Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 377(†) Babenhausen, Evangelische Kirche 1. D. 17. Jh.

Beschreibung

Bibelzitate als Wandmalereiinschriften im Mittelschiff. Über den Zwickeln der Arkaden ist jeweils ein von Rollwerk begrenztes Medaillon mit einer Szene aus dem Leben Jesu dargestellt. Darunter befindet sich in einem grün gerahmten Inschriftenfeld das entsprechende Bibelzitat. Die Buchstaben sind in schwarzer Farbe auf weißen Untergrund aufgebracht. Als Worttrenner dienten ursprünglich wohl Quadrangeln, die aber aufgrund der Übermalung oft nicht mehr als solche zu erkennen sind. Die Bilder auf den beiden gegenüberliegenden Seiten stehen thematisch in Verbindung zueinander. Die Reihe beginnt im Westen auf der Südseite mit der Anbetung der Könige. Die rechts im Vordergrund knienden drei Könige bringen dem von Maria auf dem Schoß gehaltenen Christuskind ihre Geschenke dar (A). Der zweite König hebt sich durch seine zeitübliche Kleidung von den Phantasietrachten der übrigen Personen ab und wird damit als Stifter gekennzeichnet. Gegenüber ist auf der Nordseite die Darbringung Jesu im Tempel dargestellt. In der Bildmitte halten Maria und Simeon Jesus über dem Altar, davor kniet Joseph, während vier weitere Personen sie umstehen (B). Es folgt ebenfalls auf der Nordseite in der Mitte die Taufe Christi im Jordan. Der im Jordan stehende, nimbierte Christus wird von dem zu seiner Rechten knienden Johannes getauft, hinter dem ein segnender Engel steht (C). Das gegenüberliegende Bild der Südseite zeigt die Verklärung Christi. In der Mitte des Medaillons schwebt Christus in einem Strahlenkranz, und über seinem Kopf schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, von der eine Inschrift mit einem weiteren Bibelzitat ausgeht (D). Links und rechts von Christus sitzen Moses und Elias, während Petrus, Jakobus und Johannes vor ihnen knien (E). Im Osten ist auf der Nordseite Christus im Garten Gethsemane dargestellt. Christus kniet in der Mitte nach rechts gewendet und blickt auf einen Kelch und einen in einer Wolke schwebenden Engel, der ein Kreuz in den Händen hält. Im Hintergrund links schlafen die drei Jünger (F). Auf der Südwand folgt im Osten Christi Himmelfahrt. Im Vordergrund knien die elf Apostel und blicken zu dem auffahrenden Christus empor, der von einem Strahlenkranz und vier Engeln umgeben ist (G). Sowohl die Malereien der Medaillons als auch die Inschriften zeigen deutliche Restaurierungsspuren.

Schriftart(en): Fraktur. Humanistische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/13]

  1. A†

    Sie · gingen · in · das · Haus · und · / fanden · das · Kindlein · mit · Maria · seiner · / Mutter · und · fielen · nieder · und · beteten · / es · an · und · taten · ihre · Schätze · auf · / und · schenkten · ihm · Gold · Weihrauch · / und · Murrhen · Matth · 2, 11

  2. B†

    Darstellung · Iesu · im · Tempel · / Herr · nun · lässest · du · deinen · Die=/ner · in · Frieden · fahren · wie · du · ge=/sagt · hast · denn · meine · Augen · haben / deinen · Heiland · gesehen · / Luc 2, Vers 29 – 30

  3. C†

    Taufe · Christi · an · dem · Iordan · / Zu · der · Zeit · kam · Iesus · aus · / Galiläa · an · den · Iordan · zu · Io=/hannes · daß · er · sich · von · ihm · / taufen · ließe · / Matth · 3, 13 · Marc · I1) · Luc · 32) ·

  4. D

    Dies ist · mein · lieber · Sohn · den solt ihr hören3)

  5. E†

    Und · er · ward · verklärt · vor · / ihnen · und · sein · Angesicht · leuchtete · / wie · die · Sonne · und · seine · Kleider · wurden · / weiß · wie · ein · Licht · Evang(elium) / MATh · 174) · Marc · 95) Luc · 96) · Ep · / Phil · 3, 21

