Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 689† St. Johannis, Friedhof 1600

Beschreibung

Grabplatte des Hinrich Kroger und seiner Ehefrauen Anna Dithmers und Anna Koch. Vermutlich befand sich der neben der Grabplatte des Klaus Ruter liegende Stein (Nr. 48) vor der Westwand der Kirche.

Inschriften nach Rikemann.

  1. A

    Anno 1548 Den 7 Januarÿ starff Anna Dithmers

  2. B

    Anno 1600 Den 26 Nouemb(ris) starff Anna Krogers

  3. C

    Anno 1590 Den 12 Februarÿ starff H(inrich) K(rogers)

  4. D

    Henricus Februi duodecima luce Crugerusoppeto bina sacros coniugat Anna torosa)Dithmaris orbe prior septeno expirat JaniUt peperit iusti pignora quinque iugib)Bis quinto in partu genitrix pia Coccia et unoSena ac vigena luce Novembris obitc)

Übersetzung:

Ich, Hinrich Kroger, starb am 12. Tag des Februar. Zwei Annen teilten mit mir das heilige Ehebett, die (Anna) aus (der Familie) Dithmers, die früher auf der Welt lebte, starb am 7. Januar, als sie fünf Kinder (als Unterpfand) der gesetzmäßigen Ehe geboren hatte. Die fromme Mutter von 11 Kindern (zur Übersetzung vgl. Kommentar), (Anna) Koch, starb am 26. Tag des November. (D)

Versmaß: Elegische Distichen (D), drei Chronodistichen mit den Jahreszahlen 1590, 1548 und 1600.

Kommentar

Die wohl in Kapitalis ausgeführte Versinschrift D ist insgesamt problematisch und etwas unglücklich verklausuliert verfasst, um die für die Chronodistichen notwendigen Zahlbuchstaben unterzubringen, die Rikemann nicht erkannt hat und daher auch nicht hervorhebt. Die für das letzte Distichon naheliegende Übersetzung „starb bei der Geburt des elften Kindes (im Kindbett)“ kommt schon aufgrund des nachweislich hohen Alters der Eheleute bei ihrem Tod nicht in Frage, erst recht jedoch, wenn man die von Rikemann überlieferten und in den Chronodistichen enthaltenen Todesdaten – 1590 für Hinrich Kroger und 1600 für seine zweite Ehefrau Anna Koch – betrachtet.

Hinrich Kroger, der seinem 1584 abgefassten Testament zufolge aus Briesen im Kirchspiel Neuenkirchen (Schleswig-Holstein) stammte,1) erwarb im Jahr 1538 die Lüneburger Bürgerschaft.2) Geboren wurde er seiner Altersangabe auf einem Gemälde (Nr. 476) zufolge um das Jahr 1508. In erster Ehe war er seit 1539 mit Anna Dithmers, der Witwe des Cord Kule, verheiratet,3) die der Inschrift A zufolge bereits 1548 starb, in zweiter Ehe mit Anna Koch, der Tochter des Jurgen Koch, die der Gemäldeinschrift zufolge um 1529 geboren wurde. Hinrich Kroger ist trotz der Abfassung seiner testamentarischen Verfügungen in den Jahren 1579 und 1584 im Juli 1585 noch archivalisch zu belegen, als er für 4000 Mark eine Rente erwarb, im Jahr 1586 fügte er seinem bereits 1584 abgefassten Testament einen Nachsatz hinzu.4) Da er nach den Inschriften seiner Grabplatte erst im Jahr 1590 starb, was sich anhand der Lüneburger Schossregister erhärten lässt,5) muss er den inschriftlich auf 1585 datierten Doppelpokal des Ratssilbers Nr. 558 noch zu seinen Lebzeiten gestiftet haben und damit seiner entsprechenden testamentarischen Verfügung von 1584, wonach für 300 Mark ein Kleinod für das Ratssilber gefertigt werden sollte, quasi zuvorgekommen sein und diese unwirksam gemacht haben.

Hinrich Kroger war den Archivalien und seinen zahlreichen Stiftungen zufolge einer der vermögendsten Lüneburger Bürger seiner Zeit, ohne einer der patrizischen Familien anzugehören oder in diese hineingeheiratet zu haben, und zugleich wohl auch einer der kinderreichsten Bürger. Als großzügigen Stifter nennen ihn die Inschriften des Doppelpokals (Nr. 558) und eines Kronleuchters in St. Johannis (Nr. 559); in der Kirche St. Marien, deren Neubau Hinrich Kroger mit 100 Mark unterstützt hatte, gab es eine neuve finsterlucht, also ein neues Fenster, in dem man die – vermutlich ebenfalls mit Inschriften versehenen – Wappen Krogers und seiner beiden Ehefrauen betrachten konnte. Seine Erben verpflichtete er testamentarisch, diese Scheiben auch weiterhin in gutem Zustand zu erhalten und wenn nötig reparieren zu lassen. Die anderen Lüneburger Kirchen sollten nach Krogers Tod Zuwendungen für Baumaßnahmen erhalten: St. Johannis und St. Michaelis jeweils 100 Mark, St. Lamberti 50 Mark. Im Jahr 1578 schenkte Hinrich Kroger der Stadt Lüneburg drei gerade erschienene Bücher des Paulus Jovius, die in den Bestand der Ratsbücherei eingegliedert wurden.6)

