Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 178 St. Johanniskloster (Stadtarchiv) 1566

Beschreibung

Wappentafel. Holz, bemalt. Die beschädigte Wappentafel besteht aus lünettenförmig zusammengefügten Holzbohlen. Sie wurde im Rathaus in einem in der Südwestecke des Erdgeschosses gelegenen Raum (Achtmannskammer) 1973 freigelegt1) und ins Johanniskloster transferiert. Am oberen Rand der Lünette in einer Tabula ansata die Jahreszahl A. Im mittleren Bereich, der durch zwei seitliche Säulen betont wird, die großen Vollwappen Herzog Philipps von Pommern und seiner Ehefrau Maria von Sachsen. Darunter in aufgemalten Rahmen die dreizeiligen Beischriften B und C. Zu beiden Seiten des Mittelfeldes das zerlegte Stadtwappen, links oben der Pfeil (Strahl), rechts das Kreuz, darunter die zweizeiligen Inschriften D und E. Unter dem Stadtwappen links und rechts ehemals wohl je vier Vollwappen, die nur noch teilweise erhalten bzw. identifizierbar sind: das Wappen links außen (und rechts außen?) nicht erhalten, das zweite von links und das erste rechts nicht identifizierbar. Auch die Inschriften sind nicht lückenlos erhalten, Fehlstellen vor allem an den Übergängen zwischen den einzelnen Holzbohlen sind mit schwarzer Farbe gefüllt. Alle Inschriften sind gemalt, die Chronogrammbuchstaben in roter, die übrigen in schwarzer Farbe.

Maße: L. ca. 780 cm, H. ca. 235 cm. Bu. ca. 7 cm (A), 5,5 cm (B, C), 4 cm (D, E).

Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (B, C, D, E).

Jürgen Herold [1/9]

  1. A

    1[5]66

  2. B

    PHILIPVS VON [G]OTS GNADEN HERTOCH THO ‎/ STETTIN PA[M]EREN ˑ DER CASSVBEN VND WEN[DEN] ‎/ [F]VRST ZV RV[G]EN VND GRAF ZV GVTZKOVa) ˑ

  3. C

    MARIA VON GOTS GNADEN GEBORN ZV SACHSS‎/EN ZV STETTIN PAME[R]EN H[E]RZOGIN FV‎/RSTIN ZV RVGEN VND G[R]AVIN Z[V] GV‎/[....]b)

  4. D

    [LI]TOR[E FV]NDATVR NOSTRI STRALS[V]NDIA PONTI ‎/ QVA REGIT ARCTOAS AETHEREA VRSA RATES2)

  5. E

    VI[N]CLA T[V]LERE D[V]CES ALI[Q]VOT SVB PRAE[L]IA CIVIS. / HEIIN[H]OLT [AR]BORIBVS. [SIL]VA VBI PV[L]CHRA [VI]RET.3)

Übersetzung:

(D) Am Strand unseres Meeres wird Stralsund gegründet, wo der Bär am Himmel die Schiffe im Norden lenkt.

(E) Einige Herzöge trugen nach Schlachten mit den Bürgern Fesseln, wo der schöne Hainholz-Wald von Bäumen grünt.

Versmaß: Chronodistichen (D, E).

Wappen:
Stralsund IIIPommern, HerzogtumSachsen, Herzogtum4)Stralsund III
GentzkowSchmiterlowKlinkow IIIBavemann ISastrowSchwarte (?)5)

Kommentar

Z ist häufig in Form einer 3 gestaltet, H gelegentlich mit nach unten ausgebuchtetem Balken. Besonders an Bogenenden (C, G, S), aber auch an Schaft- und Balkenenden setzen lange schräge Sporen an. Die historischen Ereignisse der Jahre 1230 und 1316, welche die Inschriften D und E in Erinnerung rufen, sind das (angenommene) Gründungsjahr Stralsunds und die Schlacht am Hainholz; vgl. dazu Kat.-Nr. 308. Die Wappentafel entstand nicht 1560, wie in der Literatur gelegentlich zu lesen ist,6) sondern erst 1566 (A) und damit sechs Jahre nach dem Tod Herzog Philipps von Pommern-Wolgast (1515–1560). Seine Ehefrau Maria von Sachsen, eine Tochter des Kurfürsten Johann des Beständigen, lebte 1515–1583. Da ihrer beider Söhne beim Tod Philipps noch unmündig waren, wurde das Herzogtum zunächst von Vormündern und einem Regentenrat verwaltet.7)

