Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 123 St. Nikolai 1480–1500

Beschreibung

Altarretabel der Schneider, vierflügelig. Holz, geschnitzt und farbig gefasst, mit Tafelgemälden. Das beschädigte Retabel steht im Chor unmittelbar links vom Hauptaltar. Auf der Predella in der Mitte gemalte Darstellungen des Gnadenstuhls und zwei inzensierender Engel, links die Heiligen Andreas und Barbara, rechts Katharina und Nikolaus.1) Die Außenseiten der Flügel zeigen links Maria und die heilige Dorothea, rechts Katharina und Maria Magdalena. Die erste Wandlung zeigt in zwölf Feldern die Passion Christi.

Im oberen Register des geschnitzten Schreins der zweiten Wandlung der thronende Gottvater mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß, flankiert von zwei Engeln; darunter Maria, die dem Jesuskind eine Traube reicht. Da den Flügeln heute die Schnitzfiguren fehlen, sind an den Rückwänden die mit Silberstift angebrachten Namen sichtbar, die festhalten, an welcher Stelle welche Apostelfigur zu montieren war. Auf dem linken Flügel beginnend links oben die Namen A, auf dem rechten Flügel B. Die Schriftausrichtung der Namen wechselt, neben waagerecht geschriebenen Namen finden sich auch von unten nach oben bzw. von oben nach unten verlaufende. Auf dem 1839 noch vorhandenen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlorenen, wohl geschnitzten Aufsatz waren Inschrift C und das Wappen des Schneideramts (Schere) angebracht.2)

Inschrift C nach Haselberg.

Maße: H. 241 cm, Br. 176 cm. Bu. 1,2–1,4 cm (A, B).

Schriftart(en): Kursive (A, B).

Jürgen Herold [1/7]

  1. A

    petr(us) ‎// paul(us) ‎// Jacob(us) minor ‎// Andrea ‎// bartolome(us) ‎// tomas

  2. B

    Joha(n)nes ‎// Jacob(us) maior ‎// philipp(us) ‎// Juda ‎// mathe(us) ‎// mathias

  3. C†

    sancta mari[a]

Übersetzung:

(A) Jakobus der Jüngere.

(B) Jakobus der Ältere.

(C) Heilige Maria.

Kommentar

Die kunsthistorische Datierung des Retabels wird übernommen.3) Die Montieranweisungen A und B wurden ohne formalen Gestaltungsanspruch angebracht und sollten hinter den fertig montierten Apostelskulpturen verschwinden. Nur weil diese Schnitzfiguren heute fehlen, sind die Namensvermerke sichtbar und gewähren so einen Einblick in die Herstellungsweise des Retabels. Es gehört vermutlich nicht zur ursprünglichen, sondern zur Ende des 15. Jahrhunderts erneuerten Ausstattung des Schneideraltars, zumal in dieser Zeit auch die zugehörigen Altarpfründen neu dotiert wurden.4) Das Schneideramt beteiligte sich auch an der Stiftung der Chorschranken (Kat.-Nr. 108).

Anmerkungen

  1. Links im Inneren des Predellenkastens die in Kreide geschriebene Jahreszahl 1693 sowie der Vermerk 8 ß; vgl. Kunkel, Werk, S. 204 Abb. 91.
  2. So Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 477.
  3. Kunkel, Werk, S. 373f. (1480–1500); nach Weitzel, St. Nikolai, S. 180, am Ende des 15. Jh. entstanden.
  4. Vgl. Weitzel, St. Nikolai, S. 178f.

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 477 (C).
  2. Uhsemann, Nikolaikirche, S. 48 (C).
  3. Kunkel, Werk, S. 201, 374 (C), S. 204 (B, teilweise).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 123 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0012308.