Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 305 Darmstadt-Eberstadt, Evangelische Dreifaltigkeitskirche 1604

Beschreibung

Bauinschrift auf einer Tafel aus gelbem Sandstein außen in der Nordwand des Langhauses. Im eingetieften Feld ist eine zehnzeilige Inschrift angebracht, deren Worttrenner als Quadrangeln gestaltet sind. In den unteren Ecken befindet sich je ein Wappen. Die Jahreszahl steht oben auf dem Rand der Tafel, und darunter ist ein nur schlecht erkennbares Steinmetzzeichen (Nr. 34) eingeritzt. Die Buchstaben und Worttrenner sind mit rötlich-brauner Farbe nachgezogen worden.

Maße: H. 60, B. 75, Bu. 3–3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. ANNOa) 1604 / IST ZV GOTTES LOB · DISER KIRCHBAVW · / DVRCH DI EDLE · ERNVESTE · LVDWIG / VND IOHANN EVSTACHII · VON VND / ZV FRANCKENSTEIN ALLS COLLATORES / DER KIRCHE INb) EBERSTAD · IRE VER/ORDNETE CASTENMEISTER · HANS DRACHTc) / VND NICLAS BAVR VFERBAVWT WORDEN · / DER CHRISTLICHEN GEM/EIN ZV GVTEM · DER HER · / GEB SEIN SEGEN DARZV AMEN

Wappen:
Frankenstein; Frankenstein.

Kommentar

Ab 1526 führte Landgraf Philipp der Großmütige in Hessen schrittweise die Reformation ein und ließ die Pfarreien allmählich mit lutherischen Predigern besetzen.1) Die Pfarreien der Herrschaft Frankenstein waren davon zunächst nicht betroffen, da die Herren von Frankenstein am katholischen Bekenntnis festhielten. Erst 1536 forderte Landgraf Philipp von Hans von Frankenstein, er solle seinen Priestern und Kaplänen befehlen, sich an die neue Kirchenordnung zu halten. Im Jahr 1541 mußte Hans sich dieser Forderung beugen, doch hielt er an seinen Rechten gegenüber der Kirche fest und konnte 1553 die Übernahme der „Hessischen Kirchenagende“, die dem Landesherren die Kirchenhoheit sicherte, für das Frankensteiner Territorium verhindern.2) Sein Enkel Ludwig3) sah sich 1574 jedoch gezwungen, gegenüber Landgraf Georg I. von Hessen-Darmstadt die „Hessische Kirchenagende“ anzuerkennen, doch erhielt er auf Vermittlung des Superintendenten Volz die Zusicherung, daß seine Rechte nicht beeinträchtigt werden sollten. Nach dem Tod von Volz fühlte man sich in Darmstadt nicht mehr an diese Zusage gebunden und versuchte nun, alle Aufsichtsrechte über die Kirche an sich zu ziehen. Der Versuch einer Kirchenvisitation in Eberstadt scheiterte allerdings und Georg I. konnte seine Ansprüche nicht durchsetzen.4) Nur unter diesen Voraussetzungen wird verständlich, warum sich Ludwig und Johann Eustachius von Frankenstein5) in der Inschrift ausdrücklich als COLLATORES der Kirche von Eberstadt bezeichnen lassen, obwohl die Frankensteiner das Recht der Pfarrstellenbesetzung (Kollatur) seit 1541 praktisch nicht mehr ausüben konnten, da der Landgraf lutherische Pfarrer vorgeschrieben hatte.6) Ludwig und Johann Eustachius von Frankenstein nutzten den Kirchenumbau von 1604 dazu, durch die Bauinschrift ihre Rechte an der Eberstädter Kirche sichtbar zu dokumentieren. Zudem lassen der Text der Inschrift und die Wappen sie als Hauptverantwortliche für den Umbau erscheinen, obwohl die Gemeinde die Hauptlast der Kosten tragen mußte.7) Auch die Formulierung, der Bau solle der christlichen Gemeinde zum Guten gereichen, zielt wohl darauf ab, die Fürsorge der katholischen Herrn für ihre lutherischen Untertanen zu demonstrieren. Als Vertreter der Gemeinde werden die beiden Kastenmeister Hans Dracht und Niclas Baur genannt, die für die Baufinanzierung verantwortlich waren.

Textkritischer Apparat

  1. Weißgerber 198 f. bietet eine normalisierte Abschrift, deren zahlreiche Abweichungen vom Original hier nicht im einzelnen vermerkt werden.
  2. Der I-Punkt über der linken Haste des N ist nicht mehr sichtbar, kann aber vorausgesetzt werden, da diese I-N-Ligatur noch zweimal in der Inschrift vorkommt.
  3. DRACHI Wörner.

Anmerkungen

  1. Heinemeyer, Zeitalter der Reformation 237 – 239.
  2. Scriba, Geschichte I 472 f.; Weißgerber 150 – 153 und 192; zu Hans vgl. Nr. 166.
  3. Zu ihm vgl. Nr. 310.
  4. Weißgerber 192 f.
  5. Johann Eustachius war ein Sohn Johanns V. von Frankenstein und der Hildegard Nagel von Dirmstein, vgl. Humbracht, Stammtafeln 108.
  6. Weißgerber 152; nur nach dem Schmalkaldischen Krieg konnte Hans von Frankenstein zwischen 1549 und 1553 noch einmal katholische Pfarrer in seinen Pfarreien berufen, vgl. Scriba, Geschichte I 473; Weißgerber 152 f.
  7. Zum Umbau und zur Kostenverteilung vgl. Haupt 307 f.; Weißgerber 198 f.

Nachweise

  1. Wörner, Inschriften 85 f.
  2. Haupt, Kdm. 308.
  3. Weißgerber, Herren von Frankenstein 198 f.
  4. Kulturdenkmäler Darmstadt 631, Abb.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 305 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0030504.