Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 136 Berlin, Kunstgewerbemuseum 1474 o. früher

Beschreibung

Schale, ‚Evangelistenschale‘.1) Silber, teilweise vergoldet. Die Schale gehört zum Lüneburger Ratssilber und wurde 1874 von der Stadt an den preußischen Staat verkauft. Sie stellt das Gegenstück zu der sogenannten Kirchenväterschale dar (vgl. Nr. 139). Auf der Wölbung des Schalenbodens ein großes Medaillon mit einer Darstellung Christi als Weltenrichter mit Lilienzweig und Schwert, um die Darstellung herum verläuft in glatten Buchstaben vor schraffiertem Grund in leicht vertiefter Zeile die Inschrift A. Der linke, auf der Lilienseite stehende Teil der Inschrift verläuft zur Außenseite hin, der rechte, auf der Schwertseite stehende Teil der Inschrift verläuft zur Innenseite des Medaillons hin. Den Wechsel zwischen den beiden Inschriftteilen markieren kleine Kreuze auf dem Rand, die Worttrenner in Form von sehr aufwendig gestalteten Blüten, Pflanzenornament und anderen Ornamenten, jeder Worttrenner anders gestaltet. Getragen wird die Schale von vier vollplastischen Figuren der Evangelistensymbole. Sie stehen unter Maßwerkbaldachinen auf Sockeln, die aus dem in der Grundform runden Fußring hervorspringen, und tragen die eingravierten Tituli B auf Schriftbändern. Der Fuß steht auf einer breiten Sockelplatte und einer hohen mit durchbrochenem Fischblasenornament verzierten Zarge. Auf der Schalenunterseite ein eingraviertes Tatzenkreuz.

Maße: H.: 14,3 cm; Dm.: 31 cm; Bu.: 0,75 cm (A), 0,2 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), gotische Minuskel mit Versalien (B).

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/4]

  1. A

    · venite · benedicti · in · regnu(m) · dei2) // ite · maledicti · in · igne(m) · eternu(m)3)

  2. B

    S(anctus) · marcvs · // S(anctus) · matias · // S(anctus) · iohannes · // S(anctus) · lvcas ·

Übersetzung:

Kommt, ihr Gesegneten, in das Reich Gottes. Geht hinweg, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer. (A)

Kommentar

Die Inschrift A ist in einer sehr aufwendig gestalteten Goldschmiedeminuskel ausgeführt und zeichnet sich vor allem durch die Formenvielfalt der Worttrenner aus. Ein besonderes Merkmal der Schrift stellen der durchgesteckte Querbalken von t und der in das g eingesteckte Zierbalken dar, die beide mit nach oben und unten eingerollten Zierhäkchen versehen sind.

Das kleine eingravierte Kreuz gilt seit Schröder als Meisterzeichen des Lüneburger Goldschmieds Cord van Hagen (vgl. den Pokal Nr. 257, auch zu dessen Siegel), da der von ihm gestiftete Pokal einen Wappenschild mit Kreuz darin trägt.4) Allerdings steht es hier auf der Schale weder in einem Wappenschild noch ist es als Marke eingestempelt. Die Datierung der Evangelistenschale ergibt sich daraus, dass sie das Vorbild darstellte, nach dem das Gegenstück, die Kirchenväterschale (Nr. 139) auf testamentarische Veranlassung des Matthias van der Most hin angefertigt wurde.5) Da das Testament vom 22. September 1474 stammt,6) muss die Evangelistenschale 1474 oder in den Jahren zuvor entstanden sein.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 1874,394.
  2. Nach Mt. 25,34.
  3. Nach Mt. 25,41.
  4. Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 23, Meister, [S. 8]. Rosenberg, Merkzeichen, Nr. 3229, S. 279, verzeichnet die Kreuze als Zeichen eines unbekannten Meisters. S. a. Scheffler, Goldschmiede, Nr. 4, S. 894. Appuhn, Ratssilber, Nr. 4, S. 11f.
  5. Vgl. hierzu und zu der Schale insgesamt Bursche, Ratssilber, Nr. 4, S. 104–107.
  6. Reinhardt, Testamente, Nr. 244, S. 373–377, hier S. 376.

Nachweise

  1. Gebhardi, Collectanea, Bd. 2, p. 199 (A).
  2. Albers, Rathaus, S. 49 (A).
  3. Mithoff, Kunstdenkmale Fürstentum Lüneburg, S. 193 (A nach Albers).
  4. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 296 (A).
  5. Schröder, Ratssilber, Werke (o. S.), Nr. 23 (A).
  6. Appuhn, Ratssilber, Nr. 4, S. 11 (A).
  7. Kat. Stadt im Wandel, Bd. 2, Nr. 869b, S. 988f. mit Abb. (A).
  8. Bursche, Ratssilber, Nr. 4, S. 104–107 mit Abb., hier S. 105 (A).
  9. Netzer, Ratssilber, Nr. 4, S. 56f. mit Abb., hier S. 56 (A).

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 136 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0013608.