Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 219 St. Nikolai 1588 o. später, 1710, 1723?

Beschreibung

Grabplatte für den Bürgermeister Joachim Ketel und seine Ehefrauen (A), Gruftplatte für Wilhelm Boudewin (Baudewin) und Sibylla von Schwarz (B, C). Kalkstein. Im dritten Chorjoch links vor dem Hochaltar.1) Auf der hochrechteckigen, nach oben schmaler werdenden Platte zunächst Inschrift A, die I-Punkte aufweist. Darunter zentriert B und C, die beiden letzten Zeilen von C möglicherweise nachgetragen. Alle Zeilen verlaufen leicht schräg zur oberen Langseite der Platte. Die eingehauenen Inschriften waren ursprünglich mit einer dunklen Masse ausgelegt.

Maße: H. 200 cm, Br. 86 cm (oben), 100 cm (unten). Bu. 5 cm (A), 5–6,5 cm (B), 5–6,3 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Kapitalis und humanistische Minuskel, beide mit Versalien (B), Fraktur und humanistische Minuskel mit Versalien (C).

Jürgen Herold [1/1]

  1. A

    SEPVLCRVM ˑ D(OMINI) IOACHIMI ‎/ KETELS ˑ CONSVLIS QVI ‎/ TRES CONIVGES HABVIT ‎/ PRIMA MAGARETA WESSELS ‎/ OBIIT A(NN)O 1572 DIE AVG(VSTI) VIII ‎/ 2DAa) ANNA STEN OBIITb) A(NN)O 1588 ‎/ DIE 23 MAII TERTIA ELSA PRV̈SS

  2. B

    JETZO ‎/ H(ERR) WILHELM BAVDEWIN ‎/ UnDT ‎/ Fr(au) SIBILLA von SCHWARTZErN ‎/ ANNO 1710

  3. C

    Dieß Gewölbe Begräbnüß ‎/ soll von Anno 1723 d(en) 1 May in ‎/ Fünfzig Jahren nicht geöffnet ‎/ werden ˑ ‎/ und nach der Zeit sol sie der Kir=‎/che Zufallen.

Übersetzung:

(A) Grabstätte des Herrn Bürgermeisters Joachim Ketel, der drei Ehefrauen hatte. Die erste, Margarete Wessel, starb im Jahr 1572 am 8. August; die zweite, Anna Sten, starb im Jahr 1588 am 23. Mai; die dritte (ist) Elsa Prüss.

Kommentar

Inschrift A ist mit einer stachelförmigen R-Cauda ausgeführt, die unter die Grundlinie reicht; Ziffer 2 spitz.

Der spätere Doktor der Rechte Joachim Ketel (A) immatrikulierte sich 1547 in Greifswald und erwarb dort 1554 den Magistertitel; bei dieser Gelegenheit wird er als Hilfslehrer des Stralsunder Gymnasiums und aus Demmin (Ldkr. Mecklenburgische Seenplatte) stammend bezeichnet.2) Im Jahr 1576 wurde er Ratsherr, 1578 Bürgermeister. Als Jurist war er am Reichskammergericht in Speyer und am herzoglichen Hofgericht in Wolgast tätig. Mit seinem Vorgänger im Bürgermeisteramt Nikolaus Gentzkow verband ihn eine langjährige Geschäftsbeziehung und Freundschaft.3) Ketel vertrat die Stadt Stralsund mehrfach auf Hansetagen, war Taufpate des späteren Herzogs Philipp Julius von Pommern (* 27. Dezember 1584) und verstarb im Jahr 1601.4) Seine erste Ehefrau Margarete Wessel (1546–1572) war die Tochter von Johann Wessel (1519–1589) und Anna Wemhöver (* 1530).5) Die Hochzeit fand am 11. Mai 1562 in einem Haus in der Fährstraße statt.6) Seine zweite Frau Anna Sten heiratete Joachim Ketel im Jahr 1573; ihre Eltern waren der Ratsherr Heinrich Sten und Katharina Beseris (vgl. Kat.-Nr. 83). Die dritte Ehefrau Elsa Prüss, die ihn überlebte und sich mit Enoch Völschöw verheiratete, lässt sich in den Stammbaum der Familie Prütze nicht einordnen. Auf einer weiteren Grabplatte Ketels, die älter ist, aber ebenfalls im Chor von St. Nikolai liegt (Kat.-Nr. 186), wird Elsa Prüss noch nicht genannt. Möglicherweise entstand die hier behandelte Grabplatte erst nach dem Tod Joachim Ketels. Der Ratsherr Wilhelm Boudewin († 1722, B) war ein Sohn des Werner Boudewin (vgl. Kat.-Nr. 295).

Textkritischer Apparat

  1. Für ‚secunda‘.
  2. Wort verbessert aus OIIT, erstes I jetzt durch B verdeckt.

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Nikolai, Nr. 447.
  2. Ältere Matrikel Greifswald 1, S. 218, 241.
  3. Vgl. dazu Böcker, Repräsentation, S. 513f.
  4. Biografische Angaben, wo nicht anders nachgewiesen, nach StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 69–72.
  5. StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 102a–103.
  6. Vgl. Böcker (Hg.), Gentzkow, S. 228.

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 72 (A).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 219 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0021906.