Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 126 St. Marien 1503, 2.H.16.–17.Jh.

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Ohne Beschauzeichen. Sechspassförmiger Fuß, Zarge mit durchbrochenem Rautenmuster. Auf dem Fuß eine aufgenietete Kreuzigungsgruppe mit dem Titulus A.1) Schaft mit stilisierten Blüten, kegelstumpfförmige Kuppa in einem kleinen Korb aus spitzem Blattwerk. Inschrift B ist auf den Rotuli des Nodus glatt vor schraffiertem Hintergrund graviert, Inschrift C in die Unterseite des Standrings, D und E sind in die Unterseite des Fußes geritzt; dort auch ein graviertes gleichschenkliges Kreuz, wohl in der Funktion eines Meisterzeichens (M3).

Maße: H. 18,5 cm, Dm. 14 cm (Fuß), 10,2 cm (Kuppa). Bu. 0,1 cm (A), 0,8 cm (B), 0,3 cm (C), 1,2 cm (D, E).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B, C); Kapitalis (D, E).

Jürgen Herold [1/12]

  1. A

    i(esus) n(azarenus) r(ex) i(udaeorum)2)

  2. B

    ihesvs

  3. C

    dessen kelk heft ghegeuen ‎/ hansa) fyrob) in gades ere ‎/ wan sine(n) wolgewunne(n) gude ‎/ in de kapelle tu wnser liuen ‎/ fruuen by sunte applonigen ‎/ kappelle(n) ˑc) biddet got vor ened) m vc ‎/ iiie)

  4. D

    MK

  5. E

    MH

Übersetzung:

(C) Diesen Kelch hat Hans Fyro zur Ehre Gottes aus seinem rechtmäßig erworbenen Vermögen für die Kapelle Unserer Lieben Frau bei St. Apollonien gestiftet. Betet zu Gott für ihn. 1503.

Kommentar

Inschrift B ist in einer Bandminuskel ausgeführt. Inschrift C weist gespaltene Oberlängenschäfte und e mit einem dünn ausgeführten, schrägen und nach oben verlängerten Balken auf. Im Stiftungsvermerk C wird auf ungewöhnliche Art und Weise ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der für den Kelch aufgewendete Geldbetrag rechtmäßig erworben worden war. Die Kapelle bzw. der Altar, für den der Kelch bestimmt war, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die Inschrift legt die Existenz einer ‚Kapelle Unserer Lieben Frau bei (in?) St. Apollonien‘ nahe. Diese Bestimmung lässt sich mit den architektonischen Gegebenheiten vor Ort nicht recht in Einklang bringen. Aufgrund der tatsächlich existierenden Apollonienkapelle, ein separater Bau an der Südwestecke der Marienkirche aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, wäre zunächst an einen Marienaltar in dieser Kapelle zu denken. Zwar war die Apollonienkapelle mit drei Altären ausgestattet, jedoch sind deren Patrozinien nicht bekannt.3) Zudem handelt es sich um einen nicht weiter untergliederten Rundbau, der keine räumlich abgetrennte Kapelle erkennen lässt. In der Marienkirche selbst ist die Existenz eines Apollonienaltars nicht überliefert.4)

Bei dem Stifter handelt es sich wahrscheinlich um Hans Virow (Fyro), der 1480 und 1488 als Bürge auftrat. Am 14. März 1508 – er war bereits verstorben – leisteten Hermann, Heinrich und Kunneke Virow Eide darauf, dass sie Vollgeschwister von Hans aus der Ehe ihrer Eltern Titke und Tilsche Virow und damit seine einzigen rechtmäßigen Erben seien.5)

Textkritischer Apparat

  1. hans] Davor gestrichen hna.
  2. fyro] Davor zwei redundante Hasten.
  3. Worttrenner in Form einer 8.
  4. ene] em Haselberg.
  5. m vc iii] Wohl wenig später nachgetragen oder von anderer Hand graviert. – Bei Oltmanns wird der Kelch ins Jahr 1513 datiert, obwohl die Jahreszahl der Inschrift korrekt gelesen wurde.

Anmerkungen

  1. Von zwei weiteren ehemals aufgenieteten Zierelementen sind nur noch die Befestigungslöcher vorhanden.
  2. Io. 19,19.
  3. Anzahl der Altäre in der Apollonienkapelle nach Franz Wessel (Zober, Altäre, S. 486).
  4. Vgl. dazu die Zusammenstellung der Kapellen in St. Marien bei Kossmann, Marienkirche, S. 171–178.
  5. Schroeder (Hg.), Liber memorialis 6, Nr. 456.

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 441f. (C).
  2. Oltmanns, Abendmahlsgerät, S. 130 (Nr. 347, B, C).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 126 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0012609.