Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 459† St. Johannis 1571

Beschreibung

Epitaph für Hieronymus Witzendorff und seine Ehefrau Anna Stöterogge. Es befand sich in der Witzendorff-Kapelle südlich des Turms.1) Die Beschreibung des Epitaphs bei Gebhardi lautet: Es ist gantz von Stein. Auf 2 Säulen ruhet ein Gebalke, auf welchen W. mit seiner Frau vor einem Crucifixe knien, an der Wand ist Luneburg vom Sultzthor ab halb erhoben gehauen. Neben ihn sind 2 anderen Säulen und dahinter zwei trauernde Genii, darüber ist ein Dictum biblicum auf einer Tafel, zu deren Seiten eine trauernde Frau und die Hofnung sitzen, über der Tafel ist ein neues Gruppe von der Ausspeiung des Jonas. Zu den Seiten ist Libertas und Religio und darüber der Heiland mit der Siegesfahne. Die Inschrift ist wie die übrigen in Büttners Genealogien der Patricien. Dieses Tombeau ist gut gearbeitet und fast so hoch wie die Kirche.2)

Inschriften nach Büttner.3)

  1. A

    Christo Sospitatori S(acrum)

  2. B

    Hieronymo Witzendorffio Viro optimo Libertatis Germaniae et repurgatae religionis assertori et hinc a praestantissimis seculi sui ingeniis ad omnem posteritatis memoriam commendato qvi natus A(nno) C(hristi) MCCCCXCIII V Julij Patre Johanne Wizendorfio Senatorii ordinis Viro Putei Salinaris Magistro et Ilsabe Langen Senator ipse lectus A(nno) C(hristi) MDXVII Consul MDXXXIII obiit . A(nno) C(hristi) MDLVI VIII Junii aetatis LXIII

  3. C

    et Annae Stotteroggen Pietate atque omnibus matronalibus virtutibus praestanti foeminae quae nata A(nno) C(hristi) MCCCCXCIV XX May Patre Hartwico Stoteroggen Co(n)s(ule) et Margareta Stoketo Nupta A(nno) C(hristi) MDXIII peperit Elisabetham Franciscum Co(n)s(ulem) Johannem et Hartwicum Obiit A(nno) C(hristi) MDLXXI VIII August Vidit ille ex omnibus liberis nepotes haec et pronepotes Utriusque anima sit in benedictione Filii et Nepotes haec Parentibus Avisque venerandis in spem futurae resurrectionis P(oni) P(roviderunt)

Übersetzung:

Christus, dem Retter, geweiht. (A) Für Hieronymus Witzendorff, den vortrefflichen Mann, den Verteidiger der Freiheit des Deutschen Reichs und des wieder bereinigten Glaubens und für den deshalb von den hervorragendsten Geistern seiner Zeit zur uneingeschränkten Erinnerung der Nachwelt Empfohlenen, der im Jahr Christi 1493 am 5. Juli geboren wurde als Sohn des Johannes Witzendorff, eines Mannes aus dem Ratsherrenstand und Sodmeisters der Saline, und der Ilsabe Lange, selbst zum Ratsherrn im Jahr Christi 1517, zum Bürgermeister 1533 gewählt wurde und im Jahr Christi 1556 am 8. Juni im 63. Lebensjahr starb, (B) ... und für Anna Stöterogge, eine durch Frömmigkeit und alle weiblichen Tugenden hervorragende Frau, die im Jahr Christi 1494 am 20. Mai geboren wurde als Tochter des Bürgermeisters Hartwig Stöterogge und der Margaretha Stoketo, im Jahr Christi 1513 heiratete, Elisabeth, Franz, den Bürgermeister, Johannes und Hartwig gebar und im Jahr Christi 1571 am 8. August starb. Jener hat von allen seinen Kindern Enkel gesehen, diese sogar Urenkel. Beider Seelen mögen gesegnet sein. Die Söhne und Enkel haben dies für ihre ehrwürdigen Eltern und Großeltern in der Hoffnung auf die zukünftige Wiederauferstehung setzen lassen. (C)

Kommentar

Die Inschriften A und B enthalten die wesentlichen Lebensdaten des Hieronymus Witzendorff und seiner Ehefrau Anna Stöterogge (vgl. a. deren Grabplatte Nr. 460). Hieronymus I. Witzendorff, Sohn des Ratsherrn Hans Witzendorff und der Ilsabe Lange (vgl. Nr. 263), immatrikulierte sich am 24. Oktober 1507 zusammen mit Heinrich Witick (vgl. Nr. 98) und Ludolph Semmelbecker (vgl. Nr. 392) an der Universität Rostock.4) Nach Büttner heiratete er im Jahr 1513 Anna Stöterogge, ist bereits seit 1514 als Sülfmeister nachweisbar und wurde im Alter von nur 24 Jahren 1517 in den Rat gewählt.5) Kurz nach der Einführung der Reformation in Lüneburg wurde Hieronymus Witzendorff, der der lutherischen Lehre offenbar schon sehr früh zugeneigt war und später – wie auch in Inschrift B hervorgehoben – als entschiedener Verfechter der Reformation mit engem Kontakt nach Wittenberg galt,6) zum Bürgermeister gewählt. Testamentarisch stiftete er das – heute verschollene – Große Gießbecken für das Ratssilber (vgl. Nr. 387), auf dem in szenischen Darstellungen römischer Helden wie auch in einer Inschrift der Wert der Freiheit betont wird, als deren Verteidiger die Inschrift B den Lüneburger Bürgermeister rühmt.

Anmerkungen

  1. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 70. Zu der Kapelle vgl. Nr. 129.
  2. Gebhardi, Collectanea, Bd. 1, p. 496.
  3. Für Hieronymus Witzendorff und Anna Stöterogge sind auch jeweils zwei von Lucas Lossius und Nathan Chyträus verfasste literarische Versgrabschriften überliefert, vgl. Anhang 2.
  4. Matrikel Rostock, Bd. 2, S. 31.
  5. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Witzendorff I. Vgl. a. Stahl, Ratslinie, Nr. 259, S. 177.
  6. Vgl. hierzu: Hans-Jürgen von Witzendorff, Ein Briefwechsel vor 400 Jahren. In: Norddeutsche Familienkunde, Bd. 1, 1952, Heft 5, S. 105–107. Vgl a. Heintzmann, Holzbalken, S. 104, u. Fabricius, Kontroversen, S. 142f.

Nachweise

  1. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Witzendorff I.
  2. Sagittarius, Historia Ex. Göttingen, p. 373f. (B).
  3. Sagittarius, Historia, Ex. Hannover, p. 297 §94 (B).
  4. Alpers, Garlopenhäuser, S. 69f. (nach Büttner, nur B).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 459† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0045906.