Inschriftenkatalog: Lüneburg (Stadt)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 100: Stadt Lüneburg (2017)

Nr. 101 Museum Lüneburg 2. V. 15. Jh.

Beschreibung

Zwei Prophetenfiguren.1) Eichenholz, farbig gefasst. Die Figuren sind aus dem Kunsthandel erworben worden, ihre Herkunft ist daher unbekannt. Die Propheten Malachias und Jona sind sitzend dargestellt. In den Händen halten sie Schriftbänder mit den gemalten Tituli A und B. Die Inschriften sind in Schwarz auf hellem Grund ausgeführt, die Versalien in Rot, die Worttrenner als Ornament bzw. als nach oben und unten ausgezogene Quadrangeln ebenfalls in Rot.

Maße: H. (ohne Sockel): 56,5 cm (Malachias), 58,5 cm (Jona); Bu.: 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Sabine Wehking) [1/2]

  1. A

    Malachÿas · p(ro)ph(et)a ·

  2. B

    · I[o]nas · p(ro)ph(et)a ·

Kommentar

Aus stilkritischen Gründen sind die beiden Figuren wohl auf das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts zu datieren und möglicherweise in die Zeit um 1435/40 zu setzen. Hierauf verweist der Faltenwurf der Gewänder, in dem sich die weicheren Falten über den Armen mit spitzer gestalteten Faltenformen vor dem Körper verbinden, ebenso wie eine gewisse Schwere des Körpers, die durch den jeweils sehr großen Kopf betont wird.2) Die beiden – von ihm um 1450 datierten – Figuren schreibt Meyne dem Lüneburger Gießer und Büchsenmeister Cordt Snitker zu, den er aufgrund seines Nachnamens wie seine Verwandten Hermann und Hans Snitker (vgl. Nr. 62 u. 94) für einen Bildhauer hält. Dies ist umso bemerkenswerter, als zum einen die Herkunft der im Kunsthandel erworbenen Prophetenfiguren völlig ungewiss ist und zum anderen Meyne selbst die Gießertätigkeit Cordt Snitkers minutiös an den Archivalien belegt, wonach er u. a. Geschütze und Wasserleitungen sowie andere Gegenstände aus Metall anfertigte.3) Der einzige archivalische Beleg, der seit Reinecke als Hinweis auf eine bildhauerische Tätigkeit Cordt Snitkers gewertet wird, findet sich in der Kämmereirechnung von 1481. Danach erhielt Cordt Snitker 77 Mark vor soven belde de in der scriverie qwemen to stande.4) Reinecke bezieht diesen ziemlich allgemein gehaltenen Eintrag wohl zu Recht auf die sieben Statuen in der Giebelfront und an der Längsseite des Kämmereiflügels.5) Allerdings handelt es sich bei den sieben Statuen nicht um reine Holzbildnisse, die auch kaum die Jahrhunderte überdauert hätten, sondern um mit Blei ummantelte, vergoldete Statuen mit Holzkern.6) Damit dürfte klar sein, dass der Gießer Cordt Snitker die bleiernen Ummantelungen der Statuen herstellte.

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. H 58.
  2. Für die zeitliche Einordnung aus kunsthistorischer Sicht danke ich Dr. Jens-Uwe Brinkmann (Hamburg).
  3. Willi Meyne, Zwei Prophetenfiguren des Lüneburger Museums. In: Lüneburger Blätter 18, 1966, S. 23–27. Sowie Meyne, Plastik, S. 196–200. Zu Cordt Snitker als Gießer vgl. a. Walter, Glockenkunde, S. 878.
  4. StA Lüneburg, AB 56/2, p. 44. Im Jahr 1481 ist auch mehrfach Cordt de bussenschutte (= Büchsenmeister) unter den Stadtbediensteten erwähnt, bei dem es sich um Cordt Snitker handeln dürfte.
  5. Krüger/Reinecke, Kunstdenkmale, S. 205.
  6. Vgl. Bernd Adam u. Michael A. Flechtner, Neue Funde zur Baugeschichte des Kämmereiflügels am Lüneburger Rathaus. In: Denkmalpflege in Lüneburg 2003, S. 15–30, hier S. 17. Sowie Adam, Rathauskomplex, S. 237. Adam (Rathauskomplex, S. 241) kommt aufgrund der von Meyne konstruierten Biographie sogar zu der Vermutung, dass es sich bei Snitker um den Architekten des Kämmereiflügels gehandelt haben könnte.

Nachweise

  1. Körner, Leitfaden, S. 139, H 58.
  2. Michael, Führer, S. 182, H 58.

Zitierhinweis:
DI 100, Stadt Lüneburg, Nr. 101 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di100g019k0010107.