Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 194† St. Jakobi 1571–1575

Beschreibung

Epitaph für Anna Grubbe, Ehefrau des Bürgermeisters Balthasar Braun (Balzer Brun, -s). Im späten 18. Jahrhundert an der Chor-Nordseite angebracht.1) Auf dem Epitaph war eine Darstellung des Bürgermeisters, seiner beiden Ehefrauen und ihrer Kinder zu sehen. Die Inschriften A und B oberhalb der Bildtafel, C darunter.

Inschrift A nach Hs. 245, Inschriften B und C nach Hs. 359.

  1. A

    Epitaphium Piae honestaeq(ue) Matronae Annae coniugis D(omi)n(i) Balthasaris Bruns Proconsulis Sundensis quae obdormiuit in Christoa) Anno 1569 primo Februarii inter 8 et 9 matutinam

  2. B

    Dat Gesetz is dorch Mosen gegeuen de Gnade und Warheit is dorch Jesum Christumb) geworden2)

  3. C

    ANNAE GRVBBEAE faciem dilecte ViatorCommonstrat praesens picta tabella TibiBALTHASARIS BRVNS haecce fuit Proconsulis vxorSex gnatos gnatas tres tulit illac) viro5Viuens in terris mulierum forma bonarumExstitit et coluit cum pietate DEVMHaec fuit et prudens mansueta pudica modestaMoribus ornatis praedita casta piaNunc domini fruitur conspectu colloquioque10Dicit ei summo carmina grata DEOTam felix est in Christum quae credidit vnumNos simili serua Christe benigne fideANNAE quam cernis coniunctam MARGARIS haec estMELLENTINS mulier casta modesta pia15Hanc sibi Proconsul coniunxit foedere sacro Post tristem primae coniugis interitumE. H. F.d)

Übersetzung:

(A) Epitaph für die fromme und ehrenhafte Frau Anna, Ehefrau des Herrn Balthasar Braun, Bürgermeister von Stralsund, die in Christus im Jahr 1569 am 1. Februar zwischen acht und neun Uhr morgens entschlief.

(C) Das Antlitz der Anna Grubbe, geschätzter Wanderer, zeigt dir das gegenwärtige Gemälde. Sie war die Ehefrau des Bürgermeisters Balthasar Braun. Sechs Söhne, drei Töchter gebar sie dem Mann. Während sie auf der Erde lebte, verkörperte sie das Ideal guter Ehefrauen und ehrte Gott mit Frömmigkeit. Sie war auch klug, sanft, ehrbar, bescheiden und ausgestattet mit ausgezeichneten Sitten, keusch, fromm. Nun genießt sie des Herrn Anblick und Gespräch. Sie singt ihm, dem höchsten Gott, willkommene Lieder; so glücklich ist sie, die an den einen Christus geglaubt hat. Gütiger Christus, rette uns mit ähnlicher Verlässlichkeit. Diejenige, die du mit Anna verbunden siehst, ist Margareta Mellenthin, eine sittsame, bescheidene und fromme Frau. Im heiligen Ehebund hat der Bürgermeister sie nach dem traurigen Tod der ersten Ehefrau geheiratet.

Versmaß: Elegische Distichen (C).

Kommentar

Die Datierung des Epitaphs stützt sich auf die Biografie des Balthasar Braun (Balzer Brun, -s): Er wird in den Inschriften A und C als Bürgermeister bezeichnet – ein Amt, das er erst seit 1571 bekleidete – und verstarb am 23. oder 24. Mai 1575. Vor dem Bürgermeisteramt hatte er die folgenden Ämter inne: Altermann der Gewandschneider seit 1550, Ratsherr seit 1559, Beisitzer des Stadtgerichts und städtischer Gesandter in Schweden und auf Hansetagen. Er bewohnte ein Haus in der Heilgeiststraße, das seine erste Ehefrau Anna, eine Tochter des Gewandschneiders Peter Grubbe,3) als Mitgift erhalten hatte. Von den in Inschrift C erwähnten neun Kindern erreichten nur fünf das Erwachsenenalter: Balthasar, der am kaiserlichen Hof tätig war, Joachim († 1606), Ratsherr seit 1588, Ilsabe, Katharina und Peter. Balthasar Brauns Vater Martin, Bürgermeister von Anklam (Ldkr. Vorpommern-Greifswald), war mit Elisabeth Fink verheiratet.4)

Textkritischer Apparat

  1. Christo] Christ Hs. 245.
  2. Christum] Christ Hs. 245.
  3. illa] ista Hs. 245.
  4. E. H. F.] Nur in Hs. 245. Vielleicht für E. H. F(ECIT), ‚E. H. hat es gedichtet‘.

Anmerkungen

  1. Angaben zur Gestaltung des Epitaphs nach StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 692f.
  2. Jh. 1,17.
  3. Zu Peter Grubbe vgl. auch Schildhauer, Auseinandersetzungen, S. 152.
  4. Biografische Angaben nach StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 691–693; StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 130a–132.

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 94f. Nr. 17.
  2. StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 693.
  3. StA Stralsund, Hs. 341, Bl. 113r–v (B, C).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 194† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0019404.