  1. Hier und in den folgenden Fällen kursive et-Ligatur.
  2. 1543] 1544 Hs. 245.
  3. Johan(nis)] Sachlich richtig wäre Jacobi. Jakob Luther (1490–1571), jüngerer Bruder des Reformators, war der Großvater von Anna Dressers Mutter Anna Luther, verheiratet mit Melchior Dresser. Johannes war der Vorname von Anna Luthers Vater (1515–1584).
  4. P(atris)] Abkürzung aufgelöst nach Kat.-Nr. 177, Inschrift C. In Hs. 245 an dieser Stelle ein unlesbares Zeichen.
  5. Anno] A. C. Hs. 245.

Anmerkungen

  1. Nach StA Stralsund, Hs. 245, S. 163.
  2. Angaben nach StA Stralsund, Hs. 245, S. 7f. Nr. 10.
  3. Mt. 10,32.
  4. Rö. 5,8.
  5. Schlüsselburg immatrikulierte sich bereits im Juli 1563 in Wittenberg und besuchte danach jedoch noch zwei Jahre lang das Katharineum in Braunschweig; vgl. Matrikel Wittenberg 1502–1602, S. 54 (dort Schlüssenburg als Name).
  6. In Jena immatrikulierte er sich 1569 (Matrikel Jena 1, S. 287).
  7. Matrikel Rostock 2, S. 203.
  8. Zitat Bei der Wieden (wie Anm. 10), S. 195. – Zu den Stralsunder Amtsjahren Schlüsselburgs vgl. auch Kat.-Nr. 263.
  9. Zur Vita Schlüsselburgs, zu Gerichtsverfahren in Stralsund, an denen er beteiligt war, und zu seiner Leichenpredigt vgl. auch Schlüsselburg, Wilken von Platen, S. 113 Anm. B.
  10. Biografische Daten (ohne Matrikelnachweise) nach Brage Bei der Wieden, ‚Schlüsselburg, Konrad‘, in: Pettke (Hg.), Biographisches Lexikon 1, S. 192–196; Theodor Pyl, ‚Schlüsselburg, Konrad‘, in: ADB 31 (1890), S. 606f. (Onlinefassung, 2.6.2015); Roth, Leichenpredigten, R 3334.

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 7f. Nr. 10.
  2. Dähnert, Denkmale, S. 317 (A, B).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 235† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0023503.