Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 358 Radheim, Klein-Umstädter Str. 37 1625

Beschreibung

Namensinschrift als Stifterinschrift und Namensbeischriften auf einem Bildstock. Der Bildstock aus rotem Sandstein steht heute vor dem Dorfgemeinschaftshaus. Die auf einem quadratischen Sockel ruhende ionische Säule trägt einen Aufsatz in Gestalt eines Tabernakels, das von einem Kreuz bekrönt wird. An einer Seite des Aufsatzes ist die Namensinschrift (A) angebracht. Auf zwei weiteren Seiten befinden sich die Figuren des von Pfeilen durchbohrten heiligen Sebastian und der heiligen Katharina, die mit ihren Attributen Krone und Rad dargestellt ist. Unterhalb der Figuren sind auf der Säule die Namensinschriften angebracht (B, C), deren Worttrenner als Dreiecke gestaltet sind. Die vierte Seite des Aufsatzes ist leer.

Maße: H. (ohne Sockel) 211, Dm. 28, Bu. 3,2 (A), 2,5 (B), (C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. A

    BEST / OLLIG / IN / ROT/THEIMa) / 1625b)

  2. B

    S(ANCTVS) · SEBEST/IANVS

  3. C

    S(ANCTA) · CATHA/RINA

Kommentar

In der Literatur ist der Bildstock bisher als Pestsäule gedeutet worden, dessen Inschrift mit „die Pest ist all in Radheim“ erklärt und auf das Ende der Pest in Radheim bezogen wurde.1) Gegen diese Interpretation spricht aber das Formular, bei dem in der alten Deutung eine Stifternennung fehlen würde. BEST steht hier jedoch nicht für „Pest“, sondern ist eine Kurzform von SEBESTIANVS, wie es als Namensbeischrift auf der Säule steht.2) In der Radheimer Güterbeschreibung von 1650 wird die Witwe eines „best oligen“ genannt, bei dem es sich um den Stifter des Bildstocks handeln dürfte.3) Möglicherweise ist er mit dem in einer Liste von 1617 verzeichneten „Best Olaw“ identisch,4) denn der ungewöhnliche Name „Olaw“ könnte aus Ollig verschrieben worden sein. Der hl. Sebastian ist hier also nicht als Pestheiliger dargestellt worden,5) sondern als Namenspatron des Sebastian Ollig, der 1625 den Bildstock stiftete.

Textkritischer Apparat

  1. ROTTENHEIM Herchenröder; Dörr 61.
  2. 1626 Dörr 61.

Anmerkungen

  1. Vgl. Dörr 61; die Form OLLIG für „ist all“ oder „war“ läßt sich jedoch im Frühneuhochdeutschen nicht nachweisen. Sie ist aber als Appelativum in der Bedeutung „ölig“ und auch als Eigenname belegt, vgl. Berthold, Hessen-Nassauisches Volkswörterbuch II 517 f. und Gottschald, Deutsche Namenkunde 374, s. bei Öl, freundlicher Hinweis von Herrn Dr. Wolf-Dietrich Zernecke, Mainz.
  2. Die Namensform BEST für Sebestian oder Sebastian findet sich auch in einer Inschrift von 1579, vgl. Nr. 238.
  3. StA Würzburg, Mainzer Güterbeschreibungen 37; diesen und den folgenden Beleg verdanke ich der freundlichen Mitteilung von Herrn Hans Dörr, Dieburg.
  4. StA Würzburg, Abgr. A.Reste 150/21.
  5. Vgl. A. Amore, Sebastian, in: LThK 9 (1964) 557 f.

Nachweise

  1. Herchenröder, Kdm. 248.
  2. Dörr, Mosbach 61.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 358 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0035801.