Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 863 St. Johannis 1621

Beschreibung

Epitaph des Hieronymus Töbing und seiner Ehefrau Elisabeth von Dassel. Stein, teilweise farbig gefasst. Das vielteilige Epitaph hängt an der Westwand des inneren nördlichen Seitenschiffs. Es wirkt durch drei untereinander angebrachte Schrifttafeln unterhalb eines breiten Gesimses, das die obere von der unteren Hälfte abteilt, eigenartig unproportioniert. Im oberen Teil von Säulen gerahmt ein Rundbogenfeld mit einem Relief der Auferstehung, als äußerer seitlicher Abschluss Rollwerk. Darüber vor dem Gesims in der Mitte ein Vollwappen – wohl der einzig erhaltene Rest mehrerer Wappen –, als oberer Abschluss im Medaillon von einem Strahlenkranz umgeben das erhaben gehauene und schwarz gefasste Tetragramm A, um das Medaillon herum Rollwerk, auf dem seitlich zwei Pelikane sitzen, oben fehlt eine bekrönende Figur. Im unteren Teil jeweils zwischen reich verzierten Konsolen drei Schrifttafeln mit in Gold gefassten, erhaben gehauenen Inschriften auf schwarzem Grund: oben eine querrechteckige Schrifttafel mit der Inschrift B, darunter eine quadratische Schrifttafel mit der Inschrift C, unten eine querrechteckige Schrifttafel mit der Inschrift D.

Maße: H.: 216 cm; B.: 92 cm; Bu.: 7 cm (A), 1,5 cm (B), 1,7 cm (C), 1,3 cm (D).

Schriftart(en): Hebräisch (A), humanistische Minuskel mit Kapitalis (B–D).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/3]

  1. A

    יהוה

  2. B

    IOHAN: XI· / Ego sum Resurrectio et vita, qui credit in me etiamsi / mortuus fuerit vivet. Et omnis qui vivit et cre:/dit in me, non morietur in aeternum.1)

  3. C

    DEO OPT(IMO) MAX(IMO) ET MEMORIAE. S(ACRUM) / VIRI AMplissiMi, piissimi, prudentissiMi. / D(OMI)NI HIERONYMI TOBINGII, / Consulis Reipub(licae) Luneburgensis dignissimi, / Qui natus An(n)o MDXXXVII, patre Meinhardo / Tobingio. Senatore prudentissimo, matre vero BARBARA / VISCULEN, lectissima foemina, in Senatorium Ordinem / Cooptatus est AN(N)O M DLXXIX · Hinc ad consulatum / Vocatus AN(N)O M DXCIX, eum summa fide, prudentioa) / ac vitae integritate gessit ad Annum usq(ue) M DCXII / Qui illi mortalis vitae finem, immortalis initium attu/lit, / postquam An(n)os LXXV, menses II dies XII sum:/ma virtute et pietate in Deum compleverat ·

  4. D

    HUIUS ossA, quod supremum munus parenti / optime merito praestare potuerunt ·/ LIBERI SUPERSTITES · / Hoc in loco cum castissimab) conjuge ELISABETHA / A DASSEL, quicum ad Annos XXXVIII / tranquillissime vixit, luctu et moerore pleni / composuere, atq(ue) adeo magni viri memoriam / exiguo hoc monumento posteritati commen/dare voluerunt Anno Reparatae / salutis M DC XXIc) ·

Übersetzung:

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. (B) Dem höchsten und größten Gott geweiht und zum Andenken an den hochangesehenen, sehr frommen und überaus verständigen Mann, Herrn Hieronymus Töbing, den sehr würdigen Bürgermeister der Stadt Lüneburg, der im Jahr 1537 als Sohn des überaus verständigen Ratsherrn Meinhard Töbing und der Barbara Viskule, einer musterhaften Frau, geboren wurde, im Jahr 1579 in den Ratsherrenstand gewählt wurde, von da im Jahr 1599 in das Bürgermeisteramt gerufen wurde, dieses mit höchster Zuverlässigkeit, Klugheit und Unbescholtenheit des Lebenswandels führte bis zum Jahr 1612, das ihm das Ende seines sterblichen Lebens und den Anfang seines unsterblichen (Lebens) brachte, nachdem er 75 Jahre, zwei Monate und 12 Tage mit höchster Tugendhaftigkeit und Treue zu Gott erfüllt hatte. (C) Seine Gebeine haben als letzten Dienst, den sie dem sehr verdienten Vater leisten konnten, die hinterbliebenen Kinder an dieser Stelle mit der sehr züchtigen Ehefrau Elisabeth von Dassel, mit der er 38 Jahre sehr friedlich zusammengelebt hat, voll Trauer und Wehmut zusammen bestattet und das Andenken an einen so großen Mann mit diesem unbedeutenden Denkmal der Nachwelt übergeben wollen im Jahr des wiederhergestellten Heils 1621. (D)

Wappen:
Dassel2)

Kommentar

Die sehr unregelmäßige humanistische Minuskel, deren unruhiges Schriftbild durch den Wechsel von Kapitalis und humanistischer Minuskel noch verstärkt wird, ist überwiegend rechtsgeneigt und zeigt als besonderes Merkmal r, das aus zwei kleinen übereinandergesetzten gegenläufigen Bögen besteht. Die schlanken hohen Buchstaben mit stumpfen Schaftenden ähneln sehr den Inschriften in humanistischer Minuskel auf dem Epitaph Witzendorff von 1617 (Nr. 854). Es ist daher zu vermuten, dass beide Epitaphien aus derselben – unbekannten – Werkstatt stammen.

Hieronymus Töbing wurde 1579 in den Rat gewählt, 1599 zum Bürgermeister3) und ist seit 1604 als Sülfmeister nachweisbar.4) Elisabeth von Dassel war die Tochter des Christoph von Dassel und der Anna Kroger und eine Schwester Ludolphs von Dassel (vgl. Nr. 804).5) Sie wurde 1541 geboren und heiratete 1574 Hieronymus Töbing. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Textkritischer Apparat

  1. Irrtümlich anstelle von prudentia.
  2. charissima Büttner.
  3. MDCXXII Büttner.

Anmerkungen

  1. Io. 11,25.
  2. Wappen Dassel (Balken, daraus nach oben zwei Efeublätter, nach unten ein Efeublatt hervorwachsend). Vgl. Büttner, Genealogiae.
  3. Stahl, Ratslinie, Nr. 311, S. 183f.
  4. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing V.
  5. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Dassel II.

Nachweise

  1. Büttner, Genealogiae, Stammtafel Töbing V (C, D).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 863 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0086307.