Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 324 Babenhausen, Evangelische Kirche um 1612?

Beschreibung

Glaubensbekenntnis auf den Außenseiten der Flügel des Hauptaltars. Die Flügel sind jeweils in zwei Felder geteilt. Jedes Feld zeigt in Ölmalerei eine Szene aus dem Leben Jesu, unter die mit schwarzen Buchstaben auf ein weißes Schriftfeld die passende Sequenz des Glaubensbekenntnisses geschrieben ist. Die in den Inschriften (B) und (D) hinzugefügten Textangaben verweisen zudem auf die entsprechenden Bibelstellen. Oben links ist die Verkündigung an Maria dargestellt. Der knienden Maria steht ein geflügelter Engel gegenüber, und darüber schwebt in einem Wolkenkranz mit Puttenköpfen die Taube als Symbol des Hl. Geistes (A). Oben rechts stehen Maria und Joseph vor der Krippe mit dem Kind. Links im Vordergrund knien die anbetenden Hirten, rechts liegen Ochse und Esel (B). Unten links sieht man in der Mitte Christus am Kreuz, das einen Titulus trägt (E), sowie links und rechts davon die beiden mit ihm Gekreuzigten. Links neben dem Kreuz stehen Johannes, Maria und drei weitere Frauen. Im Vordergrund knien links zwei Soldaten, die um das Gewand Christi würfeln. Von rechts kommt ein Hauptmann auf einem weißen Pferd, der von einem Reiter begleitet wird, der eine Fahne mit der Aufschrift (F) trägt. Unter dem Bild ist die Inschrift (C) angebracht. Das Feld unten rechts zeigt die Auferstehung Christi. In der Mitte tritt der triumphierende Christus in einem Strahlenkranz aus dem Tor der Hölle, dessen Pforten zerbrochen sind. Im Vordergrund erheben sich die Toten aus ihren Gräbern (D). Als Worttrenner wurden Quadrangeln verwendet, die teils auf der Grundlinie und teils auf der Zeilenmitte stehen.

Maße: H. 315, B. 134, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Fraktur. Kapitalis (B, E, F).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. A

    Iesus Christus Gottes Sohn Vnser Herr Empfangen Vom · H(eiligen) · Geist.

  2. B

    Geboren Ausz maria der Iungfrauwen LVCAE · 2 · CAP(ITEL)1)

  3. C

    gelitten, gecreütziget, Vnd gestorben für Vnser Sünde, Nach der / schrifft

  4. D

    Am dritten tag wideraufferstanden. nach der schrifft. I Corinth(er) 15.2)

  5. E

    · I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)3) ·

  6. F

    S(ENATVS) · P(OPVLVS)Q(VE) · R(OMANORVM)

Kommentar

Die Frakturversalien der Inschriften sind mit breiten, geschwungenen Formen und mit Schwellzügen gebildet, besitzen jedoch relativ wenig Verzierungen. Das versale C in Corinther entstammt der Kapitalis. Die Kleinbuchstaben zeigen die typischen Merkmale der Fraktur. Die Buchstaben sind mit Schwellzügen gebildet, das a ist einstöckig, und f und langes s sind unter die Grundlinie gezogen. Allerdings ist die schlingenförmige Ausziehung der Unterlängen bei g und h nur ansatzweise vorhanden. Die früheste Fraktur des Bearbeitungsgebiets weist das Epitaph der Anna Schelm von Bergen von 1551 auf, das sich früher ebenfalls in der Babenhausener Kirche befand.4) Dort sind die Frakturbuchstaben jedoch noch nicht so weit entwickelt wie bei der Inschrift des Altars.

Die Malerei der Altarflügel zeigt in ihren etwas unproportionierten Körpern, deren Formen übertrieben stark gerundet sind, sowie in den Gesichtern mit ihren langen, geraden Nasen stilistische Übereinstimmungen zum Bild der Ausgießung des Heiligen Geistes auf der Unterseite des 1612 entstandenen Schalldeckels der Kanzel und wurde möglicherweise in derselben Zeit ausgeführt.5) Die Malerei entstand also erst nach der Einführung der Reformation in Babenhausen und deutlich später als der vermutlich kurz vor 1518 gefertigte Altarschrein.6) Welche Malereien sich ursprünglich auf den Außenseiten der Flügel befanden, ist unbekannt.

Anmerkungen

  1. Lk 2,6 f.
  2. 1 Kor 15,4.
  3. Nach Joh 19,19.
  4. Vgl. Nr. 191.
  5. Vgl. Nr. 276.
  6. Zur Entstehungszeit des Altars vgl. Von der Au, Meister des Babenhausener Altars 230 und Nr. 154.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 324 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0032401.