Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 129 Heilgeistkirche und -hospital 1506

Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen.

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Kuppa und Korb erneuert. Der Kelch stammt aus St. Jakobi. Sechspassförmiger Fuß mit geprägtem Netzmuster. Auf der Zarge sind eine Kreuzigungsgruppe1) und auf der Gegenseite ein großer silberner Wappenschild aufgelötet, der ehemals farbig ausgelegt war. In die Segmente des Kelchfußes sind, rechts neben der Kreuzigung beginnend, vier Darstellungen eingraviert: Maria mit dem Jesuskind, davor ein kniender Heiliger; Bartholomäus mit einem Messer, Erzengel Michael, ein Gnadenstuhl. Auf dem Fuß umlaufend Inschrift A mit ringförmigen Worttrennern. Am Schaft oberhalb und unterhalb des Nodus je sechs Apostel- und Heiligenfiguren: oben Barbara, Bartholomäus, Jakobus d. Ä., Andreas, Paulus, Petrus; unten Philippus, Matthäus oder Matthias (mit Beil), Thomas(?, mit Winkeleisen), Judas Thaddäus, Simon, Thomas(?, mit Lanze). Auf dem Nodus Maßwerkornamente, auf den Rotuli erhaben vor vertieftem Hintergrund je dreimal die Buchstaben B. Zwischen den Rotuli kleine Löwenköpfe. Auf der Unterseite des Fußes ein graviertes Meisterzeichen (M4) gefolgt von Inschrift C;2) dort auch D und E. Auf der Unterseite des Fußes ferner das Beschauzeichen der Stralsunder Goldschmiede3) und ein zweites, jüngeres Meisterzeichen (M5). Die Inschriften A–C sind graviert, D und E geritzt.

Maße: H. 23,5 cm, Dm. 13,2 cm (Kuppa), 16,8 cm (Fuß). Bu. 0,25 cm (A), 0,6–0,9 cm (B), 0,3 cm (C, D), 1,5 cm (E).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), mit Versalien (B–C), Kursive (D), Versalschrift (E).

Jürgen Herold [1/11]

  1. A

    an(n)o ˑ d(omi)ny ˑ 1ˑ5ˑ6a) ˑ baklargesb) ˑ gerherdvsc) mv̈nter ˑ preste(r) ‎/ ˑ borgermeysters ˑ sone ˑ by(n)ne(n) ˑ wysby ˑ ‎/ ˑ vnde ˑ en ˑ kerkher ˑ to ˑ got‎/ˑlantd) ˑ selyger ˑ dechtˑnysse ˑ em ˑ ‎/ ˑ vn(de) ˑ syne(n) ˑ oldere(n) ˑ vn(de) ˑ alle ˑ kryssten ˑ ‎/ ˑ selen ˑ dat ˑ one(n)e) ˑ got ˑ gnedych ˑ sy ˑ ame(n)

  2. B

    ih(esu)s ‎// Mariaf)

  3. C

    Mo d ˑ vj

  4. D

    iiii 1/2g) mark

  5. E

    H R

Übersetzung:

(A) Im Jahr des Herrn 1506. Der Baccalaureus Gerhard Munter, Priester, Sohn des Bürgermeisters von Visby und Pfarrer auf Gotland, (ließ diesen Kelch) seligen Gedenkens für sich und seine Vorfahren und alle Christenseelen (anfertigen); auf dass ihnen Gott gnädig sei, Amen.

Wappen:
Munter

Kommentar

Inschrift A ist relativ breit proportioniert und mit deutlichen Oberlängen ausgeführt. g mit schräg geknicktem Bogen, linksgewendete 5. Bei dem 1506 oder früher verstorbenen Priester Gerhard Munter, zu dessen Gedenken der Kelch angefertigt wurde, könnte es sich um einen Verwandten des Stralsunders Michael Munter handeln, der in seinem Testament (1508) Kirchen in Visby bedachte und dessen Bruder Gerhard Ratsmitglied war.4)

Wahrscheinlich handelt es sich bei Matheus Munter, seit 1450 Bürgermeister von Visby, um den Vater Gerhards. Gerhard selbst, geboren um 1440, ist 1482 als Pfarrer von St. Olaf auf Visby nachzuweisen und tätigte mit seinen Familienangehörigen zwei Stiftungen.5) Die Stiftung des Kelches für die Stralsunder Heilgeistkirche könnte nach dem Tod Gerhards durch seine Verwandten erfolgt sein, die sich in Stralsund niedergelassen hatten.

Textkritischer Apparat

  1. 1ˑ5ˑ6] So statt 1506.
  2. baklarges] Für baccalaureus.
  3. gerherdvs] Name oberhalb der Zeile ergänzt, Einfügung bezeichnet durch zwei senkrechte Striche.
  4. Nach got eine Blüte.
  5. one(n)] em Haselberg.
  6. Maria] Der i-Schaft bildet das Wortgerüst. An seinem unteren Ende sitzt ein symmetrisches unziales M. Links des Schaftes ein a, rechts ein Bogen-r. Wort von Haselberg und Oltmanns als chr(istus) gedeutet.
  7. Zahlzeichen für die Angabe ½ in Form eines durchstrichenen Schaftes.

Anmerkungen

  1. Das Kreuz ist erneuert.
  2. Das Meisterzeichen wird bei Oltmanns, Abendmahlsgerät, S. 125 Nr. 333, fälschlicherweise als P gedeutet.
  3. Ähnlich Scheffler, Goldschmiede, Nr. 926.
  4. Nach Lusiardi, Stiftung, S. 91 Anm. 63.
  5. Vgl. dazu Wase, Invånarna Visby, S. 631f.

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 395 (A, B).
  2. Oltmanns, Abendmahlsgerät, S. 125 (Nr. 333, A–C).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 129 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0012907.