Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 44 Landesamt für Kultur und Denkmalpflege 1415

Beschreibung

Grabplatte für den Dominikaner Heinrich Lucii. Kalkstein. Vier Fragmente, gefunden im Juni 2005 im Bereich Fischmarkt/Semlower Tor. Sie stammen ursprünglich wohl aus dem Dominikanerkloster St. Katharinen. Die Fragmente gehören zur oberen Hälfte einer ehemals hochrechteckigen Platte, links oben fehlt ein größeres Stück. An der oberen Schmalseite sind außerdem drei sekundär angebrachte, bogenförmige Aussparungen erkennbar. Die ehemals vierseitig umlaufende, erhaben in vertiefter Zeile ausgeführte Inschrift wird beidseitig durch einfache Linien begrenzt. Nur noch ein achteckiges Evangelistenmedaillon ist in der Ecke rechts oben erhalten. Im Innenfeld ist als Ritzzeichnung ein Mönch unter einer Bogenarchitektur und einem Dreipassfries dargestellt. In seiner rechten Hand hält er ein Buch, in der linken eine Schriftrolle. Im Innenfeld auch eine unvollständig erhaltene Hausmarke, die einer Zweitverwendung der Platte zuzuordnen ist und durch Meißelstriche ungültig gemacht wurde.

Maße: Br. 132 cm, H. 135 cm. Bu. 9,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Jürgen Herold [1/5]

  1. [h]ic iac(et)a) reuere(n)d(us) ‎/ p(ate)rb) frat(er) hinricus lucij du[– – –]c) ‎/ [– – –] ‎/ [– – –] cccc xvd) vixit a(u)t(em) a(n)n[os] [..]

Übersetzung:

Hier liegt der ehrwürdige Vater, Bruder Heinrich Lucii (...) 1415. Er lebte (..) Jahre.

Kommentar

Die verwendete Schriftart ist eine entwickelte gotische Minuskel, die stumpfe Schaftenden bei u erkennen lässt. Auf dieser Grundlage erfolgt die Datierung der Grabplatte in das Jahr 1415. Der über dem Gürtel getragene, schürzenartige Überwurf (Skapulier) des Mönchs deutet darauf hin, dass es sich bei dem Dargestellten um einen Dominikaner handelt. Darauf lässt auch die Darstellung der Tonsur schließen: Der Haarkranz scheint unterbrochen, auf der Stirn steht wohl ein einzelnes Haarbüschel.1) Die Grabplatte stammt demnach mit einiger Sicherheit aus dem Dominikanerkloster. Ein Ordensangehöriger namens Heinrich lässt sich für die fragliche Zeit nicht nachweisen.2) Das Kloster wurde in Folge der Reformation aufgelöst, dabei wurden die bewegliche Einrichtung und das Archiv des Konvents weitestgehend zerstört.3) Was mit den Grabmälern der im Kloster bestatteten Personen geschah, ist nicht bekannt.4)

Textkritischer Apparat

  1. iac(et)] Kürzungszeichen in Form dreier übereinander gestellter Quadrangeln.
  2. p(ate)r] Oder p(rio)r?
  3. Nach u wohl ein hochgestelltes Kürzungszeichen, s- oder r-Haken.
  4. ccccxv] Vom ersten c nur noch unteres Schaftende vorhanden.

Anmerkungen

  1. Für Hinweise zum Ordenshabit der Dominikaner danke ich Margit Mersch, Kassel (20.7.2005).
  2. Vgl. Hoogeweg, Klöster 2, S. 718–728.
  3. Vgl. dazu die Einleitung, Kap. 3.2.1.
  4. Dass es dort Grabmäler nicht nur von Konventsangehörigen, sondern auch von Laien gegeben haben muss, geht aus mehreren Testamenten hervor, in denen das Kloster als Bestattungsort gewählt wurde (Schildhauer, Alltag, S. 26; auch Hoogeweg, Klöster 2, S. 723).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 44 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0004402.