Die kleineren Wappenschilde auf der Vertäfelung repräsentieren die politische Elite der Stadt: Nikolaus Gentzkow war seit 1555 (zu ihm siehe Kat.-Nr. 190), Jürgen Schmiterlöw und Joachim Klinkow († 1601; Kat.-Nr. 263) waren seit 1559 Bürgermeister. Der Tuchhändler Jürgen Schmiterlöw († 1575), verheiratet mit Gertrud Möller und Ratsmitglied seit 1548, war ein Sohn des Bürgermeisters Nikolaus († 1539) und der Gesa von Lübeck; sein Bruder Bertram war Bürgermeister von Greifswald.8) Zu dem Ratsherrn (seit 1553) Peter Bavemann († 1580) vgl. Kat.-Nr. 198. Das Wappen der Stralsunder und Greifswalder Ratsfamilie Schwarte lässt sich keinem Familienmitglied in Stralsund zuordnen, das zur Zeit der Anfertigung der Wappenmalereien Ratsmitglied gewesen wäre.9) Bartholomäus Sastrow aus Greifswald (1520–1603) begann seine berufliche Karriere nach seinem Studium in Greifswald und Rostock (seit 1538)10) als Notar am Reichskammergericht, herzoglicher Sekretär und Stadtschreiber von Greifswald. In Stralsund war er seit 1555 als Protonotar, seit 1562 als Ratsherr und schließlich seit 1578 als Bürgermeister tätig. Er war verheiratet mit Katharina Frobose aus Greifswald und hinterließ eine umfangreiche Autobiografie in hochdeutscher Sprache.11)

Textkritischer Apparat

  1. Z verkleinert und unter den T-Balken gestellt.
  2. Unklar, ob das Wortende GV/[TZKOV] analog zu Inschrift B ehemals ausgeführt war.

Anmerkungen

  1. Bezeichnung des Raumes nach LAKD/AD, Akten Stralsund, Rathaus, Mappe 2, Grundriss des Rathauses 1:200, Blatt 2.1, Erdgeschoss, Mai 1976; die Jahresangabe nach Ewe, Kostbarkeiten, S. 71. – Laut Hoffmann, Von welschen Giebeln, S. 19, handelte es sich bei dem Raum im Westflügel des Rathaus-Erdgeschosses, für den die Malereien angefertigt wurden, um die sog. Winterratsstube.
  2. Das Chronodistichon ergibt die Jahreszahl 1230.
  3. Das Chronodistichon ergibt die Jahreszahl 1316.
  4. Hier das Wappen der ernestinischen Linie der Wettiner nach dem Verlust der Kurfürstenwürde 1547. Die Malerei zeigt mehrere vom Üblichen abweichende Tingierungen der Teilwappen, die vielleicht durch chemische Prozesse verursacht wurden.
  5. Wappenbild (schwarzer Kopf?) unsicher.
  6. So etwa bei Ewe, Kostbarkeiten, S. 70; Hoffmann, Von welschen Giebeln, S. 19.
  7. Vgl. dazu Wehrmann, Pommern 2, S. 58f.
  8. Genealogische Informationen nach StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 90a–92; viele biografische Details in StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 640–647. Zu Bertram Schmiterlöw vgl. DI 77 (Greifswald), Nr. 244.
  9. Vgl. die Stammbäume der verschiedenen Familienzweige in StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 158a–167.
  10. Der Studienort Greifswald nach StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 6. Allerdings ist Sastrow in der Greifswalder Matrikel nicht nachweisbar; Matrikel Rostock 2, S. 98.
  11. Genealogische Informationen nach StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 139a–140. Zahlreiche biografische Details in StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 1–29; s. auch Theodor Pyl, ‚Sastrow, Bartholomäus‘, in: ADB 30 (1890), S. 398–408 (Onlinefassung, 4.6.2015).

Nachweise

  1. Ewe, Kostbarkeiten, S. 72f. (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 178 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0017803.