Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 179† St. Nikolai 1566

Beschreibung

Epitaph für Johannes Staneke und seine Ehefrau Margareta. Öl auf Holz. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wohl auch schon im 18. Jahrhundert am vierten südlichen Chorpfeiler.1) Zuletzt in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erwähnt.2) Im Zentrum des hochrechteckigen Epitaphs,3) flankiert von Säulen, befand sich ein Gemälde mit der Auferstehungsweissagung des Propheten Ezechiel.4) Am unteren Bildrand das kniende Ehepaar, zwischen ihnen zwei einander zugeneigte Wappenschilde. Neben den Eltern ihre Kinder, links drei lebende Söhne vor einem verstorbenen Sohn, rechts zwei lebende und zwei verstorbene Töchter. Im Sockel die Inschriften A bis C, wobei A und C über die gesamte Breite des Schriftfeldes verliefen, während die Versinschrift B zweispaltig angeordnet war. Über der Bildszene und diese ergänzend Inschrift D, im kleinen Aufsatz des Epitaphs E. Da Inschrift A bei Haselberg originalnah, mit Worttrennzeichen, in Großbuchstaben und mit der Graphie V für U, wiedergegeben wird, und da Inschrift E im Foto überliefert ist, werden auch die übrigen Inschriften des Epitaphs in Kapitalis ausgeführt gewesen sein und entsprechend wiedergegeben. Alle Inschriften waren gemalt.

Inschrift A nach Haselberg, Inschrift B nach Dähnert, Inschriften C und D nach Hs. 245, Inschrift E nach Schumann.

Maße: Br. 135 cm (Haselberg), H. 275 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, E).

  1. A

    EPITAPHIVM : OPTIMI ET VIRTVTE ˑ PRVDENTIA ET PIETATE ˑ PRAESTANTIS ˑ VIRI ˑ D(OMINI) IOHANNIS STANEKE ˑ INCLYTAE HVIVS VRBIS SENATORIS ˑ

  2. B

    HOC TVMVLO CINERES IOHANNIS ETa) OSSA TENENTVR STANEKEb) QVEM MEDIVS DAT LAPIS ISTE CHORI CVM FRAGILI IN VITA LABILES CONSVMERET ANNOS SINCERAE FAVTOR RELIGIONIS ERAT 5HAC CELEBRIQVE FVIT PRAECLARVS IN VRBE SENATOR ATQVE SIMVL DOCTIS PORTVS ET ORAc) VIRIS TER QVINQVE EXIERANT A CHRISTO SECVLA NATO LVSTRAQVE TER QVATVOR QVARTVS HIC ANNVS ERAT CVM QVADRAGINTA VIDISSET TEMPORA VERIS 10ATQVE DVOd) HVNCe) MORTIS VIS TRVCVLENTA TVLITHIC QVOQVE MARGARIDOS PIA CONIVGIS OSSA QVIESCVNT QVAE GRASSANTE GRAVI PESTE SECVTA VIRVM EST MORIBVSf) ORNATIS MVLIER PIETATIS AMANSQVE LONGORVM ET LONGO STEMMATE NATAg) FVIT 15COLLOQVIO CHRISTI NVNC CONTVITVQVE FRVVNTVR AMBO DICENTES CARMINA GRATA DEO

  3. C

    CHARISS(IMIS) PARENTIBVS ET AMICIS IVCVNDISSIMIS FILII SVPERSTITES ET PROPINQVI MOESTI POSVERE

  4. D

    VNDE DE HERR SPRACK SO NVN WIESSAGE VON DISSEN KNACKEN VN SPRECK THO ENEN JI VERDORREDEN KNACKEN HÖRET DET HERREN WORT SO SPRACK DE HERR VON DISSEN KNACKEN JCK WILL JV ADERN GEVENh) VN FLEESCH LATEN EWER JV WASSEN VN MIT HVT OFERTHEEN VN WILL JV ATHEN GEFEN DAT JI WEDDER LEWENDIG WARDEN VN SCHOLEN ERFAHREN DAT ICK DE HERR BIN5) EZECH. 37. v 4 5 6

  5. E

    ANNO D(OMI)NI M D LXVI ‎/ HOC MONVMENTVM POSITVM EST ˑ

Übersetzung:

(A) Epitaph des vortrefflichsten und durch Tugend, Klugheit und Frömmigkeit ausgezeichneten Manns, des Herrn Johannes Staneke, Ratsherr dieser berühmten Stadt.

