Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 136 St. Annenhaus 1519 o. später

Beschreibung

Grabplatte(?) für Bruder Engelbert Therne. Kalkstein. Die querrechteckige Platte wurde vor 1902 in der Annenkapelle aufgefunden und außen in deren Nordwand eingelassen. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Stein durch Behauen verkleinert.1) Die dreizeilige Inschrift ist erhaben ausgehauen.

Maße: Br. 85 cm, H. 43 cm. Bu. 9 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Jürgen Herold [1/1]

  1. Frater engelbert(us) therne ‎/ primus Rectora) huiusb) ‎/ domus hic sepultus

Übersetzung:

Bruder Engelbert Therne, der erste Rektor dieses Hauses, ist hier begraben.

Kommentar

Die Inschrift ist sorgfältig in der späten, schlanken Form der gotischen Minuskel mit spitz ausgezogenen Quadrangeln und Bogenenden, nach außen abgeschrägten Schaftenden bei u sowie mit zwei cadellenartigen Versalien ausgeführt. Sie stammt wohl aus derselben Werkstatt wie der Wangenstein Kat.-Nr. 139.

Das St. Annenhaus wurde in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts für Schwestern vom gemeinsamen Leben gegründet und wird das erste Mal 1485 genannt.2) Als Beichtvater ist Engelbert Therne zwischen 1512 und 1519 bezeugt,3) inschriftlich wird er als frater und primus rector huius domus bezeichnet. Dem rector eines Schwesternkonvents oblag neben der seelsorgerlichen Betreuung die Leitung des Hauses gemeinsam mit der mater,4) allerdings ohne dass er dort auch notwendigerweise wohnte bzw. starb und bestattet wurde. Die Person des Beichtvaters musste zudem nicht identisch mit der des Rektors sein. Die Bezeichnung Thernes als frater belegt, dass er einem Orden bzw. einer geistlichen Gemeinschaft angehörte, vielleicht den Fraterherren in Rostock oder aber einem der Stralsunder Mendikantenkonvente.

Ein Kelch, der sich heute in der Pfarrkirche von Poseritz auf der Insel Rügen (Ldkr. Vorpommern-Rügen) befindet, trägt den Namen Thernes und eine Jahreszahl: FRATER ENGELBERTVS THERNE ANNO 1485 (oder 1489).5) Die Deutung als Stifterinschrift ist nicht zwingend, da ein Verb fehlt. Es könnte sich, wie im Fall der ausführlicheren Inschrift auf dem Kelch des Dominikaners Ludwig Grever (1487), auch um eine Besitzinschrift handeln (Kat.-Nr. 101). Der Poseritzer Kelch könnte also in den Anfangsjahren des Stralsunder Schwesternhauses für dessen erstes männliches Oberhaupt angefertigt worden sein.

Textkritischer Apparat

  1. Lector Haselberg.
  2. Es folgt als Zeilenfüller eine liegende Ranke, die Haselberg irrtümlich als S-Versal für eine nicht aufgelöste Kürzung deutet.

Anmerkungen

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 375.
  2. Vgl. Rehm, Schwestern, S. 96f.
  3. Hoogeweg, Klöster 2, S. 732, mit Hinweis auf Archivalien.
  4. Rehm, Schwestern, S. 190.
  5. DI 55 (Rügen), Nr. 43.

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 375.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 136 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0013605.