Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 175 St. Marien 1558

Beschreibung

Oblatendose. Silber, teilweise vergoldet. Profilierter Standring. Auf dem Klappdeckel mit flachem Knauf vier runde Medaillons mit ganzfigurigen Darstellungen der sitzenden Evangelisten. In der Mitte des mit graviertem Rankwerk verzierten Griffs ein gedrückter und ein runder Knauf. Auf der Wandung ein vergoldetes Band mit graviertem Blattwerk, in dem Vögel sitzen und das von sechs Wappenschilden mit Initialen unterbrochen wird, dazu die Hausmarken H55 (A), H56 (B), H57 (C), H58 (D), H59 (E) und H60 (F). Auf der Unterseite Inschrift G, dort auch das Beschauzeichen der Stralsunder Goldschmiede und das Meisterzeichen des Steffen Remer (M8).1) Alle Inschriften sind graviert.

Maße: H. 13 cm, Dm. 12,2 cm (Öffnung), 12,9 cm (Fuß). Bu. 0,3 cm (A, B, C, D, E, F), 0,4 cm (G).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    M H

  2. B

    M W

  3. C

    M T

  4. D

    F Wa)

  5. E

    H S

  6. F

    B S

  7. G

    51 LODT A(NN)O 1558

Wappen Herzogszepter:
???Wessel??
Wappen Bischofszepter:

Kommentar

H ist mit nach unten ausgebuchtetem Balken ausgeführt. Franz Wessel, dessen Initialen Inschrift D bilden, und fünf weitere Stifter ließen nicht nur diese Oblatendose, sondern im Jahr 1559 auch einen Kelch (Kat.-Nr. 176) für St. Marien anfertigen. Franz Wessel stiftete zudem mehrere Bücher, u. a. die sog. Wesselsche Bibel für diese Kirche.7) Darüber hinaus verfasste er ein ausführlich kommentiertes Verzeichnis ihrer Altäre vor der Reformation.8)

Franz Wessel wurde am 30. September 1487 geboren, seine Eltern waren der Kaufmann und Brauer Hans Wessel († 1509) und Otke Strelow. Seit 1511 war Franz Wessel mit Margarete, Tochter des Lüdeke Lange, verheiratet. Von ihren beiden Kindern erreichte nur der spätere Ratsherr Johann das Erwachsenenalter (1519–1589). Seit 1516 war er Provisor von St. Marien, seit 1524 Ratsmitglied. Als Befürworter der Reformation tat er sich auch durch die Zerstörung kirchlicher Bildwerke hervor, die 1525 in eine Grube im Garten des Dominikanerklosters St. Katharinen geworfen wurden. Seit 1541 war er als Bürgermeister in die politische Umsetzung reformatorischer Belange und die Verwaltung des ehemaligen kirchlichen Vermögens involviert.9) In diesem Jahr empfing er Herzog Philipp I. von Pommern in Stralsund (vgl. Kat.-Nr. 143), 1545 war er Pate von dessen Sohn Ernst Ludwig. Wessel bewohnte nacheinander zwei Häuser in der Langenstraße. Seit 1559 wegen Krankheit ans Haus gebunden, starb er am 19. Mai 1570 einen Tag nach seiner Ehefrau. Das Ehepaar wurde in St. Marien beim Ratsgestühl bestattet.10) Die Namensinitialen der Inschriften A–C sowie E und F lassen sich nicht zuordnen.

Textkritischer Apparat

  1. Für ‚Franz Wessel‘ nach Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 443.

Anmerkungen

  1. Scheffler, Goldschmiede, Nr. 926 (Stralsunder Goldschmiede). Steffen Remer wird bei Scheffler nicht erwähnt; vgl. auch Kat.-Nr. 176, Anm. 1.
  2. Wappen ? (Hausmarke H55 mit Initialen M H).
  3. Wappen ? (Hausmarke H56 mit Initialen M W).
  4. Wappen ? (Hausmarke H57 mit Initialen M T).
  5. Wappen ? (Hausmarke H59 mit Initialen H S).
  6. Wappen ? (Hausmarke H60 mit Initialen B S).
  7. Bei der genannten niederdeutschen Bibel handelt es sich um den Druck Magdeburg: Michael Lotter 1554 (VD 16, B 2845). Die Wesselsche Bibel ist heute Bestandteil der Archivbibliothek der Hansestadt Stralsund. Zur Wesselschen Bücherstiftung vgl. auch StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 613f.
  8. Franz Wessel, Van den Altaren de in Marien karcke in vortyden sint gewesen (StA Stralsund, Rep. 28 Nr. 753); vgl. Zober, Altäre.
  9. Dazu speziell Berwinkel, Weltliche Macht, S. 46f.; vgl. auch Schildhauer, Auseinandersetzungen, S. 152f.
  10. Biografische Angaben nach StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 608–617; StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 102a–103; Theodor Pyl, ‚Wessel, Franz‘, in: ADB 42 (1897), S. 139–141 (Onlinefassung, 14.1.2015); vgl. auch Berwinkel, Weltliche Macht, S. 204.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 175 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0017502.