Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 61 Stralsund Museum 1.H.15.Jh.

Beschreibung

Zwei Türflügel,1) durch Scharniere verbunden. Eichenholz, beidseitig bemalt, beschädigt. Die hochrechteckigen Tafeln stammen aus St. Nikolai und könnten Bestandteile einer Orgeltür,2) einer Tür für einen Nikolausschrein3) oder eines Retabels für den Krameraltar4) gewesen sein. Die breitere Tafel endet oben in einem vollständigen, der schmalere Flügel in einem halben Kielbogen. Auf der breiteren Tafel ist außen der Erzengel Michael dargestellt, auf der schmalen Tafel links der Apostel Andreas. Die Innenseiten der Tafeln sind in drei Zonen gegliedert: oben Brustfiguren von zwei Propheten mit Spruchbändern (links A, rechts B). Darunter vier Szenen aus der Nikolauslegende, links oben die Bischofsweihe, unten die Bändigung eines Sturms auf See, rechts oben Nikolaus mit Ministranten die Messe feiernd, unten die Befreiung zweier Gefangener vom Pranger. Die Inschriften sind in schwarzer Farbe auf den weißen Untergrund gemalt, die Worttrenner in Form von einfachen, doppelten und dreifachen Quadrangeln mit leicht ausgezogenen Enden.

Maße: Br. 49 bzw. 39 cm, H. 180 cm. Bu. 2,5–2,7 cm (A, B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (B) mit Versal in gotischer Majuskel (A).

Jürgen Herold [1/4]

  1. A

    Qui ˑ in dieb(us) ˑ suis ˑ placuit ˑ deo

  2. B

    [ecce]a) sacerdos ˑ m(a)g(nu)sb)5) ˑ

Übersetzung:

(A) Dieser war Gott sein Lebtag gefällig.

(B) Siehe, der große Priester.

Kommentar

u-Schäfte enden oben rechtsschräg. e-Balken sind zu einem langen Schrägstrich reduziert, Oberlängen enden stumpf oder abgeschrägt. Die stilistische Datierung der Malereien wird übernommen.6) Der Text auf den Spruchbändern der Propheten ist in mehreren liturgischen Zusammenhängen nachzuweisen: beim feierlichen Einzug eines Bischofs oder Legaten7) und in den Offizien für bestimmte heilige Bischöfe, unter ihnen Nikolaus.8) Dieser letzte Bezug stellt die offensichtlichste Verbindung zu den vier Szenen der Nikolauslegende unterhalb der Schriftbänder dar. Legt man für die Inschriften den liturgischen Wortlaut des Nikolaus-Hymnus zugrunde, ist die Tafel mit Inschrift B zuerst zu lesen.

Die heutige Sängerempore an der Nordseite des Mittelschiffs (Kat.-Nr. 128) ersetzte eine ältere, unmittelbar östlich gelegene Empore. Sollte sich darauf eine Orgel befunden haben, könnten ihr die Türflügel vielleicht zugeordnet werden.9) Eine Orgelstiftung ist für das Jahr 1386 belegt, Reparaturarbeiten an einer Orgel, ausgeführt durch den Dominikaner Hermann Gustrow, im Jahr 1422.10)

Textkritischer Apparat

  1. Spruchband hier zerstört, Ergänzung nach dem liturgischen Text (vgl. Anm. 8).
  2. Winkelförmiges Kürzungszeichen über g.

Anmerkungen

  1. Stralsund Museum, Inv.-Nr. 1864:0103.
  2. Von einer Orgeltür spricht Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 455; ebenso Ewe, Das alte Stralsund, S. 40 Abb. 42, dort auch Datierung um 1440.
  3. So Kunkel, Werk, S. 142, 191, 194.
  4. Weitzel, St. Nikolai, S. 191.
  5. Zum Textnachweis vgl. den Kommentar mit Anm. 8.
  6. Vgl. Kunkel, Werk, S. 191; vom zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts spricht Weitzel, St. Nikolai, S. 191.
  7. Vgl. Andrieu, Pontifical 3, S. 628 Z. 3.
  8. Zu dem Nikolaus-Hymnus vgl. Analecta Hymnica 49, Nr. 409 S. 200 (3. Strophe: Ecce sacerdos magnus In bonis multiplicibus, Qui in suis diebus Placuit Deo in omnibus).
  9. So Huyer, Nikolaikirche, S. 270 mit Anm. 4.
  10. Dazu Dittmer, Orgeln, S. 145, und Schroeder (Hg.), Liber memorialis 4, Nr. 608.

Nachweise

  1. Kunkel, Werk, S. 193 Abb. 82, S. 342.
  2. Weitzel, St. Nikolai, S. 191.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 61 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0006103.