Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 531(†) Kloster St. Michaelis 1580, 1582

Beschreibung

Inschriften am sogenannten Korn-, Pfort- und Tafeldeckerhaus. Bei dem 1787 abgebrochenen Gebäude handelte es sich um einen großen dreigeschossigen Bau mit abgetrepptem Giebel auf der Nordseite und einem auf der Ostseite angebauten Treppenturm. In der Mitte des abgetreppten Giebels auf der Ostseite eine dem durchlaufenden Fries aufgesetzte Ädikula, darauf in einer Kartusche die Inschrift A. Auf dem unterhalb des zweiten Obergeschosses verlaufenden Fries in der Mitte die zweizeilige Inschrift B. Am Treppenturm auf der Ostseite eine Sonnenuhr mit den Ziffern C. Die große Durchfahrt links des Treppenturms wurde von einem Bogen mit aufwendigem Giebelaufbau eingefasst. In den Zwickeln des Bogens links und rechts das Baudatum D. Darüber ein Fries mit sieben durch Beschlagwerk unterteilten Feldern, darin die Vollwappen des Klosters und der amtierenden Kapitulare, darunter auf der Rahmenleiste die Wappenbeischriften E. Über dem Fries in einer Ädikula das Vollwappen des Abts Eberhard von Holle, darunter eine breite durch die Pfeiler der Ädikula unterbrochene Kartusche mit der dreizeiligen Inschrift F, darüber in den seitlichen Giebelfeldern die Jahreszahl G. Oben im bekrönenden Giebelfeld ein Engelskopf.

Erhalten ist ein querrechteckiges Fragment, das offenbar zu Bauzwecken beschnitten wurde. Es ist heute in der Krypta von St. Michaelis ausgestellt. Das Fragment zeigt unten drei komplette Wappenfelder sowie an den Seiten zwei angeschnittene Wappenfelder, darunter Teile der Wappenbeischriften E, dazwischen auf leicht vorspringenden Lisenen, die die Wappenfelder voneinander trennen, jeweils eine Initiale, die Gebhardi nicht überliefert. Über den Wappenfeldern die Inschrift F in einer Kartusche, die durch die – heute abgehauenen – Pilaster der Ädikula in drei Felder unterteilt ist, in über alle drei Felder durchlaufenden Zeilen. Die Buchstaben der ersten Zeile sind nur noch in ihren unteren Teilen erhalten, darüber die Bruchkante. Beide Inschriften sind erhaben in vertieften Feldern ausgeführt. Die Rückseite des Fragments ist verputzt. In den Putz ist eine sehr ordentlich ausgeführte Inschrift eingeritzt, die wohl nur aus der Zeit nach dem Abriss 1787 stammen kann.1)

Büttner überliefert zusammen mit der Inschrift B noch eine weitere Inschrift (H), die bei Gebhardi nicht verzeichnet ist. Allerdings könnte diese Inschrift auch an einem anderen Gebäude des Klosters gestanden haben, da Büttner sie nicht näher lokalisiert.

Inschriften A–D nach den Zeichnungen bei Gebhardi, die Inschrift E ergänzt nach der Zeichnung bei Gebhardi, H nach Büttner.

Maße: Fragment: H.: 58 cm; B.: 163 cm; Bu.: 5 u. 3 cm (E), 4 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/1]

  1. A†

    ANNO D(OMI)NI / 1580

  2. B†

    QVID · LABOR · ET · CVRAE · FACIENTa) · QVID · DENIQVE · SVMPTVS · /NI · DEVS · AEDIFICET · QVAM · STRVIS · IPSE · DOMVM · 2)

  3. C†

    8 6 4

  4. D†

    AN(N)O · D(OMI)NI · // 1580 ·

  5. E

    [H(ERR) // CLAWS · FR]ESE · // H(ERR) // HINRICK · V(ON) · HADENSTORPb) // H(ERR) // JASPER · V(ON) · JLTEN // H(ERR) // JOHAN · V(ON) · HARLING // H(ERR) // CHRISTOFF[ER · V(ON) · HVDE // H(ERR) // CORD · V(ON) · BOTMER]