Hinrich Kroger besaß in Lüneburg zahlreiche Häuser (vgl. Nr. 465 Grapengießerstr. 12 u. A1,44 Am Sande 47).7) Sein Vermögen dürfte er im Handel erworben haben, auch wenn darüber nichts Genaueres bekannt ist. Schon im März 1579 traf Hinrich Kroger erste Vorkehrungen, damit sein großes Vermögen nach seinem Tod einer sinnvollen Verwendung zugeführt wurde. Im Hinblick auf seine zahlreichen Kinder und Enkelkinder ist es naheliegend, dass er sich um deren Ausbildung sorgte. Daher setzte er die beträchtliche Summe von 8000 Mark aus, um Stipendien für seine Nachkommen zu begründen, denen freigestellt wurde, je nach Begabung zu studieren oder eine andere vernünftige Ausbildung zu machen. Auf alle Fälle sollten sie jedoch einen gründlichen Unterricht erhalten, damit sie zimlichermassen decliniren, coniugiren und ein lateinisch pergament schreiben konnen. Hinrich Kroger verfügte, dass die Empfänger der Stipendien, sofern sie begabt genug waren, mit 18 Jahren an eine Universität geschickt werden sollten, und sah für ein Studium sechs bis acht Jahre vor.8) Seinem Testament von 1584 ist zu entnehmen, dass jedes der Kinder 1000 Mark erhielt oder bereits als Mitgift erhalten hatte. Darüber hinaus erhielten sie weitere Zuwendungen. So erbten die Söhne Christoph und Daniel das Haus Grapengießerstr. 12 (vgl. Nr. 465) und einen Garten vor dem Roten Tor, sein Sohn Jürgen (vgl. Nr. 646) erbte ein Brau- und Backhaus in der Salzbrücker Str. 5–7.9) Die Grabplatte auf dem Friedhof von St. Johannis ließ Hinrich Kroger schon im Jahr 1576 legen und bezahlte dafür 10 Mark.10)

Textkritischer Apparat

  1. Als Chronodistichon: HenRICVs FebrVI dVodeCIMa LVCe CrVgerVs / oppeto bIna saCros conIVgat Anna toros. Die beiden d oder das m können in die Zählung nicht mit einbezogen werden.
  2. Als Chronodistichon: DIthMarIs orbe prIor septeno eXpIrat IanI / Vt peperIt IVstI pIgnora qVInqVe IVgI.
  3. Als Chronodistichon: BIs qVInto In partV genItrIX pIa CoCCIa et Vno / Sena aC VIgena LVCe NoVeMbrIs obIt.

Anmerkungen

  1. StA Lüneburg, AA P3cK Nr. 1a (Abschrift des Testaments vom 23. April 1584).
  2. StA Lüneburg, AB 2 (Donat), p. 96.
  3. StA Lüneburg AB 962, fol. 13v, u. Hein, Genealogie, Bd. 1, S. 241.
  4. StA Lüneburg, UA a1: 1579 März 31. StA Lüneburg, UA b: 1585 Juli 1. StA Lüneburg, AA P3cK Nr. 1a (Abschrift des Testaments vom 23. April 1584 bzw. 4. Juni 1586).
  5. StA Lüneburg, AB 73/45/46.
  6. StA Lüneburg, AA S10m10, Nr. 1 (Katalog Büttner), Repositorium J, Loculus 4: Vitae illustrium virorum, 1578; Elogia virorum literis illustrium, 1577; Elogia virorum bellica virtute illustrium, 1575.
  7. Brandt, Personenkartei, Kröger Heinrich. Brandt verzeichnet im (vorübergehenden) Besitz des Hinrich Kroger die Häuser Untere Schrangenstr. 12, Salzbrücker Str. 5–7, Kleine Bäckerstr. 17, Grapengießerstr. 12, Grapengießerstr. 18, Auf der Altstadt/Ecke Neue Straße, Auf der Altstadt 29 sowie eine Bude Kuhstr. 3.
  8. StA Lüneburg, UA a1: 1579 März 31.
  9. StA Lüneburg, AA P3cK Nr. 1a (Abschrift des Testaments vom 23. April 1584).
  10. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,3, fol. 70v.

Nachweise

  1. Rikemann, Libellus, fol. 24v.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 689† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0068909.