Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 319 Darmstadt, Evangelische Stadtkirche 1610

Beschreibung

Grabgedicht, Grabinschriften und Bibelzitate auf dem Sarg der Herzogin Maria von Braunschweig-Lüneburg. Der mit Messingblech beschlagene Sarg steht im hinteren Gewölbe der Fürstengruft auf der linken Seite vor dem Epitaph Ludwigs V. und seiner Familie. Der Sargdeckel besitzt auf beiden Seiten Inschriftentafeln aus Metall. Zudem ist auf der vom Kopfende aus gesehenen linken Seite direkt auf dem Sargdeckel ein Grabgedicht (A) angebracht, von dem jeweils die letzten Worte der ersten acht Verse durch die rechte untere Ecke der Tafel verdeckt werden, auf der die Grabinschrift (B) sowie die Bibelzitate (C) und (D) stehen. Die Tafel der rechten Seite trägt die Grabinschrift (E) und das Bibelzitat (F), bei dem es sich um die lateinische Version von (C) handelt. Die Buchstaben der Inschriften sind flach in das Metall eingeritzt.

Maße: H. 53, B. 72, L. 175, Bu. 0,4 (D), 0,5–0,9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. A

    HIE LIGT MEIN LEIB RHVET SANFT VND [. . .]a)IN DIESEM MEINEM RHVE BETTE[. . .]b)MEIN SEEL IST NIT TODT SONDERN [. . .]IN GROSER FREVDT TRIVMPHIRT [. . .]BEI CHRISTO DEM ERLOSER MEI[N]DER DVRCH DAS BITTER LEIDEN [. . .]c)VON SVNDT TODT TEVFEL HAT [ERLOST]DAS IST ALZEIT GEWEST MEIN T[ROST]DA MEIN STVNDTLEIN GEKOMMEN ISTBIN ICH IM HERN ENTSCHLAFEN SELICHLICd)WEN GOTTES POSAVN WIRD ANGEHNAM IVNGSTEN TAG WILL ICH AVCHd) STEHENMEIN LIEBEN GOTT VON ANGESICHTTMIT FREVDTT ANSCHAWEN EWIGLICHBEI CHRISTO IN DER EWIGEN FREVDTDAS HELEd) MIR DIE WARE DREYFALTIGKEIT

  2. B

    FREWLEIN MARIA HERTZOGIN ZV BRAVN/SCHWIEG VND LVNNEBVRG GOTT SELIGEN ANDENCKE(N)S / IST GEBORN IM IHAR CHRISTI 15761) STARB SELIG ALHIER / ZV DARMBSTADT DEN 8 AVGVSTI IM IHAR 1610

  3. C

    HEBR 132) / WIR HABEN HIE KEIN BLEIBENDE STAT SONDERN DIE ZVKVNF/TIGE SVCHEN WIR VND ERWARTEN NEW HIMMELL VND NEWE / ERDE DARINNEN GERECHTIGKEIT WONET 2 · PET 33)

  4. D

    PSALM 1264) / DIE MIT TRENEN SEEN WERDEN MIT / FREWDEN ERNDEN

  5. E

    DIVERSORIVM / D(OMI)NAE MARIAE ILLVSTRISSIMI AC CELSISIMId) PRINCIPIS / AC D(OMI)NI D(OMI)NI WILHELMI DVCIS BRVNSVIGENSIS ET LVNEBVRG/ENSIS (ET)C(ETERA) RELICTAE FILIAE P(IAE) M(EMORIAE) PLACIDISSIME HIC DARMB/STATI IN NVPTIIS D(OMI)NI PHILIPPI HASSIAE LANDGRAVII (ET)C(ETERA) · / DYSENTERIA OBIIT 8 D(IE) AVGVSTI A(NNO) C(HRISTI) 1610 CVM VIXISSET / ANNOS 34 CIRCITER

  6. F

    HEB 13 V(ERSVS) 142) / NON HABEMVS HIC MANENTEM CIVITATEM SED FVTVRA(M) / INQVIRIMVS EXPECTANTES NOVVM COELVM ET NOVAM / TERRAM IN QVIBVS HABITAT IVSTITIA 2 PET 3 V(ERSVS) 133)

Übersetzung:

(E) Herberge der Frau Maria, hinterbliebene Tochter frommen Andenkens des durchlauchtigsten und erhabensten Fürsten und Herrn, Herrn Wilhelm Herzogs von Braunschweig und Lüneburg usw. Sie starb sehr sanft an der Dysenterie in Darmstadt bei der Hochzeit des Herrn Philipp, Landgrafen zu Hessen, am 8. August 1610, nachdem sie etwa 34 Jahre gelebt hatte.

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Kommentar

Da die Zeilenenden der ersten acht Verse von Inschrift (A) von der Inschriftentafel mit den Inschriften (B) – (D) überschnitten wird, muß sie zuerst angebracht worden sein. Da kaum anzunehmen ist, daß Inschrift (A) alleine auf dem Sarg stehen sollte, scheint man sich kurzfristig gegen die geplante Anbringung der Inschriften direkt auf dem Deckel entschieden zu haben. Ein Grund dafür könnte auch die unzulängliche sprachliche Ausführung von Inschrift (A) gewesen sein.

Maria war eine unverheiratete Tochter des Herzogs Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg und der Dorothea von Dänemark.5) Sie kam nach Darmstadt, um an der Hochzeit des Landgrafen Philipp, eines Sohnes Georgs I. von Hessen-Darmstadt und der Magdalena zur Lippe, mit der Gräfin Anna Margaretha von Diepholz teilzunehmen, die am 29. Juli 1610 stattfand.6) Maria erkrankte an einer Durchfallerkrankung und starb am 8. August. Am 13. August wurde sie in der Fürstengruft beigesetzt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Der Vers endete vermutlich auf FEIN.
  2. Es folgte vermutlich LEIN.
  3. Zu ergänzen ist wohl SEIN.
  4. Sic!

Anmerkungen

  1. Baur, Grabmal 432 und Europ. Stammtafeln NF I, Taf. 65 geben den 21. 10. 1575 als ihr Geburtsdatum an. Marias Epitaph nennt ebenfalls 1576 als Geburtsjahr, vgl. Nr. 328.
  2. Hebr 13,14.
  3. Verkürztes Zitat von 2 Petr 3,13. Der Text ist mit dem vorausgehenden Zitat von Hebr 13,14 verknüpft. Er beginnt mit VND ERWARTEN bzw. EXPECTANTES.
  4. Ps 126,5 (Hebr).
  5. Europ. Stammtafeln NF I, Taf. 65.
  6. Zum Datum der Hochzeit vgl. Europ. Stammtafeln NF I, Taf. 104.
  7. Vgl. dazu auch den Text ihres Epitaphs Nr. 328.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 319 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0031905.