Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)
Nr. 321 Groß-Umstadt, Evangelische Kirche 1611
Beschreibung
Epitaph des Johannes Wogesser. Das Epitaph aus rotem Sandstein ist heute außen in der Südwand des Langhauses eingemauert. Der von Pilastern gerahmte Mittelteil trägt die 16zeilige Grabinschrift (B), die ab Zeile 9 erhebliche Zerstörungen aufweist. Auf dem Gebälk, dessen Gesims ein Steinmetzzeichen (Nr. 36) trägt, folgt das Grabgedicht (A). Im Giebel sind zwei Vollwappen angebracht. Den Unterhang bildet eine von Rollwerk umgebene Tafel, deren Inschrift (C) jedoch fast völlig abgewittert ist.
Maße: H. 200, B. 71, Bu. 2,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
CONDITVR EN TVMVLO HOC IANVS WOGESSERVS IS QVIIN VIVIS VIRTVS IPSA ERAT ET PROBITASCHARVS OB ID CVNCTIS PRAEFECTIa) ET MVNERE DIGNVSQVI LEGIS ERGO PIAE DIC PIA VERBA ANIMAE
- B
ANNO CHRISTI 1560 · 25 SEP/TEMB(RIS) NATVS EST VIR SPEC/TATISSIMVS IOHANNES / WOGESSER CASSELLIS / PARENTIBVS HONESTISSIM/IS SITTICHIO WOGESSERO / ET ANNA NVSBICKERIN OF/F[ICIO] QVAESTORIS HASSIACI / [....] GE[. . . / . . . / . . .]ES[. . .] / CONIVGE IVSTI[NA HAR]SACK / [EX] QVA TRES LIBEROS SVSC/EPIT PAVLINAM MARIAM CATHARI/NAM ET IOHANNEM HENRICVM [..]DE/[.]LA[..]E OBIIT · 20 SEPTEMB(RIS) AN(NO) 1611 ·
- C
ACT[O]RVM 14 / DVRCH [..]L TRVBSAL MVS/ [. . .]1)
Übersetzung:
(A) Von diesem Grab wird Johannes Wogesser geborgen, der unter den Lebenden die Tugend und die Rechtschaffenheit selbst war. Deshalb war er allen teuer und des Bürgermeisteramtes würdig. Der Du dies liest, sprich fromme Gebete für seine fromme Seele. (B) Im Jahre Christi 1560 ist am 25. September der sehr angesehene Mann Johannes Wogesser in Kassel den sehr ehrenhaften Eltern Sittich Wogesser und Anna Nusbicker geboren worden. Im Amt eines hessischen Schreibers ... mit der Gemahlin Justina Harsack, von der er drei Kinder hatte, Paulina, Maria Katharina und Johannes Heinrich ... Er starb am 20. September im Jahre 1611.
Versmaß: Zwei Distichen.
Wogesser;2) Harsack.3) |
Textkritischer Apparat
- Beim ersten E ist der obere Balken nicht ausgeführt worden.
Anmerkungen
- Apg 14,22; der Text heißt in der Lutherbibel: „Das wir durch viel Trübsal müssen in das Reich Gottes gehen.“
- Justitia; Helmzier: zwei Büffelhörner und eine Marke.
- Ein Haarsack; Helmzier: drei Blumen.
- Vgl. dazu DI 38 (Lkr. Bergstraße) XXIV – XXX; F. Merkel, Bestattung IV, in: TRE 5 (1980) 748.
- Gundlach, Zentralbehörden III 301, der irrtümlich angibt, Johannes sei 1629 gestorben; Müller, Ortsnamenbuch 267.
- Gundlach, Zentralbehörden III 301 und 86 f.
Nachweise
- Scholz, Inschriften 75, Nr. 33.
Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 321 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0032104.
Kommentar
In den Inschriften kommen sowohl das kapitale als auch das zweibogige E vor. Der Mittelteil des M ist sehr kurz. Beim Q ist die linke Bogenhälfte zur Cauda verlängert worden.
Die im letzten Vers an den Leser gerichtete Aufforderung zum Gebet für das Seelenheil des Verstorbenen stammt aus der katholischen Tradition und widerspricht an sich der Lehre Luthers. Während vor der Reformation die Hoffnung auf die Seligkeit der Seele nach dem Tode die Hoffnung auf die Auferstehung in den Hintergrund gedrängt hatte, stellte Luther die Auferstehung wieder in den Mittelpunkt. Das liturgische Totengedenken hatte in Luthers Lehre keinen Platz mehr, und auch das außerliturgische Totengebet sollte auf den privaten Bereich beschränkt bleiben.4) Die Inschrift zeigt jedoch, daß die alten Traditionen, wenn vielleicht auch nur formelhaft, auch nach der Reformation noch weiterexistierten.
Johannes Wogesser ist 1585 als Kanzleischreiber in Kassel und in den Jahren 1601 und 1608 als hessischer Keller in Umstadt nachweisbar.5) Seine Frau Justina war eine Tochter des hessischen Assessors und Dieners Christoph Harsack. Sie starb 1658 im Alter von 89 Jahren in Kassel.6)