(B) In diesem Grab liegen die Asche und die Gebeine des Johannes Staneke, dessen Namen der Stein in der Mitte des Chores anzeigt. Während er in diesem zerbrechlichen Leben seine vergänglichen Jahre verbrachte, war er ein Förderer des wahren Glaubens, ein hervorragender Ratsherr in dieser ruhmvollen Stadt und zugleich für gelehrte Männer Hafen und Ufer (eine Zuflucht). Dreimal fünf Jahrhunderte waren seit Christi Geburt vergangen und dreimal vier Lustren (60 Jahre), und dies war das vierte Jahr, als er zweiundvierzig Zeiten des Frühlings gesehen hatte, da raffte ihn die grimmige Gewalt des Todes hinweg. Hier ruhen auch die Gebeine seiner frommen Ehefrau Margareta, die ihrem Mann gefolgt ist, als eine schwere Pest grassierte. Sie war eine Frau von vortrefflichen Sitten und Liebe zur Religion und stammte aus der langen Ahnenreihe der Familie Lange. Nun erfreuen sie sich des Gesprächs und des Anblicks Christi, wobei sie beide gottgefällige Lieder singen.

(C) Ihren innig geliebten Eltern und ihren höchst liebenswürdigen Freunden haben die überlebenden Söhne und Verwandten voll Trauer (dieses Epitaph) errichtet.

(D) Und der Herr sprach so: Nun weissage von diesen Knochen und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Knochen, hört das Wort des Herrn. So sprach der Herr von diesen Knochen: Ich will euch Adern geben und Fleisch über euch wachsen lassen und mit Haut überziehen und will euch Adern geben, damit ihr wieder lebendig werdet und erfahren sollt, dass ich der Herr bin.

(E) Im Jahr des Herrn 1566 wurde dieses Denkmal errichtet.

Versmaß: Elegische Distichen (B).

Kommentar

Johannes Staneke war seit 1553 Ratsmitglied, seit 1558 Kämmerer und wurde 1564 einer von drei Aufsehern des 1560 gegründeten städtischen Gymnasiums. Er verstarb im Alter von 42 Jahren (vgl. Inschrift B) am 25. Dezember 1564 in einem Haus in der Mönchstraße und wurde am darauffolgenden Tag bestattet. Verheiratet war er mit Margareta Lange († August 1565). Als Kinder sind nur die späteren Ratsherren Johannes und Michael (Kat.-Nr. 193) bekannt.6) Das Epitaph wurde zwei Jahre nach Stanekes Tod errichtet. Der zweite Vers von Inschrift B weist auf seine Grabplatte im Chor von St. Nikolai hin, die jedoch nicht erhalten ist.

Textkritischer Apparat

  1. Bei Dähnert hier und in den folgenden Fällen tironisches et.
  2. STANEKE] So Hs. 245, Hs. 359, Hs. 303; Stancke Dähnert.
  3. ORA] aura Hs. 303.
  4. DVO] duc Hs. 303.
  5. HVNC] hanc Hs. 245.
  6. MORIBVS] Moritas Hs. 303.
  7. NATA] So auch Hs. 245, Hs. 359, Hs. 303; natu Dähnert.
  8. GEVEN] Inschrift bis hier in Hs. 341 wiedergegeben.

Anmerkungen

  1. Nach StA Stralsund, Hs. 245, S. 165; StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 662; Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 488.
  2. Das Denkmal wird erwähnt bei Schumann, Epitaph, S. 12, und abgebildet ebd., Abb. 2. Die Abbildung lässt jedoch nur die Lesung von Inschrift E zu, die in den schriftlichen Quellen nicht berücksichtigt wird. Die Abbildung gibt zu erkennen, dass alle Inschriften in Kapitalis ausgeführt waren, der Wortlaut von A–D muss jedoch nach der kopialen Überlieferung ediert werden. Auch die Wappen des dargestellten Ehepaares können auf der Grundlage der Abbildung nicht beschrieben werden.
  3. Die Beschreibung erfolgt nach Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 488, und Schumann, Epitaph, Abb. 2.
  4. Nicht das Jüngste Gericht (so Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 488).
  5. Hes. 37,4–6.
  6. Biografische Informationen nach StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 661f.; StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 121a–122.

Nachweise

  1. StA Stralsund, Hs. 245, S. 39f. Nr. 46 (A–D).
  2. Dähnert, Denkmale, S. 324 (A, B).
  3. StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 662f. (A–C).
  4. StA Stralsund, Hs. 341 (A, C, D).
  5. StA Stralsund, Hs. 303, Bl. 69v (A–C).
  6. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 488 (A).
  7. Schumann, Epitaph, Abb. 2 (E).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 179† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0017907.