Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 170 Greifswald, Pommersches Landesmuseum 1551–1552?

Beschreibung

Gobelin.1) Leinen, Wolle, Seide und Metallfäden. Im Frühjahr 1945 wurde der sog. Estherteppich, der sich ursprünglich in Stralsund befand, aus Greifswald zunächst nach Lübeck, später nach Celle in Sicherheit gebracht und im Jahr 1956 anlässlich der 500-Jahrfeier der Universität Greifswald zurückgeführt.2) An den Kanten des Teppichs eine Bordüre mit Blättern, Blüten und Früchten. Das Innenfeld ist unterteilt in drei Zonen. In der mittleren, der Hauptszene, kniet die gekrönte Esther vor König Ahasver (Xerxes) und bittet für ihr Volk.3) Zwischen beiden wohl Haman, der die Handgelenke im Unfähigkeitsgestus überkreuzt hält; hinter beiden Figuren Gefolge. In einer kleinen Tabula ansata am oberen Rand dieser Szene die Inschrift. Darüber in einem schmaleren Streifen zwei weitere Szenen. Links spricht König Ahasver das Urteil über den knienden Haman, der geschoren wird. Hinter ihm steht Esther und zeigt mit einer Hand auf sich selbst, mit der anderen auf Haman. Rechts zeigt der barhäuptige Mordechai, Pflegevater Esthers, dem König eine geplante Verschwörung an. In der unteren Zone zwei durch Säulen und flache Bögen voneinander getrennte Felder, darin zwei Vollwappen vor blauem bzw. rotem Hintergrund, die jeweils von einem Paar gehalten werden. Dazwischen ein Einhorn, das sich in den Schoß einer Jungfrau flüchtet. Die Inschrift ist gewebt.

Maße: Br. 259 cm (Dahlenburg), H. 335 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Universität Greifswald [1/1]

  1. ˑ hesˑter ˑ 3a) ˑ

Wappen:
MöllerVölschow I

Kommentar

Der Teppich gelangte vielleicht aus dem Nachlass Herzog Philipps I. in den Besitz der Universität Greifswald.4) Die alttestamentliche Erzählung von der Rettung des jüdischen Volkes durch Mordechai und vor allem Esther sowie deren Erhebung zur Königin war ein beliebtes Bildmotiv für Objekte, die im Zusammenhang mit Eheschließungen verschenkt wurden. Der Bibelstellennachweis der Inschrift ist nicht ganz plausibel: In Est. 3 wird der Anschlagsplan Hamans, die auf dem Teppich dargestellte Audienz Esthers beim König hingegen erst im fünften Kapitel dieses Buchs beschrieben.

Auf dem Gobelin ist das Wappen des Bräutigams links auch dadurch gekennzeichnet, dass der vom Betrachter aus linke Schildhalter ein Mann ist, während in dieser Position rechts, neben dem Brautwappen, eine Frau steht. Die Eheschließung, die den Anlass für die Anfertigung dieses Gobelins gab, war die des Jürgen (Georg) Möller, Sohn des Stralsunder Bürgermeisters Roloff Möller († 1529)5) und seiner zweiten Ehefrau Ilsabe Vust, mit einer Tochter unbekannten Namens des Greifswalder Ratsherrn Johann Völschow († 1560) und der Anna Stevelin.6) Jürgen Möller bestätigte am 22. Januar 1552, von Johann Völschow einen Brautschatz von tausend Gulden sowie kostbare Kleidung, Schmuck und Möbel erhalten zu haben.7) Ungefähr zu dieser Zeit wird auch die Hochzeit stattgefunden haben und der Teppich verschenkt worden sein.8) Jürgen Möller, erbgesessen auf Gut Pantelitz (Ldkr. Vorpommern-Rügen), trat 1555 in die Gewandschneiderkompanie ein und wurde 1556 Altermann. Von 1562 bis zu seinem Tod 1578 war er Mitglied des Stralsunder Rates.9) Seine zweite Ehefrau war Margarete Klinkow, die nach seinem Tod wiederum Hermann Westphal heiratete (Kat.-Nr. 303).

Textkritischer Apparat

  1. Als 5 gedeutet bei Grotefend. Vgl. dazu den Kommentar.

Anmerkungen

  1. Pommersches Landesmuseum, Greifswald, Inv.-Nr. aa5; Eigentum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Inv.-Nr. KU000340.
  2. Nach Schröder, Croy-Teppich, S. 55–58.
  3. Hier ist wohl die Audienzszene (Est. 5) gemeint, nicht die vorausgehende Krönung (Est. 2), auch wenn der König in der Darstellung die Krone Esthers zu berühren scheint.
  4. Dahlenburg, Kulturbesitz, S. 41. Wie der Teppich dann allerdings zuvor aus dem Besitz der Familie Möller an den Herzog gelangt sein soll, ist unbekannt. Im Testament Herzog Ernst Bogislavs von Croy (1681) wird das Stück nicht erwähnt (Bernheim, Testament, S. 215).
  5. Zu Roloff Möller vgl. auch Schildhauer, Auseinandersetzungen, S. 149f.
  6. Voeltzkow, Völschow, S. 5; Adler, Geschlecht, S. 23f.; Pyl (Hg.), Genealogien 5, S. 351. Vgl. auch DI 77 (Greifswald), Nr. 75.
  7. Angabe nach Grotefend, Wandteppiche, S. 181.
  8. In die Jahre um 1560 wird der Teppich datiert bei Dahlenburg, Kulturbesitz, S. 41f.
  9. Biografische Angaben nach Adler, Geschlecht, S. 24; s. auch StA Stralsund, Hs. 360 (Dinnies, Verzeichnis 2), S. 29f.; StA Stralsund, Hs. 365 (Dinnies, Stammtafeln 2), S. 20a–21.

Nachweise

  1. Grotefend, Wandteppiche, S. 180.
  2. Dahlenburg, Kulturbesitz, S. 42 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 170 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0017007.