Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 606 Große Bäckerstr. 24 1591

Beschreibung

Schwellbalken am Hofflügel.1) Fachwerk auf massivem Untergeschoss. Auf der Traufenseite vorkragendes Obergeschoss mit Fächerrosetten auf den aus Ständern und Ständerstützen gebildeten dreieckigen Feldern, auf dem Schwellbalken darunter die Inschrift erhaben in vertiefter Zeile, die einen Bruch aufweist (vgl. Kommentar).

Maße: Bu.: 16 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. WOL GODT VERTRVWET. DE HAT WOL GEBVWET2)//RT HE GEVEN VTH GNADENa) DE SEGE(N) DES HENRNb) MAKET · RIKE ANE MOGE.c)3) KARKEN GANDT SVMET NICHT ALMISSEN GEVEN ARMET NICH4) 1591

Übersetzung:

Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut. ... wird er aus Gnade geben. Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe.

Versäumt es nicht, in die Kirche zu gehen. Almosen geben macht nicht arm.

Versmaß: Deutscher Reimvers (Zeile 1 u. 2).

Kommentar

In den beiden Dreiecksfeldern über der Schnittkante in der Inschrift keine Fächerrosette wie sonst, sondern links gerade Ornamentstreifen und rechts eine Weinranke. Die Buchstaben sind in einer sehr sorgfältig geschnitzten Kapitalis mit ausgeprägten Sporen an den Buchstabenenden geschnitzt, der Mittelbalken des E ist abgeschrägt, die Cauda des G senkrecht angesetzt mit waagerecht umgebrochenen und abgeschrägtem oberen Ende, A und H mit breitem Mittelbalken, die S mit verstärktem Mittelteil. Die Inschriften stimmen inhaltlich in weiten Teilen überein mit den Inschriften am Hinterhaus Grapengießerstr. 12 (vgl. Nr. 465), die jedoch einfacher ausgeführt sind.

Den Bruch in der Inschrift erklären Krüger/Reinecke damit, dass es sich um Inschriften aus zwei verschiedenen Bauphasen handelt.5) Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich, denn die markante Schrift beider Inschriftenteile ist identisch ebenso wie der niederdeutsche Sprachstand. Eher scheint es so, als habe man hier zwei Inschriften, die ursprünglich an zwei Geschossen angebracht waren oder angebracht werden sollten, unter Verkürzung des einen Inschriftenteils in einem Geschoss hintereinander verbaut. Dabei ging wohl ein größerer Teil des Texts verloren, dessen Ende sich so nicht als Bibelzitat nachweisen lässt. Es dürfte sich um eine Sentenz gemäß dem protestantischen Kernsatz sola gratia gehandelt haben, die inhaltlich zu dem folgenden Bibelzitat Spr. 10,22 passte.

Textkritischer Apparat

  1. RT HE GEVEN VT GNADEN fehlt bei Mithoff.
  2. So irrtümlich ausgeführt. HEREN Mithoff.
  3. MOIHE Mithoff.

Anmerkungen

  1. Mein Dank gilt Herrn Friedrich Nesemann, der mir freundlicherweise Zutritt zu seinem Haus gewährt hat.
  2. Wander, Sprichwörter-Lexikon, Bd. 2, Sp. 90, Nr. 2200.
  3. Spr. 10,22.
  4. Vgl. Wander, Sprichwörter-Lexikon, Bd. 2, Sp. 1346; DWB, Bd. 1, Sp. 558 (beide auch zur Übersetzung des Verbs armen, die durch die bei Wander angeführte italienische und französische Version des Sprichworts eindeutig belegt ist).
  5. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 385.

Nachweise

  1. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 385.
  2. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 203 (unvollständig).
  3. Vollborn, Fachwerk, S. 84 u. 147 (nach Krüger/Reinecke).
  4. Böker, Baudenkmale Lüneburg, Abb. S. 402.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 606 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0060607.