Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 596† St. Johannis vor 1590

Beschreibung

Acht Gemälde. Sie hingen nach der Lokalisierung bei Witzendorff vermutlich im Westen der Kirche beginnend beim Ausgang der südlichen Turmseitenkapellen (Töbing/Witzendorff) und endeten über der Kapelle der Familie Dassel auf der Nordseite. Es handelte sich um die folgenden Bildinhalte: die Kreuztragung mit der Inschrift A, die Auferstehung mit der Inschrift B, die Himmelfahrt mit der Inschrift C darüber, darunter die Inschrift D, die Verkündigung an Zacharias mit der Inschrift E, die Heimsuchung der Elisabeth durch Maria mit der Inschrift F, die Beschneidung des Johannes mit der Inschrift G, der Tod des Johannes mit einer unleserlichen Inschrift sowie die Ausgießung des Heiligen Geistes mit der Inschrift H. In der Szene der Himmelfahrt waren nach Witzendorff anstelle der Apostel die zwölf Lüneburger Pastoren abgebildet, die zur Zeit der Ausführung des Gemäldes amtierten (vgl. Kommentar) und auf die die Inschrift C bezogen ist.

Inschriften nach Witzendorff.

  1. A

    Exit ut ad mortem dux vitae ligna salutisPortat Nam in ligno est praevaricatus AdamAlter Adam alterius pendens de stipite ligniCoelestis vitae gaudia restituitSanctae Christe crucis vexillifer inclyte salveEt tua da semper sancta trophaea sequi

  2. B

    En redit in vitam superato funere ChristusTertia cum terris vix foret orta diesEt nos in vitam secum de morte retraxitDic mihi quid lucri mors violenta refers

  3. C

    Sacram doctrinam concordi mente docebantEffigies quorum conspicienda datur

  4. D

    Quid Galilaei homines nitidum spectatis OlympumNube serenata quomodo Christus abitVisibilis superas ille ut migravit ad aurasSic veniet iudex rursus ab axe poliActor 1a)

  5. E

    Zachariae Gabriel Baptistae nunciat ortumNon credens genitor desinit ore loqui

  6. F

    Visitat Elisabeth cognatam Virgo MariaNon synodus toto sanctior orbe fuit

  7. G

    Filius est natus solvuntur vincula linguaeIamque parens animo laudat et ore Deum

  8. H

    Pneuma sacrum sumunt vario sermone loquunturEt Christum forti praedicat ore PetrusPectora compuncti tria millia credere ChristoIncipiunt precibus se pia turba iuvatActor 2b)

Übersetzung:

Als er hinausgeht zum Sterben, der Herrscher des Lebens, trägt er den Baum des Heils, denn an einem Baum hat Adam gefrevelt. Als zweiter Adam an dem Stamm des anderen Baumes hängend stellt er die Freuden des himmlischen Lebens wieder her. Christus, ruhmreicher Träger des heiligen Kreuzes, sei gegrüßt und gib, dass wir immer deinen Siegeszeichen folgen. (A) Siehe, Christus kehrt zum Leben zurück, nachdem er den Tod überwunden hat, als der Erde kaum der dritte Tag begonnen hatte. Auch uns zog er mit sich vom Tod ins Leben zurück. Sag mir, was du für einen Gewinn davonträgst, grausamer Tod. (B) Die heilige Lehre lehrten sie in einträchtigem Geist, deren Bildnis (hier) zu sehen ist. (C) Was betrachtet ihr Männer aus Galiläa den strahlenden Himmel? So wie Christus in einer hellen Wolke entschwunden ist, wie er sichtbar in den Himmel aufgestiegen ist, so wird er als Richter wieder vom Himmelsgewölbe kommen. (D) Gabriel verkündet Zacharias die Geburt des Täufers. Weil er es nicht glaubt, hört der Vater auf zu reden. (E) Die Jungfrau Maria besucht ihre Verwandte Elisabeth, keine Zusammenkunft in der ganzen Welt ist heiliger gewesen. (F) Der Sohn ist geboren, die Fesseln der Zunge werden gelöst. Und jetzt lobt der Vater Gott mit Herz und Mund. (G) Sie empfangen den heiligen Geist und reden in verschiedenen Sprachen, und Petrus predigt mit kräftiger Rede von Christus. Dreitausend Seelen beginnen zerknirscht, an Christus zu glauben und die fromme Schar erfreut sich an ihren Gebeten. (H)

Versmaß: Elegische Distichen (A–H).

Kommentar

Bei den in der Szene der Himmelfahrt dargestellten Pastoren handelte es sich um Johannes Danckwers (St. Johannis, † 1617), Paul Calenius (St. Lamberti, † 1594, Nr. 629), Hieronymus Henninges (St. Johannis, † 1597, Nr. 436 u. 665), Friedrich Dedekind (St. Michaelis, † 1598), Caspar Gödemann (Superintendent, † 1603, Nr. 538), Hermann Wassmann (St. Michaelis, † 1591), Hiob Gigas (St. Nicolai, † 1614, Nr. 756), Johannes Boltzenius (Heilig-Geist-Kapelle, † 1610, Nr. 812), Georg Starcke (St. Lamberti, † 1594, Nr. 628), Jodocus Matthias (St. Nicolai, † 1596, Nr. 652), Hieronymus Rhüden (2. Pfarrstelle St. Nicolai bis 1595, danach 1. Pfarrstelle St. Lamberti, † 1617), Friedrich Wippermann (2. Pfarrstelle St. Lamberti, † 1590).1) Aus diesem Personenkreis und den Lebensdaten der Pastoren ergibt sich die Datierung der Gemälde auf die Zeit vor dem Tod des zweiten Pastors von St. Lamberti Friedrich Wippermann im August 1590. Im Jahr 1585 ist in der Kirchenrechnung von St. Johannis neben allgemeinen Malerarbeiten auch eine umfangreiche Neuausstattung der Kirche mit neuen Gemälden verzeichnet, an deren Herstellung neben Gert Hanen und Jochim Jagow besonders auch Daniel Frese beteiligt war. Letzerer forderte für seine bevorstehende Arbeit, die nicht näher definiert ist, 700 Taler, was die Kirchenvorsteher von St. Johannis jedoch auf 500 Taler herunterhandelten.2) Inwieweit die acht Gemälde in diesen Zusammenhang gehören, lässt sich nicht beurteilen, zumal sie auch durch Stiftungen finanziert sein könnten.

Textkritischer Apparat

  1. So bei Witzendorff als Angabe des Bibeltexts Act. 1 (Actorum Apostolorum cap. 1), auf den sich die Inschrift und die Darstellung bezog.
  2. So bei Witzendorff als Angabe des Bibeltexts Act. 2 (Actorum Apostolorum cap. 2), auf den sich die Inschrift und die Darstellung bezog.

Anmerkungen

  1. Meyer, Pastoren, Bd. 2, S. 100–109.
  2. SKA Lüneburg, Kirchenrechnung St. Johannis I,3. fol. 325r/v.

Nachweise

  1. Witzendorff, Wegweiser, p. 97f.
  2. Gebhardi, Collectanea, Bd. 1, p. 484 (nach Witzendorff).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 596† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0059608.