Inschriftenkatalog: Stralsund

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 102: Inschriften Stadt Stralsund (2016)

Nr. 18 Stralsund Museum 1.H.14.Jh.

Beschreibung

Becher.1) Glas mit Email- und Goldbemalung. Gefunden 1993 im Holzfass einer Abfallgrube auf dem Grundstück Neuer Markt 7/8.2) Die vielen Bruchstücke ließen sich zu einem fast vollständigen Gefäß mit annähernd zylindrischer Wandung, leicht ausgestellter Lippe und hochgestochenem Boden zusammensetzen. Der Becher ist außen und innen mit palmettenartigen Ornamenten und großen kannelierten Gefäßen, die von knienden Jünglingen getragen werden, dekoriert. Die in goldenen Buchstaben auf den abwechselnd roten und blauen Untergrund gemalte Inschrift verläuft oberhalb des Bildfrieses, das Schriftband wird durch Linienbündel und Punktreihen begrenzt. Vor und nach dem Krückenkreuz, das den Anfang der Inschrift bezeichnet, sowie nach dem Meisternamen sieben, sechs und vier senkrecht angeordnete Punkte.

Maße: H. 15,2 cm, Dm. 8,4 cm (Fuß), 11,5 cm (Mündung). Bu. 0,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Jürgen Herold [1/4]

  1. + ˑ MAGISTER ˑ BATOLˑAMEUˑS ˑ FECIT ET EEa)

Übersetzung:

Meister Bartholomäus fertigte (diesen Becher) an und (...).

Kommentar

Verglichen mit anderen erhaltenen Gläsern dieser Zeit ist das Stralsunder Stück besonders gut erhalten und aufwändig dekoriert. Die darauf angebrachte Inschrift weist viele ornamentale Formen und Zierelemente auf, so neben Schaft- und Bogenverdoppelungen zahlreiche unziale und runde Buchstaben: E (meist geschlossen, einmal offen), G, M und U. Die Schäfte von I und T sowie der senkrechte Mittelteil des M sind mit Nodi versehen. Neben pseudounziales A mit gebrochenem Balken tritt ein geschlossenes F, C hingegen ist offen. Ein venezianischer, auf der Insel Murano tätiger Glasmaler Bartholomäus lässt sich zwischen 1290 und 1325 nachweisen.3) Mindestens ein weiterer, zwar weniger kunstvoller, aber ebenfalls von einem Magister Bartholomäus bemalter Becher befindet sich heute in London. Darauf, dass es sich bei dem Meister beider Becher um ein und dieselbe Person handelt, könnten Schriftähnlichkeiten hindeuten.4) Im Vergleich dazu ist der in Greifswald gefundene Glasbecher nicht nur in Bezug auf die Inschrift, sondern auch hinsichtlich der Ornamentik einfacher gestaltet.5) Das Stralsunder Grundstück Neuer Markt 7/8 war im 14. Jahrhundert im Besitz der Gewandschneider-Familie Stenhagen.6)

Textkritischer Apparat

  1. EE] Bedeutung unklar. Gedeutet als Kürzung für eius ergasterium (‚seine Werkstatt‘) bei Möller. Diese Interpretation entspricht jedoch nicht dem Formular mittelalterlicher Meisterinschriften, die sich auf die Nennung individueller Namen beschränken.

Anmerkungen

  1. Stralsund Museum, Inv.-Nr. HST 17.
  2. Dazu Möller, Glasbecher, S. 215.
  3. Möller, Glasbecher, S. 223.
  4. Vgl. Baumgartner, in: Kat. Phönix, Nr. 76 S. 131f. (pseudounziales A, symmetrisches unziales M, rundes U, T mit langen Sporen), aber wohl auch Nr. 75 S. 130f. (Betonung von Schäften und Bögen durch einen weiteren Strich); zu beiden Bechern findet sich die Angabe „Europa (Murano?), spätes 13. Jh./frühes 14. Jh.“
  5. Vgl. dazu DI 77 (Greifswald), Nr. 8.
  6. Möller, Luxus, S. 303.

Nachweise

  1. Gebrannte Größe, Maritime Macht, S. 42 mit Abb. 34.
  2. Möller, Glasbecher, S. 219 mit Abb. 3f.
  3. Herre (Hg.), Stralsund, S. 107 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 102, Inschriften Stadt Stralsund, Nr. 18 (Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di102g018k0001802.