Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 518 Rathaus 1578 o. früher

Beschreibung

Gemälde, den städtischen Frieden darstellend. Öl auf Leinwand. Das Gemälde hängt links an der Südwand der Großen Ratsstube. In der Mitte auf einem Thron die Res Publica in Gestalt einer Frau, vor ihr auf ihrem Schoß gestützt die Frauenfigur der friedlich schlafenden Pax, zu beiden Seiten Justitia und Concordia, alle durch die Tituli A bezeichnet. Über dem Thron in den Wolken Gottvater und darunter der Heilige Geist in Gestalt der Taube, zu beiden Seiten umgeben von einem Schriftband mit der Inschrift B und vier musizierenden Putten. Ein Putto links trägt eine Trompete mit einer Fahne daran, darauf das Wappen des Fürstentums, auf der Fahne an der Trompete des rechten Puttos das Wappen der Stadt Lüneburg. Links im Hintergrund eine Ratsversammlung, rechts eine Bürgerversammlung vor dem Rathaus unterhalb des Erkers, von dem aus die Bursprake (Verlesung städtischer Verordnungen) gehalten wird (vgl. Nr. 695), über den Bürgern die Lüneburger Stadtsilhouette. Unten verläuft über die ganze Breite des Gemäldes die Inschrift C in Gold auf schwarzem Grund. Nach Albers war die Ratsversammlung links mit der Inschrift D bezeichnet.

Inschrift D nach Albers.

Maße: H.: 170 cm; B.: 233 cm; Bu.: 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), Fraktur mit Frakturversalien (C).

Fred Dott, Hamburg [1/3]

  1. A

    RESPVPLICA // PAX // IVSTICIA // CONCORDIA.

  2. B

    DA PACEM D(OMI)NE // IN DIEB(VS) NOSTRIS .1)

  3. C

    Ah das ich horen solt das Gott der HERR redet das er friede zusagte seinem Volck das in vnserm Lande Ehre wone. Das Gute vnd Trewe einander begegen Gerech=/tigkeit vnd friede sich kussen. Das Trew auff der Erden wachse vnd Gerechtigkeit vom Himel schawe. Das vns auch der HERR gutes thue Damit vnser / Land sein gewechs gebe. Das Gerechtigkeit dennoch fur im bleibe Vnd im schwang gehe. Psalm. LXXXV.2)

  4. D†

    in curia

Übersetzung:

Das Gemeinwesen. Frieden. Gerechtigkeit. Eintracht. (A)

Verleih uns Frieden, Herr, in unseren Tagen. (B)

Im Rathaus. (D)

Kommentar

Zu dem Maler Daniel Frese vgl. Nr. 436 u. 466, allgemein zu den Gemälden in der Großen Ratsstube sowie zu ihren Schriftformen vgl. Nr. 494. Zu den graphischen Vorlagen vgl. Haupt,3) die das Gemälde ohne Angabe von Gründen auf das Jahr 1578 datiert.

Anders als bei den anderen Gemälden der Großen Ratsstube ist die Stadt Lüneburg – und sogar das Fürstentum – hier durch Darstellung und Wappen ganz konkret in das Bild einbezogen. Das Bildthema ist deutlich weniger komplex als beispielsweise die Gemälde des Staatsschiffs (Nr. 495) und der idealen Stadt (Nr. 502) und erklärt sich aus sich selbst heraus. Daher reichen hier nur wenige Inschriften aus, um die dargestellten Frauenfiguren zu identifizieren und durch die Inschriften B und C den Blick auf die friedlich schlummernde Pax zu lenken, also auf den durch Gerechtigkeit und Eintracht gewährleisteten städtischen Frieden – nicht so sehr auf die Stadtregierung, nach der das Bild seit Albers eher irreführend benannt wird.4) Das hier erstmals in Lüneburg auftretende und von Tipton und Haupt in einem Holzschnitt des Monogrammisten MS nachgewiesene Motiv5) findet sich auch in den Reliefs zweier Kaminfriese (Nr. 575, 577) und auf der Gestühlswange Nr. 633 sowie auf dem Witzendorffschen Epitaph Nr. 854 (vgl. a. Einleitung, Kap. 3.3.7.1.). Tipton zeigt, dass der Holzschnitt als Frontispiz des 1564 gedruckten erneuerten Nürnberger Stadtrechts wohl auch über die Stadt Nürnberg hinaus Verbreitung fand und das Motiv 1573/74 als Fasssadendekoration des Regensburger Rathauses angebracht wurde.6) Zur Bedeutung der Pax in der Lüneburger Ikonographie um 1600 allgemein vgl. a. Nr. 775.

Dass gerade dieses Gemälde mit dem für Lüneburg zentralen Motiv des Friedens als Garanten für ein gut funktionierendes und zugleich gottgefälliges Gemeinwesen schlichter gestaltet ist als die meisten anderen Gemälde der Großen Ratsstube und darin mit der Darstellung des Kaisers und der Kurfürsten (Nr. 497) übereinstimmt, ist sicher kein Zufall. Hier wird der einfache Gedanke vermittelt, dass diejenige Stadt unter dem Schutz Gottes steht, in der ein friedliches Zusammenleben durch Gerechtigkeit, verkörpert durch die Vertreter des Rats auf der linken Seite, und Eintracht, verkörpert durch die Versammlung der Bürger auf der rechten Seite, möglich ist. Daher schwebt über allem der Wunsch (Inschrift B), Gott möge den Frieden geben.

Anmerkungen

  1. Antiphon. Corpus Antiphonalium, Nr. 2090, S. 135. Cantus Database, ID 002090.
  2. Ps. 85,9–14.
  3. Haupt, Ratsstube, S. 168–171.
  4. Albers, Rathaus, S. 34. Noch bei Haupt, Ratsstube, S. 167, u. Uppenkamp, Ikonographie, S. 311. Erst Koch, Gemälde, S. 140–142, hat die zentrale Rolle der Pax erkannt.
  5. Tipton, Res publica, S. 158f. u. Abb. 27, S. 553. Haupt, Ratsstube, S. 169 mit Abb.
  6. Tipton, Res publica, Abb. 29, S. 555. Der Holzschnitt in: Der Stat Nurmberg verneute Reformation 1564 (VD 16, N 2029).

Nachweise

  1. Albers, Rathaus, S. 34f. (A, C, D).
  2. Tipton, Res Publica, S. 357 (A–C).
  3. Haupt, Ratsstube, S. 167f. mit Abb.
  4. Kat. Stadt im Wandel, Bd. 4, Abb. S. 166.
  5. Uppenkamp, Ikonographie, S. 311–314 (A–C) mit Abb. 70.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 518 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0051804.