  6. F

    [VON GOT//TES GNADEN EBERHART BIS//SCHOF ZV LV=//]BEC ADMINI//STRATOR DES STIFTES VERDEN // ABT VND HER // VOM HVSE // ZV SANTE MICHAEL IN LVNE//BVRG

  7. G†

    15 // 80

  8. H†

    Anno D(omi)ni / 1582. / G(OTT) M(EIN) H(ELFER) V(ND) E(RRETTER)3)

Übersetzung:

Was werden die Arbeit und die Sorgen bewirken, was schließlich die Ausgaben, wenn nicht Gott das Haus, das du errichtest, selbst baut. (B)

Versmaß: Elegisches Distichon (B).

Wappen:
St. Michaelis4)Frese5)Hademstorff6)Ilten7)Harling8)Hude9)Bothmer10)
Eberhard von Holle, Administrator zu Verden, Abt von St. Michaelis11)

Kommentar

Die Inschriften E und F sind in einer leicht rechtsgeneigten Kapitalis mit ausgeprägten Sporen ausgeführt. Die hier noch viermal erhaltene Initiale H mit nach unten ausgebuchtetem Balken, war ursprünglich wohl sechsmal auf allen Lisenen angebracht und ist jeweils deutlich größer als der zugehörige Name ausgeführt.

Zu dem Abt Eberhard von Holle vgl. Nr. 571. Die mit den Beischriften E bezeichneten Wappen stehen für die Mitglieder des Konvents im Jahr 1580, darunter der Verwalter der Klostergüter Caspar von Ilten (vgl. Nr. 556).

Textkritischer Apparat

  1. So bei Büttner, FACIENTIBVS in der Zeichnung bei Gebhardi.
  2. Das T über der Zeile nachgetragen.

Anmerkungen

  1. HERMANNUS / PRIMUS DUX SAXONIE / FUNDATOR HUIUS CENOBII / VI. KAL(ENDAS) APRIL(IS) DCCCCLXXIII. (Hermann, erster Herzog Sachsens. Gründer dieses Klosters, am 6. Tag vor den Kalenden des April /27. März 973.) Vgl. a. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 45. Danach war das Steinfragment mit dieser Seite als Vorderseite in eine Mauer der Krypta eingelassen.
  2. Nach Ps. 126,1.
  3. Nach Ps. 40,18 und 70,6. Vgl. dieselbe Inschrift aus dem Jahr 1595, Nr. 642.
  4. Wappen St. Michaelis (Erzengel Michael).
  5. Wappen Frese (Helm mit drei Straußenfedern). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 56 u. Tafel 131.
  6. Wappen Hademstorff (schwebendes Andreaskreuz, von vier Ringen begleitet). Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 8, S. 8 u. Tafel 8.
  7. Wappen Ilten (zwei Windhunde übereinander). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 186 u. Tafel 235.
  8. Wappen Harling (zwei abgewendete, abgerissene Hahnenköpfe). Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 8, S. 9 u. Tafel 9.
  9. Wappen Hude (Balken). Nicht nachweisbar.
  10. Wappen Bothmer (Boot). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 4 u. Tafel 4.
  11. Wappen Eberhard von Holle, Administrator zu Verden, Abt von St. Michaelis (Schild durch Nagelspitzkreuz (Verden) viergeteilt: 1. u. 4. Verden (schwebendes Kreuz), 2. u. 3. thronender Abt, im Herzschild Wappen Holle (drei Zipfelmützen)). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10 (Holle); zum Wappen Verden und Eberhard von Holle als Administrator Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 5, Teil 1, S. 132 u. Tafel 193.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 6, p. 552–554 (Zeichnungen A–G), Bd. 14, S. 668 (B, E, F).
  2. Büttner, Inscriptiones (B, H).
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 169 (A, B nach Gebhardi).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 531(†) (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0053102.