Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 332† St. Johannis 1539

Beschreibung

Epitaph des Leonhard Töbing. Die Grabschrift steht bei Lossius unter den als inschriftlich ausgeführt gekennzeichneten Versgrabschriften von St. Johannis.

Inschrift nach Lossius.

  1. Gloria primatuma) Tobing Leonardus auitumPatritia duxit nobile stemma tribuLuneburgensis quondam clarißimus vrbisAssertor magno cultus honore fuitBis tria qui celebris per lustra Senator adauxitPublica non tenui commoditate bonaConsul perpetuos octo bis circiter annosEmeruit virtus quod iubetb) alma viriPacis amans sanoc) conaminad) multa repreßitConsilio vulgi seditiosa trucisPro libertatis studio cum plurima tandemFecisset clarum fata tulere virumInteritum cuius Respublica fleuit eodemFunere cognoscite) quae bona rapta sibiImmortalis erat qua parte receptus in astraQua fragilis cubat hac sarcina carnis humo

Übersetzung:

Leonhard Töbing, Ruhm seiner angesehenen alten Vorfahren, leitete seine edle Abstammung her aus einem patrizischen Geschlecht. Er war einst ein sehr berühmter Verteidiger der Stadt Lüneburg und stand in hohem Ansehen. Er vermehrte als gefeierter Ratsherr durch 15 Jahre zu nicht unbeträchtlichem Vorteil die öffentlichen Güter und machte sich über etwa 16 Jahre ununterbrochen als Bürgermeister verdient, was ihm seine fördernde Tatkraft gebot. Als ein friedliebender Mann hat er mit vernünftiger Entschiedenheit viele Umsturzversuche des rohen Volkes unterdrückt. Nachdem er in seinem Eifer für die Freiheit vieles vollbracht hatte, raffte der Tod diesen bedeutenden Mann hinweg. Sein Hinscheiden beweinte die Stadt und erkannte schon bei seiner Bestattung, welch ein kostbares Gut ihr genommen war. Mit dem Teil, in dem er unsterblich war, ist er in den Himmel aufgenommen, die Last seines Fleisches, worin er sterblich war, ruht hier in der Erde.

Versmaß: Elegische Distichen.

Kommentar

Leonhard I. Töbing war der Sohn des Barmeisters Hans IV. Töbing und der Elisabeth Lange. Seit 1501 ist er als Sülfmeister nachweisbar, seit 1515 als Sodmeister.1) Im Jahr 1509 wurde er in den Rat gewählt, 1526 zum Bürgermeister. Als regierender Bürgermeister amtierte er letztmalig im Jahr seines Todes 1539.2) Verheiratet war er in erster Ehe mit Rickel Tzerstede, in zweiter Ehe mit Gesche Schomaker. Leonhard Töbing stiftete 1523 eine Memorie für sich und seine Eltern, an der der Inhaber einer Vikarie am Leonhardi-Altar in St. Johannis teilnehmen sollte.3) Diese Vikarie war 1516 von seiner verwitweten Mutter gestiftet worden; das Patronatsrecht war an Leonhard Töbing übergegangen.4)

Für Leonhard Töbing ist auch noch eine weitere – nicht inschriftlich ausgeführte – Versgrabschrift überliefert, die Lucas Lossius verfasst hat.5) Es ist nicht auszuschließen, dass auch die Inschrift des Epitaphs in St. Johannis von Lossius stammte. Die Verse zeichnen sich durch übertriebenes Pathos aus und dramatisieren die Vorgänge um die Durchführung der Reformation in Lüneburg, da von Umsturzversuchen in der Stadt während der Amtszeit von Leonhard Töbing nicht die Rede sein kann. Die abwertende Bezeichnung der einfachen Bürger als vulgus trux konnte wohl auch im 16. Jahrhundert nur als patrizische Überheblichkeit verstanden werden. Als regierender Bürgermeister fungierte Leonhard Töbing in sieben seiner insgesamt 14 Amtsjahre.6)

Textkritischer Apparat

  1. Pumatum Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg; Reinbeck.
  2. iubar alle Überlieferungen.
  3. sacro alle anderen Überlieferungen.
  4. conanime alle Überlieferungen.
  5. So bei Reinbeck. cognoscet Lossius u. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover; cognossit Ex. Lüneburg; cognoscens Ex. Göttingen.

Anmerkungen

  1. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing IV.
  2. Stahl, Ratslinie, Nr. 251, S. 176.
  3. StA Lüneburg, UA c: 1523 Februar 23.
  4. Matthaei, Vikariestiftungen, S. 178.
  5. Lossius, Epitaphia aliquot virorum, [p. 34f.].
  6. Stahl, Ratslinie, Nr. 251, S. 176.

Nachweise

  1. Lossius, Epitaphia Principum, S. 56f.
  2. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Hannover, p. 323f.
  3. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Göttingen, p. 182.
  4. Rikemann, Beschrivinge, Ex. Lüneburg, fol. 194v.
  5. Reinbeck, Chronik, p. 629.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 332† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0033208.