Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 96 St. Marien 1473, 1473 o. später, 16.Jh.

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Ohne Beschau- und Meisterzeichen. Sechspassförmiger Fuß mit breitem, profiliertem Standring, Zarge mit durchbrochenem Rautenornament. Auf dem Fuß zwei blau emaillierte Wappenschilde mit den Hausmarken H18 und H19; ehemals auch ein Kruzifixus, der heute fehlt. Auf der Unterseite des Standrings die Inschriften A und B. Auf den Rotuli des Nodus Inschrift C vor dunklem Hintergrund, auf dem Schaft darüber D, im sechsten Feld eine Blüte; darunter E, beide vor schraffiertem Hintergrund. Die Gewichtsangabe F an der Unterseite des Fußes. Alle Inschriften sind graviert, Inschrift A weist i-Punkte auf. Die kegelstumpfförmige Kuppa wird von einem kleinen Blattwerk-Korb getragen.

Maße: H. 18,7 cm, Dm. 13,5 cm (Fuß), 10 cm (Kuppa). Bu. 0,25 cm (A, B), 0,8 cm (C, E), 1 cm (D), 0,4 cm (F).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A–E), Kapitalis und Minuskel (F).

  1. A

    d(omi)n(u)sa) petrvs rade al(ia)s clensmit ‎/ p(re)sb(ite)r (con)sumari ho(c) op(us) ‎/ fecit a(n)no d(omi)ni 1473b) ad ‎/ h(on)o(r)emc) dei (et)d) o(mn)i(u)m s(an)c(t)or(um)

  2. B

    qvi ‎/ f(ur)at(ur) s(en)sib(us) p(ri)ve(tur) et honore qui fu(r)a(tur) ‎/ liq(ue)a(t)e) se(n)sib(us)f) privet(ur) et honore

  3. C

    ihesvs

  4. D

    maria

  5. E

    iohans

  6. F

    39 ˑ LODT ‎/ 1 q(uentchen)

Übersetzung:

(A) Herr Peter Rade alias Clensmit, Priester, hat dieses Werk im Jahr 1473 zur Ehre Gottes und aller Heiligen ausführen lassen.

(B) Wer (diesen Kelch) stiehlt, soll (seiner) Sinne und Ehre beraubt sein. Wer ihn stiehlt, soll – das dürfte eindeutig sein – seiner Sinne und Ehre beraubt sein.

Wappen:
?1)?2)

Kommentar

Inschrift A ist sehr regelmäßig ausgeführt und mit spitz ausgezogenen Quadrangeln versehen, insgesamt jedoch deutlich weniger ornamental als die Bandminuskel auf dem Kelch Kat.-Nr. 101. Ziffer 4 schlingenförmig und eckig; 7 lambdaförmig, nur die rechte Schräghaste steht noch auf der Grundlinie; Ziffer 3 besteht aus zwei kleinen, nicht miteinander verbundenen, gebrochenen Bögen. Inschrift B wurde wenig später unmittelbar im Anschluss graviert, aber von anderer Hand. Zwar ist ein deutlicher Formwille zu erkennen, die Inschrift ist aber nur schwer lesbar: Zum einen ist die Strichstärke der Buchstaben deutlich geringer, sodass die Konturen in aller Regel nicht eindeutig zu erkennen sind. Zum anderen sind Quadrangeln und Brechungen stark ausgeprägt, sodass die waagerechten Buchstabenelemente betont erscheinen.3) Es gibt zahlreiche ungewöhnliche und vielleicht auch bewusst variierende Abkürzungszeichen, deren genaue Gestalt nicht immer auszumachen ist.

Bei dem Priester Peter Rade (alias Clensmit) könnte es sich um einen Verwandten des Bernd Clensmede handeln. Im Jahr 1512 werden Bernd Clensmede und seine Ehefrau Barbara als Eltern der Gretke Knaken genannt.4) In seinem Testament des Jahres 1498 verfügte Bernd eine Stiftung zugunsten des Altars der Schmiede in St. Marien.5)

Textkritischer Apparat

  1. d(omi)n(u)s] Bei n fehlt das Quadrangel am unteren Ende der rechten Haste.
  2. 1473] 1513 Haselberg, Oltmanns.
  3. h(on)o(r)em] Schluss-m in Form einer 3.
  4. Tironisches et mit durchstrichener Haste.
  5. liq(ue)a(t)] Lesung des Wortes unsicher; auf q ein Kürzungsstrich, danach ein zu zwei kleinen Quadrangeln reduziertes cc-a.
  6. se(n)sib(us)] Möglicherweise fehlerhaft ausgeführt; zu sehen sind wohl die Buchstaben seisib (mit Kürzungsstrich auf dem ersten i) und eine abschließende us-Kürzung.

Anmerkungen

  1. Wappen ? (Hausmarke H18).
  2. Wappen ? (Hausmarke H19).
  3. Dieses Gestaltungsprinzip von Inschrift B bewog Haselberg zu dem Urteil, sie sei „später wieder ausgestrichen“ worden (Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 442).
  4. Schroeder (Hg.), Liber memorialis 6, Nr. 490.
  5. Lusiardi, Stiftung, S. 203 Anm. 51.

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 442 (A, C, D, E).
  2. Oltmanns, Abendmahlsgerät, S. 130 (Nr. 348, A, C, D, E).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 96 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0009605.