Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 125 St. Nikolai E.15.–A.16.Jh.

Beschreibung

Grabplatte für Hans Sten (A). Kalkstein. Hochrechteckig, in zwei Teile zerbrochen, die im ersten Joch des nördlichen Seitenschiffs (Fragment 1) und im ersten Joch des nördlichen Chorumgangsbereichs (Fragment 2) liegen.1) Kanten und Ecken teilweise beschädigt, Oberfläche leicht abgetreten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Platte zwar schon gebrochen,2) jedoch lagen beide Teile noch ohne Schriftverlust im ersten Joch des nördlichen Seitenschiffs. Durch den Bruch der Platte und die Umlagerung der unteren Hälfte (Fragment 2) sind Teile der Inschrift etwa in der Mitte beider Langseiten verloren gegangen. Die eingehauenen Ober- und Unterlängen sowie Kürzungszeichen sind in vielen Fällen abgetreten oder nur noch ansatzweise zu erkennen. Im Innenfeld der Grabplatte eine nur teilweise erhaltene Rose und Inschrift A. Umlaufend sowie in zwei weiteren Zeilen an der oberen Schmalseite Inschrift B; in den Ecken Ornamente in Form vierteiliger Blüten. Beide Inschriften erhaben in vertiefter Zeile.

Inschrift B ergänzt nach Haselberg.

Maße: H. 85 cm (Fragment 1), 87 cm (Fragment 2), Br. 89,5 cm (Fragment 1), 78 cm (Fragment 2). Bu. 13 cm (A), 9,5 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Jürgen Herold [1/2]

  1. A

    hans ˑ sten

  2. B

    got ˑ wes ˑ my ˑ appe[nbar(en) ˑ su]ndera) ˑ gnedich ˑ (vnde)b) ˑ ‎/ barmhartych ˑ v(m)ˑ‎/me dines bittere(n) [lidend]esc) ˑ willen ˑ vn(de) ˑ wes ˑ ‎/ o ˑ alˑmechtich g[ot]d) ˑ ‎/ gnedich ˑ allen ‎/ kriste(n) ˑ selene)3) ame(n)

Übersetzung:

(B) Gott, sei mir offensichtlichem Sünder gnädig und barmherzig um deines bitteren Leidens willen und sei, oh allmächtiger Gott, gnädig (auch) allen Christenseelen. Amen.

Kommentar

Inschrift B ist in der schlanken Spätform der gotischen Minuskel ausgeführt. Im Einzelnen weist sie ausgeprägte Oberlängen und einige kastenförmige a auf. Die Eckornamente gleichen denjenigen auf einer Greifswalder Grabplatte aus dem Jahr 1501.4) Die Beschriftung der Grabplatte ist insofern ungewöhnlich, als der Schwerpunkt auf dem Gebet des Sterbenden in niederdeutscher Sprache liegt,5) wohingegen zum Besitzernamen (A) ergänzende Informationen, etwa ein Wappen oder ein Titel, fehlen. Die Schriftform und der nur aus einem Namen bestehende Eigentumsvermerk verweisen auf eine Entstehungszeit der Grabplatte nicht vor dem Ende des 15. Jahrhunderts. Der Stralsunder Bürger Hans Sten wird am 13. September 1503 erwähnt.6)

Textkritischer Apparat

  1. appe[nbar(en) ˑ su]nder] armen starsunder, arfsunder oder Stralsunder Kirchner.
  2. (vnde)] Tironisches et.
  3. bittere(n) [lidend]es] bittirliken dotes Kirchner, bitterliken dotes Otte.
  4. g[ot]] Die beiden letzten Buchstaben ursprünglich aus Platzgründen verkleinert über der Zeile, heute nur noch in Form dreier senkrechter Kerben erhalten.
  5. vn(de) ... selen] un wes ˑ du allen sundern gnedich alse my kriste iesu Kirchner, Haselberg.

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Nikolai, Nr. 25,107.
  2. Maße der Grabplatte nach Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 500: H. 167 cm, Br. 90 cm.
  3. Vgl. Ps. 50,3.
  4. Vgl. DI 77 (Greifswald), Nr. 209, dazu Abb. 95.
  5. Vgl. dazu etwa das Gebet des Sterbenden an Christus in der ‚Ars moriendi‘ des Johannes Gerson; Rädle, De arte moriendi, S. 733.
  6. Schroeder (Hg.), Liber memorialis 6, Nr. 389. – Kirchner, Grabstein Stralsund, S. 66, nennt einen 1503 verstorbenen Stettiner Geistlichen namens Hans Sten im Zusammenhang mit dieser Grabplatte. Diese Identifikation ist jedoch nicht überzeugend, da es keinen Hinweis darauf gibt, z. B. den Titel dominus, dass der Bestattete geistlichen Standes war.

Nachweise

  1. Kirchner, Grabstein Stralsund, S. 66.
  2. Otte, Kunst-Archäologie 1 (5. Aufl.), S. 437.
  3. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 500.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 125 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0012502.