Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 22† St. Nikolai 1355

Beschreibung

Grabplatte für den Bürgermeister Arnold Voet (A), seine Ehefrau Katharina Wikbern (B) und ihre Tochter Heleke (Helena, C). Messing. Die Platte wurde Ende 1703 freigelegt und gereinigt. Im Zuge dieser Maßnahme wurde auch der Wortlaut der in gotischer Minuskel ausgeführten Inschriften festgehalten.1) Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts befand sich die Messingplatte in der Voetschen Kapelle im südlichen Bereich des Chorumgangs neben dem südöstlichen Eingang,2) danach wird sie nur noch aus der Literatur beschrieben. Auf der in einen Stein eingebetteten Messingplatte waren Bildnisse des Arnold Voet sowie seiner Ehefrau und seiner Tochter zu sehen.3) Die Inschriften A und B waren möglicherweise fortlaufend angebracht, Inschrift C darunter.4)

Inschriften nach PfA St. Nikolai, R 79.

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A, B).

  1. A

    Hic Jacet Domin(us)a) Arnold(us) Voet Fili(us) D(omi)ni Conradi voet de Tremoniab) in Westfalia qui obiit Feria quintac) ante Festum S(anc)ti Bartholom(aei) A(nn)o D(omi)ni mo ccco L vtod) orate pro Anima ejus

  2. B

    Hic Jacete) Catharina quondam uxor D(omi)ni Arnoldi voet Filia D(omi)ni Leonis Falkef) quae obiit [– – –] A(nn)o mo ˑ ccc [– – –]g)

  3. C

    Hic Jacet Heleke Filia eorumh) quae obiit Feria quinta ante Festumi) Apost(oli) Bartholom(aei) A(nn)o D(omi)ni millesimo ccco L vo Anima ejus requiescat in pace

Übersetzung:

(A) Hier liegt Herr Arnold Voet, Sohn des Herrn Konrad Voet aus Dortmund in Westfalen, der am Donnerstag vor dem Fest des heiligen Bartholomäus (20. August) im Jahr des Herrn 1355 starb. Betet für seine Seele.

(B) Hier liegt Katharina, einst Ehefrau des Herrn Arnold Voet, Tochter des Herrn Leo Falke, die (...) im Jahr 13(..) starb.

(C) Hier liegt Heleke, ihre Tochter, die am Donnerstag vor dem Fest des Apostels Bartholomäus (20. August) im Jahr des Herrn 1355 starb. Ihre Seele ruhe in Frieden.

Kommentar

Vermutlich waren die in Inschrift B fehlenden Textteile 1703 unlesbar, weshalb sie im Bau-Register dieses Jahres nicht wiedergegeben wurden. Arnold (Arnd) Voet (Voth, auch lat. Pes) wird im Liber memorialis zwischen 1336/1337 und 1351 genannt.5) Er erhielt 1323 das Bürgerrecht, war Altermann des Gewandhauses6) und seit 1326 Ratsmitglied, wurde 1346 Bürgermeister7) und fungierte als Provisor von St. Nikolai und St. Jürgen bei Rambin (Insel Rügen, Ldkr. Vorpommern-Rügen).8) Seine Ehefrau Katharina war Inschrift B zufolge die Tochter von Leo Falke (Valke); ihr Todesjahr ist nicht überliefert. Ein Mann dieses Namens saß seit 1263 im Rat, wurde 1293 Bürgermeister und starb 1301.9) Dieser Name und die dazu ermittelbaren Lebensdaten passen indes nicht zu dem in anderen Quellen als Schwiegervater genannten Leo Wikbern, der als Vormund seiner Tochter 1335 mit Arnold Voet einen Heiratsvertrag schloss.10) Arnold Voet und seine Tochter Heleke (Helena) verstarben an demselben Tag (20. August 1355), was vielleicht auf einen Seuchenausbruch in Stralsund schließen lässt. Die Söhne von Arnold und Katharina hießen Johann und Arnold (Arnd, † 1399).11)

Die Voet-Kapelle in St. Nikolai stellt wohl eine Erweiterung der 1320 durch Arnolds Vater, den Ratsherrn Konrad (Cord) Voet, und dessen Bruder Arnold vorgenommenen und durch Fürst Wizlaw III. von Rügen bestätigten Altarstiftung dar.12) Dendrochronologischen Untersuchungen zufolge entstand die Kapelle in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Sie war mit einer Gitterabschrankung zum Chorumgang hin versehen,13) ihre Fenster waren mit dem gemalten Wappen der Familie Voet geschmückt.14) In seinem Testament vom 20. Juli 1355 vermachte Arnold Voet der Priesterbruderschaft 100 Mark, die für zwei jährliche Seelmessen für ihn und seine Eltern genutzt werden sollten.15)

