Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 59 Landesamt für Kultur und Denkmalpflege 1.H.15.Jh.

Beschreibung

Bruchstücke von sechs Gefäßen.1) Ton, teilweise glasiert. Im Jahr 2003 wurde auf dem Grundstück Marienstraße 22 ein Töpferofen freigelegt, dessen Brennkammer mit Töpfereiabfall (Schrühbränden) verfüllt war.2) Zahlreiche Scherben weisen Applikationen mit bildlichen Darstellungen und Inschriften auf. Aus diesem umfangreichen Fund werden hier sechs Fragmente behandelt, die jeweils drei oder mehr sicher lesbare Buchstaben aufweisen. Auf einem aus mehreren Scherben teilweise rekonstruierten Gefäß (1), bei dem es sich ursprünglich wohl um einen Krug mit Henkel und Wellenfuß handelte, die umlaufende Inschrift A, darüber eine Darstellung des Erzengels Gabriel, auf der gegenüberliegenden Seite der Wandung ehemals Maria. Auf der Scherbe 2 untereinander zwei Inschriften (B1, B2) in unterschiedlichen Schriftarten. Die Scherbe 3 von einem Gefäßhals zeigt die dunkel eingefärbte Inschrift C. Auf dem aus zwei grün glasierten Scherben zusammengesetzten Fragment 4 Inschrift D. Eine Scherbe mit Henkelansatz (5) zeigt Inschrift E, darüber ehemals eine zweite, nicht mehr lesbare Inschrift in gotischer Minuskel. Das aus zwei hellen Scherben bestehende Fragment 6 weist eine Inschrift zwischen doppelten Linien auf (F). Als Worttrenner dienen Hochpunkte. Inschrift A eingegraben und glasiert, B eingegraben bzw. geritzt, C, D und F eingegraben, E geritzt.

Maße: H. 20 cm (Gefäß 1), 7 cm (Fragment 5), 11 cm (Fragment 6), 7,5 cm (Fragment 2), 9,3 cm (Fragment 3), 10,5 cm (Fragment 4), Br. 7,5 cm (Fragment 5), 12 cm (Fragment 6), 10 cm (Fragment 2), 6 cm (Fragment 3), 11 cm (Fragment 4), Dm. ca. 12 cm (oben, Gefäß 1). Bu. 4,3 cm (A), 4,2 cm (B1, F), 0,6 cm (B2), ca. 1,8 cm (C), 3,3 cm (D), 0,4 cm (E).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B, C, D, F); Kursive (B, E).

Jürgen Herold [1/6]

  1. A

    ˑ aue ˑ m[ar]ia ˑ gracia ˑ plen[.]a)3)

  2. B1

    [– – –] hilf ˑ [– – –]

  3. B2

    [– – – u]nde gewyn [– – –]

  4. C

    [– – –]yt ˑ di[– – –]b)

  5. D

    [– – –]ot ˑ my[– – –]

  6. E

    [– – –]der

  7. F

    [– – –]ik ˑ an ˑ [– – –]c)

Übersetzung:

(A) Sei gegrüßt, Maria, voller Gnade.

Kommentar

Der Brennofen wurde noch im 15. Jahrhundert aufgegeben, die Gefäßteile entstanden wahrscheinlich vor der Mitte des 15. Jahrhunderts.4) Es handelt sich um qualitätvolle, wohl über den südlichen Ostseeraum hinaus singuläre Produkte, die von einer hochspezialisierten Werkstatt hergestellt wurden. Wie die Gefäßfragmente zeigen, wurden mit großer Sorgfalt sowohl lateinische als auch deutsche Inschriften angebracht.

Textkritischer Apparat

  1. Am Wortende nicht, wie zu erwarten wäre, a, sondern nur eine Haste ausgeführt.
  2. [– – –]yt ˑ di[– – –]] Vor y zwei Hasten, auf i ein Kürzungsstrich. Vielleicht ursprünglich [– – –] myt oder nyt ˑ di(n)[– – –].
  3. Am rechten Rand der Scherbe noch drei Schäfte.

Anmerkungen

  1. Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, ALM 2003/167/38; Fundplatz 261.
  2. Vgl. dazu den Fundbericht Schäfer, [Marienstraße 22], passim; auch Grimm, Kunsttöpferei (im Druck).
  3. Mariengebet nach Lc. 1,28.
  4. Datierung nach Grimm, Kunsttöpferei (im Druck).

Nachweise

  1. Schäfer, [Marienstraße 22], Abb. 97.3 (C).
  2. Grimm, Kunsttöpferei, Abb. 12 (A), Abb. 11 (B).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 59 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0005900.