Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 36 St. Marien 4.V.14.Jh.

Beschreibung

Kelch. Silber, vergoldet. Ohne Beschau- und Meisterzeichen. Die hohe, zweiteilige Zarge des sechseckigen Fußes ist verziert mit durchbrochenen Vierpässen und einem Zahnschnittband. In den Ecken der Zarge sitzen kleine bewegliche Tierfiguren, ein Tier fehlt. Auf den Graten des Fußes aufgelegte Perlschnüre. In einem der Felder ist ein Kruzifixus ohne Titulus aufgenietet, darüber eine gravierte große Hausmarke (H6). Dieses Feld ist von einem zweiteiligen Spruchband umgeben (A). Auf den übrigen Feldern des Fußes stilisierte Blütenkelche, am Schaft ebenfalls Blüten. Auf den vierpassförmigen Rotuli des Knaufs die Buchstaben B, zwischen den Rotuli kleine Engelsbüsten mit leeren Spruchbändern. Die Kuppa sitzt in einem kleinen Maßwerkkorb. Die Inschriften sind glatt vor aufgerautem Hintergrund graviert.

Maße: H. 21,5 cm, Dm. 14,5 cm (Fuß), 13 cm (Kuppa). Bu. 0,35 cm (A), 0,7 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Majuskel (B); gotische Minuskel (A).

Jürgen Herold [1/8]

  1. A

    miseˑreˑre ˑ mei deˑus ‎// enghelˑke ˑ nygeˑstat

  2. B

    IHESVS

Übersetzung:

(A) Erbarme dich meiner, Gott, des Engelke Nygestat.

Kommentar

Inschrift A weist lange an t-Balken und r-Fahne ansetzende Zierstriche auf. In Inschrift B sind geschlossenes E und H unzial ausgeführt, S retrograd. Es sind deutliche, teilweise spitze Schaftschwellungen zu erkennen. Bei Oltmanns wird der reich verzierte Kelch ohne Angabe von Gründen in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert.1) Schon angesichts der verwendeten Schriftarten erscheint diese Datierung deutlich zu spät angesetzt. Im Jahr 1376 wird der Bürger Engelbert Nygestat als Zeuge in einem Testament genannt.2) Da der Vorname Engelke als niederdeutsche Kurzform von Engelbert oder Engelhard üblich war, wird es sich um dieselbe Person handeln. Engelkes Familienname ‚Neustadt‘ lässt sich vermutlich auf die Lage der Pfarrei St. Marien, zu der er offenbar gehörte, in der südwestlich gelegenen Stralsunder Neustadt zurückführen. – Auch aus stilistischen Erwägungen, angesichts des sechseckigen Fußes und der dort eingravierten Ornamentik, die noch keine Maßwerkformen zeigt, ist eine Datierung des Kelches ins vierte Viertel des 14. Jahrhunderts plausibel. Zu diesem Kelch gehörte vielleicht eine nicht erhaltene Patene (Kat.-Nr. 37).

Anmerkungen

  1. Oltmanns, Abendmahlsgerät, Nr. 346 S. 129f.; ähnlich, nämlich an den Anfang des 16. Jahrhunderts, bei Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 442.
  2. StA Stralsund, Testamente Nr. 355 (nach StA Stralsund, General-Register, 14.7.2015).

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 442.
  2. Oltmanns, Abendmahlsgerät, S. 129f. (Nr. 346).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 36 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0003600.