Textkritischer Apparat

  1. Domin(us)] Fehlt Hs. 359, Hagemeister.
  2. Tremonia] Cremonia PfA St. Nikolai, R 79.
  3. quinta] quarta Haselberg.
  4. mo ccco L vto] millesimo tricentesimo quinquagesimo quinto Haselberg, 1355 Hagemeister.
  5. Jacet] Es folgt d(omi)na Hs. 359.
  6. Falke] Zu diesem Nachnamen vgl. den Kommentar.
  7. Die Tagesangabe und die hinteren Stellen der Jahreszahl sind in PfA St. Nikolai, R 79, und in StA Stralsund, Hs. 359, nicht überliefert.
  8. Heleke Filia eorum] filia eorum Helena Hs. 359.
  9. Festum] Es folgt S(ancti) Hs. 359.

Anmerkungen

  1. Vgl. PfA St. Nikolai, R 79, S. 416: ein großer Leichstein gantz mit Meßing überzogen. Die Inschriften seien in sehr alten München Buchstaben ausgeführt gewesen.
  2. Zeitliche Angabe nach Hagemeister, Nikolaikirche, S. 15; der Kapellenstandort nach Weitzel, St. Nikolai, S. 133, 135.
  3. So StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 100. Der Verfasser dieses Werkes beschreibt die Platte nach Augenschein. Worauf sich die zu Beginn des 20. Jahrhunderts publizierte Angabe gründet, auf der Platte sei unter zwei Baldachinen „wahrscheinlich eine männliche Gestalt“ dargestellt gewesen, das zweite Feld sei leer gewesen (Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 521), ist nicht bekannt.
  4. Nach PfA St. Nikolai, R 79, S. 416.
  5. Vgl. Schroeder (Hg.), Liber memorialis 1, Nr. 4a (erste Nennung des Arnold Voet, nicht datiert), danach Nr. 45 (1336/1337) bis Nr. 179 (1351).
  6. Kruse, Register, S. 4.
  7. Vgl. Ebeling (Hg.), Bürgerbuch, Nr. 1323. Das Jahr des Ratseintritts nach PUB 7, Nr. 4233 (1326), auch ebd. 8, Nr. 5151 (1334), 5251 (1335), ebd. 10, Nr. 5339 (1336) und öfter. Als Bürgermeister wird Arnold Voet bezeichnet in Schroeder (Hg.), Liber memorialis 1, Nr. 318 (1346). – Die Angaben zu Arnold Voet bei Brandenburg, Magistrat, S. 83 (Ratsmitglied seit 1334, Bürgermeister 1347) und StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 97–101, weichen teilweise ab von StA Stralsund, Hs. 364 (Dinnies, Stammtafeln 1), S. 9a–10.
  8. PUB 10, Nr. 5728 (1339 zu St. Nikolai); ebd., 11, Nr. 6232 (1344 zu St. Jürgen).
  9. Brandenburg, Magistrat, S. 79.
  10. Vgl. PUB 8, Nr. 5304. Leo Wikbern als Vater von Katharina auch in StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 100f.; StA Stralsund, Hs. 364 (Dinnies, Stammtafeln 1), S. 10.
  11. Nach StA Stralsund, Hs. 364 (Dinnies, Stammtafeln 1), S. 9a.
  12. PUB 5, Nr. 3402; dazu Weitzel, St. Nikolai, S. 133, 135, 139; Huyer, Nikolaikirche, S. 37 Nr. 34.
  13. Huyer, Nikolaikirche, S. 244 (Balken, gedeutet als Überrest der Kapellenabschrankung, dendrodatiert ins Jahr 1352 +/–10). Zur architektonischen Anlage der Kapelle vgl. ebd., S. 239–244.
  14. Nach Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 476.
  15. Weitzel, St. Nikolai, S. 140; Huyer, Nikolaikirche, S. 42 Nr. 71 (Regest von StA Stralsund, Testamente Nr. 215).

Nachweise

  1. PfA St. Nikolai, R 79, S. 416.
  2. StA Stralsund, Hs. 359 (Dinnies, Verzeichnis 1), S. 100.
  3. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 521 (A).
  4. Hagemeister, Nikolaikirche, S. 15 (A).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 22† (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0002206.