Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 142 Babenhausen, Evangelische Kirche 1518

Beschreibung

Grabplatte der Gräfin Sibylla von Hanau-Lichtenberg, geborene Markgräfin von Baden. Die Platte aus rotem Sandstein liegt im Boden vor dem Hauptaltar. Die Inschrift läuft auf Metalleisten um, die auf dem Stein befestigt sind. Als Worttrenner dienen auf der Grundlinie stehende Quadrangeln. In den vier Ecken der Leisten befindet sich je ein Wappenschild, und im Feld ist ein metallenes Vollwappen angebracht.

Maße: H. 224, B. 113, Bu. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturversalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. Anno d(omi)ni. M. D. xviii. den / Zehende(n) Iuly. Vff der suben bruder tag starb die Hochgeborn Fraw Sibilla / gebor(e)n Marggreffin vo(n) Baden. / Graffi(n) Zu Hanaw vn(d) Fraw zu Liechte(n)bergk. der seel gott d(er) Almechtig gnedig sein wol A(men)

Wappen:
Baden-Sponheim;1) Katzenelnbogen, Nassau-Dillenburg; Österreich, Lothringen.

Kommentar

Die Metallauflagen der Platte sind von hoher Qualität und mit sehr guten Nürnberger Arbeiten dieser Zeit vergleichbar. Allerdings sind die Platten vermutlich nicht in Nürnberg gefertigt worden, da sich der ziselierte äußere Rand der Umschrift in dieser Art in Nürnberg nicht nachweisen läßt und auch die Verwendung und die Anordnung der 19 sichtbaren Rundköpfe der Dübel für Nürnberger Arbeiten untypisch ist.2)

Die Minuskeln sind schlank und hoch, so daß die Oberlängen teilweise in den ziselierten Rand hineinragen und dieselbe Höhe wie die Versalien besitzen. Die schön gestalteten Frakturversalien gehören zu den frühesten epigraphischen Umsetzungen dieser neuen Schriftform.3) Kennzeichnend für alle Versalien sind die S-förmigen Anschwünge, die ausgeprägten Schwellzüge sowie die geschwungenen Formen, die in ihrer Ausprägung jedoch relativ schlank bleiben. Bei dem A in Anno, dem G in Graffin und dem M der Jahreszahl wurden Hasten- und Balkenverdoppelung verwendet. Zudem sind mehrere Buchstaben mit dünnen Zierstrichen versehen. Mehrfach vorkommende Versalien sind stets in einer anderen Form ausgeführt. Die Versalbuchstaben erinnern an die Frakturversalien des Johann Neudörffer, der bereits 1519 ein Schreiblehrwerk verfaßte und etwa um dieselbe Zeit Proben von Frakturschriften entwarf, die der Formenschneider Hieronymus Andreae in stählerne Punzen schnitt.4) Unklar bleibt, ob der Meister der Babenhausener Platte frühere Arbeiten Neudörffers kannte oder ob ihre Schriften nur auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen.

Sibylla war eine Tochter des Markgrafen Christoph I. von Baden und der Gräfin Ottilie von Katzenelnbogen.5) Sie war mit Philipp III. von Hanau-Lichtenberg verheiratet.6) In dem am 11. 12. 1503 abgeschlossenen Ehevertrag mußte Philipps Vater, Philipp II., dem Brautvater auf dessen Verlangen hin zusichern, daß er Philipp zum alleinigen Herrn der Grafschaft nach seinem Tode bestimmen werde.7) Philipp II. hielt sich an diese Zusage, doch kam es später trotzdem zu einem Streit über die Regentschaft zwischen seinen Söhnen.8)

Anmerkungen

  1. Quadriert: 1/4. Baden, 2/3. Sponheim.
  2. Diese Informationen verdanke ich den freundlichen Auskünften von Herrn Prof. Dr. Peter Zahn, Berlin.
  3. Vgl. dazu Einleitung Kap. 5. 6.
  4. Zahn, Beiträge 21 f.; vgl. die Abbildungen bei Muzika, Schöne Schrift I 523 und Doede, Schön schreiben Abb. 5, 8 und 17.
  5. Europ. Stammtafeln NF I, Taf. 130.
  6. Vgl. Nr. 168.
  7. Spieß, Familie 224 f., Anm. 114.
  8. Vgl. Nr. 168.

Nachweise

  1. Blum, Stadtkirche 360.
  2. Steiner, Bachgau III 136.
  3. Lehmann, Hanau-Lichtenberg II 455, Anm. 84.
  4. Müller, Stadtkirche I 16.
  5. Herchenröder, Kdm. 27.
  6. Herchenröder/Rock, Führer 47.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 142 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0014205.