  6. F†

    Es · erschien · ihm · aber · ein · Engel · / vom · Himmel · u(nd) stärkte · ihn · und · es · kam · / daß · er · mit · dem · Tode · rang · und · betete · hef=/tiger · es · ward aber · sein · Schweiß · wie · / Blutstropfen · die · fielen · auf · die · / Erde · / Matth · 267) Marc · 148) · Lucas 229) ·

  7. G

    Am Oelberg Zu Bethanien / Im beysein seiner Glaubigen [. . .] / Himmel fuhr [. . .] / fa[. . .] / [. . .]a) / Marc · 1610) · Luc · 2411) · [A]c[t ..]12) / Rom · 813)

Kommentar

In der Bildbeischrift zum Bild (G) steht von der Hand des Restaurators ein Vermerk zu den vorhandenen Textresten.14) Die Buchstabenformen dieses Vermerks stimmen mit jenen der Inschriften (A), (B), (C), (E) und (F) sowie Teilen von (D) insbesondere beim Linksknick am unteren Hastenende von f und langem s, anderen Abknickungen und den manierierten Buchstabenbildungen überein, unterscheiden sich aber deutlich von den Buchstaben, die der Restaurator selbst als Textreste bezeichnete. Dort sind f und langes s im Gegensatz zu den anderen Inschriften auch regelhaft mit Schwellschaft und Schwellzug der Fahne gebildet. Zudem stimmen die Textreste zur Himmelfahrtsdarstellung nicht mit den darunter angegebenen Bibelstellen überein, wie das bei den übrigen Texten der Fall ist. Da letztere außer bei solt in (D) einer modernen Orthographie folgen, muß man davon ausgehen, daß sich der Restaurator über möglicherweise vorhandene Textreste hinwegsetzte und im Gegensatz zum ersten Autor, der die Texte frei formulierte, eine Variante aus der Synopse auswählte. Dabei fügte er auch die entsprechenden Belegstellen aus der Bibel hinzu. Als Vorbild dienten ihm dabei die Bibelstellenangaben in (G), deren Schreibweise in humanistischer Minuskel mit Versalien der Kapitalis an den entsprechenden Stellen nachgeahmt wurde.

Die Gestaltung des Roll- und Beschlagwerks, das die Medaillons rahmt, weist auf eine Entstehung der Malerei zwischen 1600 und 1630 hin. In diesen zeitlichen Rahmen lassen sich auch die noch vorhandenen originalen Textreste ohne weiteres einordnen. Herchenröder und Rock vermuten, daß die Ausmalung durch den Stukkateur Eberhard Fischer vorgenommen wurde, da die von ihm 1620 geschaffene Stuckdecke in einem Raum des Aschaffenburger Museums das gleiche Ornament aufweist.15) Eberhard Fischer wurde am 15. 10. 1610 als Bürger in Babenhausen angenommen,16) so daß er durchaus als Künstler für die Ausmalung des Mittelschiffes in Frage kommt. Andererseits konnten keine archivalischen Belege gefunden werden, die diese Vermutung belegen.

Textkritischer Apparat

  1. Hinter fa steht von der Hand des Restaurators: Textreste des obigen / Bildes Christi Himmelfahrt.

Anmerkungen

  1. Mk 1,9.
  2. Lk 3,21.
  3. Mk 9,7.
  4. Mt 17,2; hier das wörtliche Zitat.
  5. Mk 9,2 f.
  6. Lk 9,29.
  7. Mt 26,38 ff.
  8. Mk 14,32 ff.
  9. Lk 22,43 f.; hier das wörtliche Zitat.
  10. Mk 16,19.
  11. Lk 24,50 f.
  12. Apg 1,9.
  13. Röm 8,34.
  14. Vgl. Anm. a.
  15. Herchenröder/Rock, Führer 24; ihnen folgt Mohrhardt, Hanau 48.
  16. Wtberghe, Bürgerannahmen 50.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 377(†) (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0037708.