Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 387 Erfelden, Heimatmuseum 1632?, vor 1650

Beschreibung

Gedenkinschrift an die Übernachtung König Gustav Adolfs in Erfelden auf einem in Öl auf Leinwand ausgeführten halbfigurigen Porträt des Königs. Er trägt über einem gegürteten Lederkoller einen Brustharnisch, über den eine spitzengesäumte Schärpe gelegt ist. Den Halsausschnitt ziert ein Spitzenkragen. Die behandschuhte Linke hält den gezogenen Degen. Im Hintergrund sind die Schwedensäule, der Rhein und die Stadt Oppenheim zu sehen. Der die Schwedensäule bekrönende Löwe des Bildes entspricht in seiner Haltung nicht ganz der tatsächlichen Figur. Das untere Drittel des Bildes nehmen zwei nebeneinander angeordnete Inschriften ein, die in Gold und Rot auf den schwarzen Grund gemalt sind. Jede Inschrift bildet ein Chronogramm auf das Jahr 1631. Die lateinischen Zahlzeichen sind mit roter Farbe in Kapitalis geschrieben und durch ihre Größe hervorgehoben. Am Ende jeder Zeile ist die Summe der lateinischen Zahlzeichen in arabischen Ziffern wiedergegeben. Das Bild befand sich zunächst in dem Haus, in dem der König übernachtete, hing später in der evangelischen Kirche1) und ist heute im Heimatmuseum ausgestellt.

Maße: H. 75, B. 60, Bu. 1,1–1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis. Fraktur.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Sebastian Scholz) [1/4]

  1. A

    GVSTAVVS ADOLPHVS SVECIAE REX 686TORRENTIA RHENI FLVENTA TRAIECTVRVS 168ET HOSTES HISPANOS IPSI PLVS VLTRA2) PROGRESSVRO 118ET TRANSRHENANIS RIPIS OBSITENTES FORTITER 5FORTIVS FVGATVRVS 21ISTO IN HOSPITIO 4VI IDVS XBRISa) 523PERNOCTAVIT. 1061631

  2. B

    GVstaV ADoLpf KönIg In SCVVeDen 1172hat In hIesIgen gasthaVses obern stVbe 13seIn NaChtLager gehabt 151aLs er ohn Fern hIer Vber RheIn zV setzen Vorh(atte)b)es sofort aVf SCheVer=Thorenc) 110nebst seInen besten TroVppen 6SIegreICh aVszgefhret hatt. 1121631

Übersetzung:

(A) Gustav Adolf, König von Schweden, im Begriff, die wilden Fluten des Rheins zu überqueren und die spanischen Feinde, die ihm, der noch weiter vorzurücken im Sinn hatte, auch an den jenseitigen Rheinufern tapfer Widerstand leisteten, mit noch größerer Tapferkeit in die Flucht zu schlagen, hat in diesem Gasthaus am 6. Tag vor den Iden des Dezember (8./18. Dezember)3) übernachtet.

Kommentar

Nach der Tradition hat Gustav Adolf das Bild selbst in Auftrag gegeben und seinem Erfeldener Wirt geschenkt.4) Diese Angabe läßt sich heute nicht mehr überprüfen, doch müßte das Gemälde in diesem Falle noch vor dem Tod des Königs am 6. November 1632 in der Schlacht bei Lützen gemalt worden sein. Einen Anhaltspunkt für die Datierung des Bildes bietet die im Hintergrund sichtbare Schwedensäule, die erst 1632 errichtet wurde.5) Das Bild kann also frühestens in diesem Jahr entstanden sein. Die Darstellung Gustav Adolfs entspricht bezüglich der Gesichtszüge und der Kleidung des Königs anderen zeitgenössischen Bildnissen.6) Bei den Inschriften zeigen weder die in scriptura continua geschriebene Kapitalis noch die Fraktur Merkmale, die gegen eine Entstehung des Bildes vor 1650 sprechen. Möglicherweise diente das Gemälde ebenso wie die Schwedensäule zur frühen Verewigung des Rheinübergangs Gustav Adolfs.

Der Text erweckt durch Formulierungen wie RHENI FLVENTA TRAIECTVRVS oder aLs er ohn Fern hIer Vber RheIn zV setzen Vorh(atte) den Eindruck, der Rheinübergang Gustav Adolfs habe noch bevorgestanden, als der König die Nacht in Erfelden verbrachte. Tatsächlich fand der Rheinübergang am 7./17. Dezember 1631 statt, und am folgenden Tag wurde Oppenheim eingenommen.7) Laut dem Datum der Inschrift hat der schwedische König erst an diesem Tag in Erfelden übernachtet.

Textkritischer Apparat

  1. So für (DECEM)BRIS.
  2. Die Angabe der Summe in arabischen Ziffern fehlt hier.
  3. So für Scheuertoren.

Anmerkungen

  1. Wagner 4.
  2. PLVS VLTRA ist seit Karl V. die Devise der spanischen Könige, die im Wappen mit der Bilddevise der „Säulen des Herkules“ verbunden ist, vgl. Posse, Siegel, Taf. II, 3. Die Devise ist hier auf Gustav Adolf umgedeutet und gegen die Spanier gerichtet. Freundlicher Hinweis von Herrn Dr. Harald Drös, Heidelberg.
  3. Das in der Inschrift angegebene Datum entspricht dem 8. Dezember nach dem Julianischen Kalender, der im 17. Jahrhundert in den protestantischen Gebieten noch üblich war, während man in den katholischen Gebieten schon den Gregorianischen Kalender verwendete. In der neueren Literatur sind die Tagesdaten für die Aktionen Gustav Adolfs meist auf den Gregorianischen Kalender umgerechnet worden.
  4. Wagner 4.
  5. Wagner 6; Junkelmann 372.
  6. Vgl. Junkelmann 81, Abb. 1, 172, Abb. 12, 241, Abb. 17, 360, Abb. 32; 1648. Krieg und Frieden in Europa 48, Abb. 59, 49, Abb. 63, 76, Abb. 155.
  7. Wagner 8 – 15; Junkelmann 370 – 373.

Nachweise

  1. Wagner, Die Schwedensäule 4 f.
  2. Sturmfels, Das Schwedenhaus 42 f.
  3. Schaefer, Rheinübergang.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 387 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0038706.