Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 20†? St. Jakobi 1351

Beschreibung

Pfeiler mit Wandmalerei. Schriftfeld, Original möglicherweise unter der aktuellen Farbschicht verborgen.1) Nach Haselberg war die Inschrift im südlichen Seitenschiff am dritten Pfeiler2) von Osten zwölfzeilig in schwarzer Farbe und Majuskeln auf Kalkputz gemalt, die oberste Zeile etwa 4 m über dem Kirchenfußboden. Neben der Inschrift ein rotes Weihekreuz in einem Kreis, unter der Inschrift aufgemalte Quaderfugen.3) Auf der Basis der Abbildung in der Stralsunder Zeitung (1933) ist eine buchstabengenaue Lesung der Zeilen 1–6 der Inschrift (ausgenommen die Zeilenanfänge) möglich; für die folgenden Zeilen ist der Inschriftenwortlaut, wie er in der Zeitung wiedergegeben wird, maßgeblich.

Inschrift nach Deißner.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Stralsunder Tageblatt [1/1]

  1. AN(N)O ˑ D(OMIN)I ˑ M ˑ CCC ˑ LI ˑ ‎/ QVARTA ˑ FE(R)IA ˑ ANTE ˑ D(OMI)NI‎/CAM ˑ PALMARVM ˑ D(OMI)N(V)S ˑ IO‎/ANNES ˑ EP(ISCOPV)S ˑ CAMINE(N)SIS ‎/ CONSECRAVIT ˑ HOC ˑ ALTA‎/RE IN HONORE ˑ S(AN)C(T)ORVM ˑ ‎/ AP(OSTO)LORVM ˑ SYMONIS ˑ ET ˑ ‎/ IVDE ˑ OLAVI ˑ REGIS ˑ ‎/ MARTIRIS ˑ SANCTARVM CATHARI(N)E MA(GD)ALENE ET DOROTEE MARTIR(VM) AMEN

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1351 am Mittwoch vor Palmsonntag (6. April) weihte Herr Johannes, Bischof von Cammin, diesen Altar zu Ehren der heiligen Apostel Simon und Judas und des Märtyrers König Olav und der heiligen Märtyrerinnen Katharina, Magdalena und Dorothea. Amen.

Kommentar

C und unziales E sind geschlossen. Weitere unziale und runde Formen sind H, symmetrisches, unten geschlossenes M sowie rundes N und T mit aufgesetzter Balkenschwellung. L weist einen gebogenen Schaft und einen ausgeprägten Balkensporn auf, der den Balken ersetzt. Die Abbildung der Inschrift lässt auch Bogen-, Schaft- und Balkenschwellungen erkennen.

Bischof Johannes I. von Cammin (1343–1370) war geborener Herzog von Sachsen-Lauenburg und Enkel des pommerschen Herzogs Wartislaw IV. Da Stralsund zum Bistum Schwerin gehörte, bedarf die Weihetätigkeit des Camminer Bischofs in der Stadt einer Erklärung. Die Weihe am 6. April 13514) ist wohl als spätes Resultat der Auseinandersetzungen um die Herrschaftsrechte der 1325 ausgestorbenen Fürsten von Rügen zu sehen, die auch das Patronat über die Stralsunder Kirchen innegehabt hatten (Rügischer Erbfolgestreit).5) Offiziell wurde dieser Konflikt 1348 beendet, als das Patronat dem Herzog von Pommern-Wolgast zugesprochen wurde. Dass es jedoch auch in den folgenden Jahren noch Nachwirkungen dieses Streits gab, belegen neben dieser Weiheinschrift von 1351 auch eine nicht genau datierbare Hochaltarweihe in St. Nikolai durch denselben Bischof6) sowie eine weitere Inschrift in St. Jakobi selbst (Kat.-Nr. 7).

Anmerkungen

  1. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Inschrift allerdings als „fast gänzlich vernichtet“ beschrieben (Berckenhagen, Wandmalereien, S. 56).
  2. Von der „Südseite an einem Pfeiler links vom Ratsstuhl“ als Anbringungsort der Inschrift spricht Deißner, ANO: DNI:; von einem Wandpfeiler Berckenhagen, Wandmalereien, S. 56.
  3. Angaben nach Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 401. Die Abbildung bei Markfort, Baugeschichte, S. 44, zeigt nicht die hier behandelte Inschrift in gotischer Majuskel, sondern die Minuskelinschrift Kat.-Nr. 7.
  4. Der Camminer Bischof und die beiden Pommernherzöge Barnim IV. und Bogislaw V. hielten sich auch am 27. Juni 1351 in Stralsund auf; vgl. Wehrmann, Bischof Johann I., S. 20f.
  5. Vgl. dazu allgemein Benl, Teilung 1368/72, S. 115f.
  6. Dazu Weitzel, St. Nikolai, S. 76f.; Huyer, Nikolaikirche, S. 54.

Nachweise

  1. Haselberg, Stadtkreis Stralsund, S. 401.
  2. Deißner, ANO: DNI:.
  3. Berckenhagen, Wandmalereien, S. 56.

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 20†? (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0002002.